Zitat von Öko-Test: "Als nikotinfrei beworben - aber tatsächlich nikotinhaltig: Das Selection Liquid Golden South Tobacco von der Firma Red Kiwi. Nikotin erzeugt nicht nur Sucht, sondern ist auch stark giftig." (Foto: Öko-Test)
Zitat von Öko-Test: "Als nikotinfrei beworben - aber tatsächlich nikotinhaltig: Das Selection Liquid Golden South Tobacco von der Firma Red Kiwi. Nikotin erzeugt nicht nur Sucht, sondern ist auch stark giftig." (Foto: Öko-Test)
> E-Zigarette: Eine unterschätzte Gesundheitsgefahr

Ob E-Zigaretten der Gesundheit schaden oder nicht, darüber streiten sich nicht nur die Gelehrten. Nun haben Richter in Nordrhein-Westfalen (NRW) entschieden, dass E-Zigarette zu rauchen nicht Rauchen, sonder Verdampfen ist. Deshalb dürfen  E-Zigaretten in Gaststätten zumindest in NRW gequalmt werden. Auch seien mögliche Gefahren durch E-Zigaretten mit den Gefahren des Passivrauchens bei herkömmlichen Zigaretten "jedenfalls weder identisch noch vergleichbar". Ob das so stimmt, ist bisher erstaunlicherweise noch nicht bis ins Detail erforscht worden. Warum nur? Es gibt aber viele, die vor den unentdeckten Gefahren von E-Zigaretten warnen.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land NRW hat entschieden (Aktenzeichen: 4 A 775/14; I. Instanz: VG Köln 7 K 4612/13) , dass unter Rauchen nach allgemeinem und fachlichem Sprachgebrauch das Einatmen von Rauch zu verstehen ist, der bei der Verbrennung von Tabakwaren entsteht. Beim Gebrauch einer E-Zigarette finde jedoch kein Verbrennungsprozess, sondern ein Verdampfungsvorgang statt. Zudem handele es sich bei der verdampften Flüssigkeit (Liquid) nicht um ein Tabakprodukt im Rechtssinne, weil sie nicht zum Rauchen bestimmt sei. Das gelte auch für das in vielen Liquids enthaltene Nikotin. Das nordrhein-westfälischen Nichtraucherschutzgesetz (NiSchG NRW) diene "allein dem Schutz vor Gefahren des Passivrauchens". Mögliche Gefahren durch E-Zigaretten seien damit jedenfalls weder identisch noch vergleichbar. Die Gefährlichkeit einer E-Zigarette für "Passivdampfer" sei bislang nicht hinreichend erforscht, geschweige denn nachgewiesen. Also, so der Schluss des Gerichtes, sind Gastwirte nicht verpflichtet, "den Gebrauch sog. E-Zigaretten in ihren Betrieben zu unterbinden".

Dass bisher keine umfassenden Studien zur Auswirkung von E-Zigaretten auf die Gesundheit vorliegen, bedeute aber vor allem, dass die Sicherheit der Langzeitnutzung dieser Inhalation nicht ausreichend belegt sei, betonen Ärzte der Universität Kalifornien in einer Untersuchung. Die wurde im übrigen vom National Cancer Institute und der FDA (U.S. Food and Drug Administration - Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelzulassungsbehörde) bezahlt. Die Wissenschaftler betonen, dass vor allem die giftigen Effekte der inhalierten Aromastoffe völlig vernachlässigt würden. Dabei sei schon die Zusammenstellung der Liquide, die in den E-Zigaretten "verdampft" werden, recht fragwürdig: Die meisten Liquide bestehen aus Propyleneglykolen (das sind Bestandteile von Wasch- und Reinigungsmitteln, Kunstharzen, Gefrierschutzmittel und Klebstoffen und fallen in den Bereich der gesundheitsschädlichen Stoffe), Glycerin (E422 wird dem Tabak zur Erhaltung der Feuchtigkeit zugefügt, wird als Frostschutzmittel, Schmierstoff und Weichmacher verwendet - laut Bundesinstitut für Risikobewertung -BfR- bestehen Gesundheitsgefahren durch Reizungen des Kehlkopfes und der Nasenschleimhäute), Nikotin und eben den Aromastoffen.

