Arsenal von E-Zigaretten: „Als per se unschädlich kann die E-Zigarette sicher nicht eingeschätzt werden.“ (Foto: Dirk Kruse / pixelio.de)
Was sind sie denn nun die E-Zigaretten - schädlich oder unschädlich? Die Deutsche Suchtgesellschaft – Dachverband der Suchtfachgesellschaften (DSG) meint: „Weil Langzeiterfahrungen noch fehlen, ist eine medizinische Bewertung des Konsums von E-Zigaretten bislang schwierig.“ Mag sein. Ist aber nicht wirklich hilfreich. Eines zeichnet sich mittlerweile jedoch ab: Ganz so harmlos wie oft behauptet, sind die E-Zigaretten nicht.
„Als per se unschädlich kann die E-Zigarette sicher nicht eingeschätzt werden“, sagt denn auch Dr. med. Tobias Rüther, Oberarzt für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum München. So enthalte das Aerosol, der eingeatmete Dampf, neben Nikotin auch krebserzeugende und giftige Substanzen wie Formaldehyd oder Acetaldehyd. Nichtraucher – vor allem Jugendliche – sollten daher keinesfalls ermuntert werden, über E-Zigaretten mit dem Nikotinkonsum zu beginnen. Alle Regelungen zum Jugend- und Nichtraucherschutz für herkömmliche Tabakprodukte müssten also auch uneingeschränkt für E-Zigaretten gelten. Das schließe auch Werbeverbote, das Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und mögliche Preissteigerungen mit ein.
Auf der anderen Seite sei das Inhalat aus E-Zigaretten deutlich weniger schädlich als Tabakrauch: Unterschiedliche Schätzungen verschiedener Experten schreiben dem Aerosol eine neun- bis 450-mal geringere Toxizität zu als dem Rauch aus herkömmlichen Zigaretten. „Wer bisher konventionell geraucht hat, kann daher vom Umstieg auf die E-Zigarette profitieren“, meint Rüther. Studien hätten ergeben, dass Raucher, die komplett auf das Dampfen umsteigen, nach einem Jahr deutlich bessere Blutdruck- und Atemfunktionswerte aufwiesen. Auch die Lungenfunktion von Asthmatikern bessert sich ersten Untersuchungen zufolge durch den Umstieg. Bislang fehlen jedoch noch Daten zu den längerfristigen Gesundheitseffekten.
Wie die Experten der DSG betonen, bleibe das eigentliche und in allen Leitlinien formulierte Ziel aber nicht der Umstieg aufs „Dampfen“, sondern der völlige Rauchverzicht. In Studien geben rund zwei Drittel der Raucher an, mit dem Rauchen aufhören zu wollen und dies auch schon mindestens einmal ernsthaft versucht zu haben. Gleichzeitig ist jedoch nur jeder zehnte zu einem Rauchstopp bereit. Dazu trägt sicher bei, dass viele Raucher sich durch die etablierten Entwöhnungshilfen wie Nikotinersatzpräparate oder eine Verhaltenstherapie nicht angesprochen fühlen.
In diesen Fällen könne die E-Zigarette eine Brücke zum Rauchausstieg bauen. Denn manche Studien sprechen dafür, dass das Dampfen den Übergang in die Abstinenz erleichtern kann. Weil andere Studien dem widersprechen, wird das Thema derzeit sehr kontrovers diskutiert. „Die aktuelle Datenlage erlaubt es noch nicht, eine abschließende Entscheidung für oder gegen die E-Zigarette zu treffen“, formuliert Rüther. Vorerst gelte es, die Chancen, die die E-Zigarette für die Tabakentwöhnung biete, nicht durch eine zu starke Regulierung zunichte zu machen. Zugleich müsse aber verhindert werden, dass die E-Zigarette das Rauchen wieder salonfähig mache.
In England sind die Ärzte da weniger vorsichtig. Das Royal College of Physicians, London, hat einen Report mit nicht weniger als 200 Seiten vorgelegt. Der schlägt sich eindeutig auf die Seite der E-Zigaretten-Befürworter. Dampfen könne die Schäden des Rauchens radikal reduzieren, berge weniger Risiken - ohne gesundheitlich ganz unbedenklich zu sein, im Langzeitkonsum erreichten die Schäden kaum 5% jener, die das Tabakrauchen verursachten. Als besonders gefährlich wird beim Rauchen von Zigaretten der Verbrennungsprozeß des Tabaks beurteilt, bei dem
„tausende Substanzen entstehen, von denen mehrere hundert als toxisch bis hin zu krebserregend gelten“ (Dr. Ute Mons, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention des Deutschen Krebsforschungszentrums - DKFZ).
Ob das bei E-Zigaretten wirklich besser ist? Eine in den USA, Frankreich und Argentinien durchgeführte Untersuchung hat ermittelt, dass in den Liquids über 30 Inhaltsstoffe vorhanden sind, darunter Nikotin, Propylenglykol, Glycerin, Ethanol, Acetol, Propylenoxid. Das sind alles Stoffe, die in industriellen Produkten -z.B. Kosmetika, Haushaltsreinigern, Pflegemitteln, Frostschutzmitteln, Medikamenten, Tierfuttern und teilweise auch in Lebensmitteln - eingesetzt werden. Erlaubterweise. Doch unbedenklich sind die meisten dieser Stoffe dennoch nicht. Manchen wird die nachgesagt, dass sie Haut, Augen und Atemwege reizen, den Kehlkopf verändern, Krebs erzeugen, Depressionen verursachen usw.
Die Menge der abgegebenen Stoffe im Qualm variierte, je nachdem, wie heiß der Verdampfer wurde. Auch die Dauer der Nutzung eines Geräts ist ein Faktor bei der Freisetzung von Chemikalien. Je häufiger und länger ein Verdampfer genutzt wird, desto mehr Chemikalien werden dabei freigesetzt.
Eine andere Untersuchung an der Danderyd University Hospital, Karolinska Institute, Stockholm, Schweden, schürt Befürchtungen, dass E-Zigaretten letztlich nicht weniger gefährlich sind, wie das Tabakrauchen. Studenten im Durchschnittsalter von 26 Jahren und Nichtraucher, erhielten E-Zigaretten mit Nikotin an einem Tag und ohne Nikotin an einem anderen. Sofort und dann zwei und vier Stunden nach dem jeweiligen Rauchen wurden Blutdruck, Puls und Versteifung der Arterien gemessen. Nach dem Rauchen von E-Zigaretten mit Nikotin erhöhte sich der Blutdruck, die Herzfrequenz und die Versteifung der Arterien enorm. Bei E-Zigaretten war eine solche Auswirkung auf den Puls und die Arterien nicht zu beobachten.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Forscher der California University in Los Angeles. Demnach müssen auch E-Zigaretten-Raucher mit einem erhöhten Risiko für Gefäßerkrankungen, Herzinfarkte und Schlaganfälle rechnen.
cs 29.9.2017/ Quelle: Suchttherapie, Environ. Sci. Technol., European Lung Foundation