Arzt
Ärzte protestieren gegen schlechten Verdienst und zu viel Bürokratie
> Ärztestreik: 50% der Praxen bleiben geschlossen

Die Ärzte
streiken. Nach den Klinikärzten protestieren jetzt auch die
niedergelassenen Ärzte gegen schlechte Arbeitsbedingungen und zu wenig
Geld. Heute soll die Hälfte aller Praxen geschlossen bleiben.


„Es muss Schluss
sein mit den katastrophalen Arbeitsbedingungen in Kliniken und Praxen.
Den Patienten und den Ärzten sind Endlosschichten im Krankenhaus und
die stille Rationierung in der ambulanten Versorgung nicht mehr
zuzumuten”, erklärte der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
(KBV) Dr. Andreas Köhler in schönstem Verbandsjargon. Und
Vorstandskollege Ulrich Weigeldt pflichtete bei: ”Der Frust der Ärzte
ist zu verstehen, ihnen fehlen Planungssicherheit und insbesondere Zeit
für ihre Patienten.”



Um ihren Forderungen Nachdruck zu
verleihen, legten schon im vergangenen Jahr die Krankenhausärzte
zeitweise die Arbeit nieder. Jetzt folgen auch die niedergelassenen
Kollegen. Etwa die Hälfte aller Praxen in Deutschland sollen heute
geschlossen bleiben.

Worum geht es? Die Ärzte beklagen, dass
sie für ihre Leistungen immer weniger Geld bekommen und schon bis zu
einem Drittel ihrer Arbeit gar nicht mehr vergütet bekommen. Außerdem
bemängeln sie die überbordende Bürokoratie, die bereits mehr als 20%
ihrer Arbeitskraft in Anspruch nehme. Und nicht zuletzt würden die von
ihnen abgelehnten geplanten neuen Vorschriften in der
Arzneimittelversorgung die Therapie von Patienten gefährden.

Gegen die schlechte Einkommenssituation führt das Bundesgesundheitsministerium an, dass im Bundesdurchschnitt und über alle Arztgruppen (allerdings ohne psychologische Psychotherapeuten) der Umsatz je Arzt im Jahr 2003 202.588 Euro betrug. Im Westen lag der Umsatz je Arzt über alle Arztgruppen bei 205.257 Euro, im Osten bei 187.693 Euro. Nach Abzug der Praxiskosten ergibt sich im Westen über alle Fachgebiete ein Überschuss je Arzt in Höhe von 84.976 Euro, im Osten in Höhe von 78.268 Euro. Hinzu kommen die Einnahmen aus der Behandlung von Privatpatienten, die im Westen je nach Fachgebiet zwischen 16 und 33 Prozent aus; im Osten erwirtschaftet ein Arzt je nach Fachgebiet zwischen 7 und 30 Prozent seines Umsatzes mit Privatpatienten (Daten aus 1999 hochgerechnet).



Im Ergebnis sind die Internisten in den alten Bundesländern mit einem durchschnittlichen Praxisüberschuss inkl. Privatliquidation in Höhe von 137.016 Euro die Arztgruppe mit der durchschnittlich besten Einkommenssituation. Aufgrund der geringeren Einnahmen aus Privatliquidation erzielen Internisten in den neuen Ländern trotz höherer Umsätze mit GKV-Versicherten einen geringeren Praxisüberschuss incl. Privatliquidation als ihre West-Kollegen; ihr (Brutto-)Einkommen beläuft sich auf 116.869 Euro. Am unteren Ende der ärztlichen Einkommensskala liegen die Hautärzte im Osten; sie erzielen inkl. Privatliquidation durchschnittlich ein Einkommen von 62.892 Euro.



Natürlich
sind das alles Durchschnittswerte. Und nicht ohne Berechtigung weist
die KBV darauf hin, dass mehr als die Häflte der Ärzte unter diesem
Durchschnitt liegen. Das wirft die Frage auf, ob es mit der Verteilung
der Einkommen in der Ärzteschaft vielleicht hapert. Im Kampf um die
dicksten Brocken gehen die einzelnen Facharztgruppen nämlich nicht
gerade zimperlich miteinander um, jeder nimmt so viel er bekommen kann.
Die viel beschworene Solidarität bleibt da oft auf der Strecke.



Eine Ermahnung sprechen auch die Kassen aus. Die Ärzte sollten sich vergegenwärtigen,
dass ihr angeblich zu niedriges Einkommen von Beitragszahlern stamme,
die im Durchschnitt über ein monatliches Bruttoeinkommen von 2.210 Euro
verfügten.



Und was die enorme Bürokratie betrifft, so
gilt es einen Ausgleich zu finden zwischen den notwendigen
Erfordernissen eine aussagekräftigen Dokumentation der ärztlichen
Leistung, in der es ja um Gesundheit von Menschen geht, und den
manchmal ausufernden und unverständlichen Anforderungen der Kassen und
Politik. Das es in diesem Bereich Auswüchse gibt, die beschnitten
werden müssen, darauf hat auch die Patientenbeauftragte der
Bundsregierung, Helga Kühn-Mengel, im Morgenmagazin von ARD und ZDF
hingewiesen.



Ausgetragen wird der Streit auf dem Rücken der
Patienten. Die scheinen aber für die Sorgen der Mediziner ein offenes
Ohr zu haben. In einer Mitte Januar durchgeführten Telefonbefragung
gaben 81%, Verständnis für die bundesweiten Proteste aufzubringen.



WANC 18.01.06

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