Geld
Das Gesundheitssystem benötigt immer mehr Geld: Auch die geplante Beitragserhöhung wird die Löcher nur kurzfristig stopfen
> Gesundheitsreform: Beitragserhöhung wird nicht reichen

Die von der Regierung verabschiedete Gesundheitsreform
beschert den Versicherten eine Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge um
mindestens 0,5%. Doch zwei Institute haben nach gerechnet, dass das nicht
reichen wird. Schon jetzt ist absehbar, dass ein zukünftiger Gesundheitsfonds
chronisch unterfinanziert sein wird.


Eine grundlegende Reform des Gesundheitswesens ist
überfällig – sagen das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK)
und das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der
Hans-Böckler-Stiftung. Und: Die Eckpunkte der Großen Koalition vom Juli sind
jedoch in sich widersprüchlich, erhöhen die Lohnnebenkosten und verschärfen die
ungleiche Wettbewerbsposition von gesetzlicher (GKV) und privater
Krankenversicherung (PKV).



Fatal ist aber das Ergebnis einer Analyse der beiden
Institute: Die höheren Einnahmen durch die beabsichtigte Beitragssatzerhöhung
um 0,5 Prozentpunkte stabilisieren die Finanzsituation voraussichtlich nur
kurzfristig.



Was zu tun ist, haben die IMK und WSI ebenfalls ermittelt: Der Blick auf die
Entwicklung der vergangenen 15 Jahre zeigt, dass sich die Gesundheitsausgaben
insgesamt ähnlich wie das Bruttoinlandsprodukt entwickelt haben. Die
Einnahmenbasis - die Gehälter der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten -
konnten jedoch damit nicht Schritt halten. Ein von den Instituten skizziertes, zukunftsfestes
Alternativkonzept, müsse deshalb einen mutigeren Schritt in Richtung
Steuerfinanzierung und Integration von PKV und GKV machen.



Mit einer Umstellung auf eine stärkere Steuerfinanzierung des Gesundheitswesens
könne eine langfristig stabile Einnahmenbasis aufgebaut werden.
Gesellschaftspolitisch erwünschte Leistungen wie Mutterschaftsgeld oder die
Mitversicherung von Kindern würden dann von allen Steuerzahlern auf einer
breiteren Basis und nicht nur von dem Kreis der GKV-Mitglieder getragen. Der Gesundheitskompromiss
erfülle diese Anforderung jedoch nicht: Die Erhöhung der Steuerzuschüsse an die
GKV „geschieht in so kleinen Schritten über viele Jahre, dass diese von der
Stoßrichtung her richtige Maßnahme durch zukünftige Kostensteigerungen in der
GKV mehr als kompensiert werden dürfte", monieren die Wissenschaftler.



Auch der Fondslösung in der jetzt geplanten Form stehen die Experten kritisch
gegenüber. Ein Fonds sei nur sinnvoll, wenn die Steuerfinanzierung deutlich
gestärkt und ein integriertes Krankenversicherungssystem angestrebt werde. „Auf
fast ideale Weise hätte die Fondslösung eine Chance eröffnet, die PKV in das
einkommensabhängige Beitrags- und Umverteilungssystem mit einzubeziehen, ohne
in die individuellen Verträge zwischen der PKV und ihren Versicherten
eingreifen zu müssen", resümieren die Forscher.



Der „unfaire Wettbewerbsvorteil“der PKV gegenüber der GKV
und die Nicht-Einbeziehung von Beamten und vielen Angestellten mit höheren
Einkommen in die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen, in den
Risikostrukturausgleich und in die Lastenumverteilung der GKV, könne weitgehend
aufgehoben werden, wenn auch diese Gruppen einkommensabhängige Beiträge an den
Fonds zahlen würden.



“Von diesem Katalog an Lösungsansätzen sind in dem bisherigen
Koalitionskompromiss nur wenige und zudem noch widersprüchliche Bruchstücke
enthalten", lautet das Resümee. Die Wissenschaftler warnen davor, dass der
geplante Gesundheitsfonds unter diesen Umständen chronisch unterfinanziert sein
wird. Damit wachse die Gefahr, dass Krankheitskosten in Form von "kleinen
Kopfpauschalen" weiter privatisiert würden.



Aber vielleicht ist das ja
erwünscht?



WANC 03.08.06

 
 
 
 
 
 
powered by webEdition CMS