Praxis
Ein wesentliches Element eines integrierten Krankenversicherungssystems ist der übergreifende Krankenversicherungsmarkt
> Neues System lässt Kassenbeiträge sinken

Mit
einem neuen Krankenversicherungssystem lässt sich der Beitragssatz in
der gesetzlichen Krankenversicherung um etwa 1% senken. Ein
wesentlicher Bestandteil des so genannten integrierten
Krankenversicherungssystems ist der freie Wechsel zwischen gesetzlicher
und privater Krankenkasse.


Der durchschnittliche
Beitragssatz für die Krankenversicherung kann um knapp einen
Prozentpunkt sinken, wenn in Deutschland ein integriertes
Krankenversicherungssystem geschaffen wird, das alle umfasst. Zu diesem
Ergebnis kommen aktuelle Berechnungen von Gesundheitsökonomen im
Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung. Ein weiterer knapper Prozentpunkt
Senkung lässt sich finanzieren, wenn die Beitragsbemessungsgrenze in
der gesetzlichen Krankenversicherung auf das Niveau der gesetzlichen
Rentenversicherung steigt - also von derzeit 3562 auf 5250 Euro.



Ein
integriertes Krankenversicherungssystem kann sowohl über
einkommensabhängige Beiträge als auch über Pauschalbeiträge finanziert
werden Damit bei einer Umstellung auf Pauschalbeiträge auch die meisten
Versicherten mit geringerem Einkommen entlastet werden können, sind
aber steuerfinanzierte Beitragszuschüsse von insgesamt 39 Milliarden
Euro im Jahr notwendig. Knapp die Hälfte dieser Summe könnte durch die
Besteuerung der ausgezahlten bisherigen Beitragsanteile von
Arbeitgebern und Rentenversicherungsträgern aufgebracht werden.



Das
Internationale Institut für Empirische Sozialökonomie (INIFES), das
Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) und die Prognos AG
haben im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung untersucht, welche
Auswirkungen entstehen, wenn die verschiedenen Modelle realisiert
würden. Dabei zeigt sich: Auch Elemente der bislang als konkurrierend
angesehenen Modelle "Bürgerversicherung" und "Kopfpauschale" lassen
sich prinzipiell zusammenbringen, um eine stabilere Finanzierungsbasis
und mehr Wettbewerb für das Krankenversicherungssystem zu erreichen.
"Die Effekte werden transparenter, wenn man solche einzelnen Elemente
untersucht statt vorgegebene Modellstrukturen", so Prof. Dr. Anita
Pfaff, Leiterin von INIFES.



Ein wesentliches Element eines
integrierten Krankenversicherungssystems ist der übergreifende
Krankenversicherungsmarkt. Unabhängig von Berufsgruppe oder
Einkommenshöhe haben alle Versicherten ebenso Zugang zu den Anbietern
der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wie der privaten
Krankenversicherung (PKV). Auch ein Wechsel zwischen GKV und PKV ist
möglich.



Nach IGES-Berechnungen wirkt die Entlastung im
integrierten System insgesamt progressiv: Haushalte mit niedrigem und
mittlerem Nettoeinkommen (bis 25 000 Euro im Jahr) werden im Vergleich
zum aktuellen System entlastet, Haushalte mit höherem Einkommen müssen
mehr zahlen als bisher. Differenziert man nach Berufsgruppen, werden
heute GKV-Versicherte Arbeiter und Angestellte mit einem
Jahreseinkommen zwischen 10 000 und 50 000 Euro sowie Rentner
entlastet. Beamte werden dagegen generell stärker belastet.



Ein
integriertes Krankenversicherungssystem mit Pauschalbeiträgen entlastet
Haushalte mit niedrigem und mittlerem Jahresnetto bis zu 30 000 Euro
stärker als ein System mit einkommensabhängigen Beiträgen. Das ist das
Resultat einer Modellrechnung, bei der jeder Erwachsene eine monatliche
Pauschale von 189 Euro zahlt. Parallel dazu müssen allerdings
steuerfinanzierte Beitragssubventionen in Höhe von 39 Milliarden Euro
pro Jahr fließen.



Wesentlich
für die konkrete Verteilungswirkung von Pauschalbeiträgen ist, über
welche Steuern diese Zuschüsse konkret finanziert werden. Haushalte mit
einem Einkommen ab 50 000 Euro werden in einem Pauschalbeitragssystem
grundsätzlich stärker belastet als bei einkommensabhängiger
Finanzierung. Durchgängig belastet werden auch Familien mit Kindern.



Ein
integriertes System in der Krankenversicherung kann grundsätzlich für
die gesamte Bevölkerung zu einem Stichtag eingeführt werden. Altkunden
der PKV können in ein reformiertes System übernommen werden, ohne
Einbußen bei ihren Ansprüchen auf versicherte Zusatzleistungen ihrer
Vollversicherung gegenüber den GKV-Leistungen zu erleiden. Die Forscher
skizzieren dafür mehrere Varianten. Anders als bisher häufig
angenommen, entfiele damit eine jahrzehntelange Übergangsfrist für die
vollständige Umsetzung einer Reform.



WANC 14.02.06

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