Untersuchung
In Deutschland deutliche regionale Unterschiede in der Arztdichte zu beobachten
> Gibt es schon bald zu wenig Ärzte?

Schon
bald gibt es zu wenig Ärzte, warnt die Kassenärztliche
Bundesvereinigung. Und schon bald werde es nicht mehr möglich sein, für
jede Praxis einen Nachfolger zu finden. Das
Bundesgesundheitsministerium bestreitet diese Annahmen.


Die
Zahl der Medizinstudierenden, die sich nach der Uni für eine Tätigkeit
als Ärztin oder Arzt entscheiden, wird bald nicht mehr ausreichen, um
die Abgänge aus der kurativen Versorgung zu kompensieren. Diese
Schlussfolgerung zieht die Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) aus
der jüngsten Studie zur Arztzahlentwicklung.



Bis zum Jahr 2010
werden insgesamt 40.340 Haus-, Fach- und Krankenhausärzte aus
Altersgründen das Gesundheitssystem verlassen. Im Jahr 2015 werden es
bereits 74.449 sein, so die Prognose. Im Gegenzug haben von 11.600
Erstsemestern 1997 im Fach Humanmedizin nur 6.802 nach dem Ende ihres
Studiums im Jahr 2003 eine Tätigkeit in der ärztlichen Versorgung
aufgenommen. Setzt man diese Zahl auch für 2006 und die kommenden Jahre
an, so bleibt der Zuwachs an jungen Ärzten deutlich hinter dem
Bedarf zurück: Statistisch betrachtet scheiden jedes Jahr circa 7.500
Ärzte aus. Es rücken aber nur etwa 6.800 Mediziner nach.



Bereits
ab 2006 wird aller Voraussicht nach die Zahl der Allgemeinen
beziehungsweise Praktischen Ärzte, der Frauen- sowie der Kinderärzte
sinken. 2007 wird die Entwicklung vor allem die HNO-Ärzte, Urologen und
Internisten betreffen. Im Jahr 2008 schließlich werden Chirurgen,
Hautärzte und Orthopäden nicht mehr ausreichend Nachfolger für ihre
Praxen finden.



Ob es nun zu wenig oder ausreichend Ärzte gibt,
darüber streiten Ärzte und Gesundheitsministerium. Ministerin Ulla
Schmidt verweist darauf, dass sich die Zahl der Ärzte von 1992
insgesamt von 251.877 auf 306.435 um 22% erhöht hätte. Im ambulanten
Bereich (niedergelassene Ärzte) betrug die Erhöhung 28 und im
stationären Bereich (Krankenhaus) 18%.



Stellt das
Gesundheitsministerium denn fest: "Der Anstieg der Ärztezahlen führt
bei einer etwa gleich bleibenden Bevölkerungszahl (+1,8%) dazu, dass
ein Arzt im Jahr 2004 durchschnittlich nicht mehr 322 Einwohner wie
noch 1992, sondern nur noch 269 Einwohner versorgen musste. Zum
Vergleich: in den Niederlanden kommen auf einen berufstätigen Arzt 317
Einwohner, in Norwegen 345 Einwohner und in Großbritannien 557
Einwohner. Eine höhere Arztdichte als in Deutschland findet sich
dagegen nur in ganz wenigen Ländern."



Dabei lässt sich nicht
verheimlichen, dass es in den einzelnen Ländern unseres Staates starke
Unterschiede in der Versorgung mit Ärzten gibt. Sagt das Ministerium:
"Allerdings sind in Deutschland deutliche regionale Unterschiede in der
Arztdichte zu beobachten. Während in Hamburg nur 184 Einwohner auf
einen berufstätigen Arzt kommen, hat ein Arzt in Brandenburg 331
Einwohner zu versorgen. Generell ist die Ärztedichte in den
Stadtstaaten besonders hoch, während sie in den Flächenländern – und
dort insbesondere im Osten Deutschlands – deutlich niedriger ist."



Auch
was den Nachwuchs anbelangt, macht sich die Politik anscheinend weniger
Sorgen. "Bis 2003 argumentierte die KBV mit dem seit den 1970-er Jahren
gesunkenen Verhältnis von Bewerbern zu Medizinstudienplätzen, um die
sinkende Attraktivität des Arztberufs zu belegen. Seit dem Jahr 2001
ist diese Kennziffer (bei etwa gleichbleibender Zahl der Studienplätze)
aber kontinuierlich von 2,7 auf 5,3 im Jahr 2005 gestiegen (Abbildung
10). Bei über 5 Bewerbern auf einen Studienplatz scheint das
Medizinstudium tatsächlich keine Attraktivitätsprobleme aufzuweisen."



Zum
Problem des Ärztemangels kontert das Ministerium: "In den meisten
Fachgebieten ist die Zahl der noch offenen Niederlassungsmöglichkeiten
in der vertragsärztlichen Versorgung so gering (< 150), dass nicht
von Ärztemangel die Rede sein kann. In den vergangenen Jahren haben
sich allerdings regional und bezüglich einzelner Facharztgruppen
Nachwuchsprobleme entwickelt. Bei den Psychotherapeuten und bei den
Hausärzten gab es Anfang 2005 mit 2.252 bzw. 2.504
Niederlassungsmöglichkeiten eine größere Zahl nicht besetzter
Kassenarztsitze. Diesen Risiken für die Versorgung insbesondere im
ländlichen Raum in Ostdeutschland soll auf politischer Ebene u. a. durch
eine Liberalisierung des Vertragsarztrechtes entgegen gewirkt werden."



Was
das nun wieder bedeutet, hat Ministerin Schmidt auch schon durchblicken
lassen: Wenn die Kassenärztlichen Vereinigungen es nicht schaffen, eine
gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, will sie
ihnen den sogenannten Sicherstellungsauftrag entziehen. Das würde
bedeuten, dass dann die Kassen direkt mit Ärzte verhandeln könnte und
unterversorgte Gebiete mit "eigenen Vertragsärzten" besetzt.



WANC 06.02.06

 
 
 
 
 
 
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