> Statine: Bei älteren Menschen mit Vorsicht zu genießen

Statine werden Patienten massenhaft zur Senkung des Cholesterins verschrieben. Denn wer zu viel schlechte Fette (LDL-Cholesterin) im Blut hat, dessen Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall nimmt drastisch zu, lautet die Gleichung. Kontrovers wird der Nutzen dieser Medikamente aber schon seit langem geführt, denn in manchen Studien überwiegt der Nutzen, in anderen wiederum die Nebenwirkungen. Eine neue Studie sagt nun, dass ältere Menschen keinen Vorteil von einer Statingabe haben.


Wenn es um Statine geht es nicht nur um viel Geld. Es geht für Mediziner auch um Begriffe wie Primär- und Sekundärprävention. Primärprävention bedeutet, dass bei eigentlich Gesunden das Auftreten einer Krankheit verhindert werden soll. Sekundärprävention  bedeutet, dass das Fortschreiten einer bereits aufgetretenen Krankheit verhindert werden soll. Insbesondere bei Statinen spielt dieser Unterschied eine große Rolle. Die meisten Experten vertreten die Auffassung, dass Statine ihren Wert in der Verhinderung kardiovaskulärer Ereignisse bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung beweisen haben. Um etwa 30% sei die Sterblichkeit bei diesen Patienten  zurück gegangen. Etwas anders sieht es bei der Primärprävention aus: Dort stellen Mediziner die frage, welche Patienten von Statinen profitieren und wie die vielfältigen Nebenwirkungen zu beurteilen sind. 


Was die Nebenwirkungen betrifft, so haben Studien ergeben, dass Medikamente zur Senkung des Cholesterinspiegels bei 7% bis 29% Patienten zu Muskelbeschwerden führen, das Risiko an Diabetes zu erkranken erhöhen, die Leberfunktion beeinträchtigen, die körperliche und geistige Leistung einschränken sowie das Agressionspotential vornehmlich bei Frauen steigert. Abhängig ist das nach Meinung vieler Ärzte von der gegebenen Dosis. Und möglicherweise vom Alter.


Ausgewertet wurden die Daten von 10.000 Menschen im Alter von über 55 Jahren, die unter Hyperlipidämie (erhöhte Cholesterin- und Triglyceridwerte) und Hypertonie (Bluthochdruck) aber nicht an einer klinischen Herzerkrankung litten. Eine Patientengruppe wurde mit einem Statin (40 mg Pravastatin) oder die andere mit einer üblichen medizinischen Betreuung behandelt. Nach sechs Jahren hatte sich in der Pravastatin-Gruppe weder eine bedeutsame Verminderung der Mortalität noch eine Verbesserung fataler oder nicht-fataler Ereignisse einer koronaren Herzkrankheit gezeigt.  


In einer zweiten, jetzt vorgenommenen Auswertung wurden die Daten von 2867 Teilnehmern ab dem 65. Lebensjahr analysiert. Die davon 1467 mit behandelten Pravastatin Personen waren im Mittel 71 Jahre alt und etwa zur Hälfte Frauen. Ihr mittleres LDL-Cholesterin betrug zu Beginn 147 mg/dl und nach sechs Jahren 109 mg/dl. Bei den 1400 Patienten unter „usual care“ (ebenfalls im Mittel 71 Jahre alt und etwa zur Hälfte Frauen) lag LDL-Cholesterin zu Beginn auch bei 147 mg/dl, nach sechs Jahren bei 128 mg/dl. Wurden die älteren Personen in zwei Gruppen geteilt , 65-74 J und =/>75 J, zeigte sich ebenfalls kein günstiger Effekt des Statins. In der ältesten Gruppe (=/>75 Jahre) bestand sogar ein Trend zu einer erhöhten Gesamtmortalität.


Prof. Helmut Schatz von der der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) sieht in dieser Studie Schwächen. Auch wenn der Einsatz von Statinen zur Primärprävention die Sterblichkeit nicht verbessere, „so wurden doch Koronarereignisse reduziert“. Der Trend zu einer erhöhten Mortalität bei Patienten ab dem 75. Lebensjahr unter Statinen sollte bei der Verschreibung berücksichtigt werden. Meint Schatz: „In Deutschland werden erfahrene Ärzte wohl ohnedies nicht Statine alten Menschen ohne kardiovaskuläre Anamnese verschreiben, nur weil der Cholesterinspiegel höher ist.“ 


Zum Vergleich: Studien zum Nutzen von Statinen in der Sekundärprävention bei älteren Patienten über 65 Jahre kamen zu folgenden Ergebnissen: Nach einer Einnahmezeit von etwas über fünf Jahren führte Simvastatin in der einen Studie zur einer Verminderung  des allgemeinen Sterberisikos um 34% und des Risiko an einem Herzinfarkt zu sterben um 43%. In einer anderen Untersuchung ergab sich die Verminderung der Gesamtmortalität um 22% und bei der kardiovaskulären Mortalität um 30%. Die Ergebnisveröffentlichungen schweigen sich allerdings zu einer Abwägung von Nutzen und Schaden aus. Meist heißt es, dass das Nutzenpotential das Risikopotential überwiegt. 


cs 1.6.2017/ Quelle: Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie

 
 
 
 
 
 
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