Bisherige Laborversuche hätten aber bestätigt, dass die Aromastoffe die größte Gesundheitsgefahr ausübten. Sie würden als ultrafeine Stäube bis tief in die Lunge vordringen. Beispiel Diacetyl - künstliches Butteraroma z.B. für Popkorn: Ruft Schäden der Lunge (Bronchiolitis obliterans) hervor. Eine Studie (veröffentlicht in Nicotine Tob Res. 2014) griechischer und US-amerikanischer Wissenschaftler hat gezeigt, dass in 69,2% der aromatisierten Liquide Diacetyl enthalten war. Wer mindesten 3ml der Verdampferlösungen - eine Nachfüllkartusche enthält ca. 10ml - am Tag verdampft, überschreitet die vom National Institute for Occupational Safety and Health (NIOSH - vergleichbar mit der deutschen Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) empfohlenen Standards und  vorgegebenen Höchstwerte.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) urteilt: "E-Zigaretten sind gesundheitlich bedenklich." Das DKFZ fand heraus, dass mehrere der getesteten Liquids und Aerosole in geringen Mengen Kanzerogene enthielten, für die kein Schwellenwert für eine Unbedenklichkeit attestiert werden könne. Deshalb sei eine Krebsgefährdung insbesondere bei Dauerkonsum nicht auszuschließen. Außerdem könnnen manche der verwendeten Aromastoffe als Kontaktallergene wirken.

Die Bundeszentrale für gesundheitheitliche Aufklärung (BZgA) beantwortet die Frage, ob E-Zigaretten eine gesunde Alternative zum Tabakkonsum sind, so: "Nein, bereits nach wenigen Minuten des Konsums der elektrischen Variante des Glimmstängels kommt es zu Einengungen der Atemwege und Reizungen im Rachen und Mundraum. Das konnte in einer Studie festgestellt werden. Die langfristigen Wirkungen der E-Zigarette sind derzeit noch nicht untersucht. Anders formuliert: Es ist nicht erwiesen, dass elektrische Zigaretten gesundheitlich unbedenklich sind, deshalb ist von ihrem Konsum abzuraten."

Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung WKI hat die Schadstoffbelastung durch „flüchtige organische Verbindungen“ (VOC = Volatile Organic Compounds) und „ultrafeinen Partikel“ untersucht, die durch den Dampf der E-Zigarette ausgelöst werden kann. Das Ergebnis: E-Zigaretten geben Propylenglykol in die Raumluft ab. Diese Substanz kann beim Einatmen in großer Menge die Atemwege reizen, befürchten Lungenärzte/innen. Propylenglykol wird auch im Qualm einer herkömmlichen Zigarette nachgewiesen, weil das auch bei Tabakprodukten zugesetzt wird.

Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat einige typische Inhaltsstoffe von E-Zigaretten-Liquids wie Nikotin, Vernebelungsmittel, Zusatz- und Aromastoffe bewertet: "Die Dämpfe dieser Substanzen können die Gesundheit von E-Rauchern beeinträchtigen. Gefahren für Dritte sind nach derzeitigem Kenntnisstand nicht auszuschließen. Ursache dafür können neben Nikotin auch das Verneblungsmittel Propylenglycol, Chemikalienzusätze wie pharmakologische Wirkstoffe sowie verschiedene Duft- und Aromastoffe (z.B. Menthol, Linalool) und Verunreinigungen sein. Es gibt Hinweise aus der Fachliteratur, dass einige Fabrikate von E-Zigaretten auch krebserzeugende Aldehyde freisetzen."

Öko-Test hat sich in seiner Mai-Ausgabe (ÖKO-TEST-Magazin Mai 2014) mit E-Zigaretten beschäftigt. „Ungenügend“ lautete das Urteil für alle Testprodukte. "Zwar lagen die analysierten Mengen an Krebsgiften deutlich unter denen im Zigarettenrauch. Doch damit ist die Krebsgefahr nicht etwa gebannt, denn es gibt für krebserregende Gemische keinen Schwellenwert, unterhalb dessen sie unschädlich wären."

Deshalb ist es erstaunlich, dass die Richter des Oberverwaltungsgerichtes die Empfehlungen des BfR nicht wahrgenommen haben, die darauf beruhen, dass die verschiedenen Substanzen "in Form von Emissionen über die Dämpfe der E-Zigaretten und den Atem der E-Raucher in die Umgebungsluft abgegeben" werden und Gefahren für Dritte nicht ausgeschlossen werden können. "Das BfR empfiehlt daher, das Rauchen von allen E-Zigaretten in Nichtraucherzonen zu untersagen und diese Produkte im Sinne des Nichtraucherschutzes wie herkömmliche Zigaretten zu behandeln."

Berliner Ärzteblatt 13.11.2014/ Quelle: JAMA 2014, Ärztezeitung, Wirtschaftswoche, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)

 
 
 
 
 
 
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