Frauen, die keine Lust auf Sex haben, können neuerdings behandelt werden. Dazu gibt es die Pille Addyi mit dem Wirkstoff Flibanserin, die die Lustlosigkeit in körperliches Verlangen umpolen soll. Doch schon vor Zulassung des Arzneimittels war nicht nur dessen Wirkung, sondern genauso die Notwendigkeit der Behandlung umstritten. Jetzt liegt eine Untersuchung vor, die eine geringe Wirkung und unterschätzte Nebenwirkungen ergibt.

Viagra mit dem Wirkstoff Sildenafil hat mit Addyi und dem Wirkstoff Flibanserin nicht viel gemeinsam. Eines ist, das beide eigentlich für die Behandlung einer anderen Krankheit entwickelt wurden. Sildenafil zur Behandlung von Bluthochdruck und Angina Pectoris und Flibanserin zur Behandlung von Depressionen. Schon deshalb ist es eigentlich unrichtig, Addyi als Viagra für die Frau zu bezeichnen. Im übrigen soll Viagra Erektionsstörungen (medizinisch: erektile Dysfunktion) beim Mann behandeln. Filbanserin verbessert dagegen nicht die erektile Funktion sondern steigert die Libido. 

Umstritten ist, ob das Krankheitsbild Hypoactive Sexual Desire Disorder (HSDD - verminderter sexueller Antrieb, Mangel an sexuellem Verlangen) überhaupt ein Krankheitsbild ist. Kritiker mahnen, dass Sexualstörungen der Frau eigentlich eine erfundene Krankheit darstellt, in der das Ausbleiben von Sex gleich zur Krankheit hoch stilisiert wird. Aber darüber lässt sich trefflich diskutieren, genauso wie über die Aussage, dass Addyi zu Gleichberechtigung von Frau und Mann beitrage. 

In der neuen Studie wurden 5914 Frauen untersucht. Ein Teil der Frauen erhielt das Medikament (100-mg Flibanserin), der andere Teil eine Pille ohne Wirkstoff (Placebo). Der Unterschied zwischen der wirklich behandelten und der nur scheinbar behandelten Gruppe betrug 0,49 mehr sexuell befriedigende Vorkommnisse (SSE - satisfying sexual events). Das sexuelle Verlangen (bewertet in einem sogenannten eDiary-Score) verbesserte sich um 1,63 Punkte. Die Ärzte, die die Untersuchung durchgeführt haben, bewerten die Wirkung von Flibanserin als sehr gering. Und die Bewertung der Frauen rangierte zwischen geringer Verbesserung und keine Veränderung.

Demgegenüber stehen aber nicht unerhebliche Nebenwirkungen. So traten in der Flibanserin-Gruppe Schwindel und Schläfrigkeit im Vergleich zu der Placebo-Gruppe rund viermal so häufig auf. Bei Übelkeit und Ermattung lag das Vorkommen etwas doppelt so hoch. 

02.03.2016/ Quelle: JAMA