Glas Rotwein
Zu viel Alkohol schädigt unter anderem das vegetatives Nervensystem
> Alkoholiker: Geschädigte Nerven fördern Entzugserscheinungen

Chronische Alkoholiker schädigen
durch die Sucht nicht nur ihre Leber, sondern neben vielen weiteren
Organen auch das vegetative Nervensystem. Diese Schäden am
sogenannten Parasymphatikus, dem auch "Ruhenerv" genannten
Nervus vagus, sind eine der Ursachen für die als Delirium
bekannten Entzugserscheinungen bei Alkoholsüchtigen.


"Es gibt einen sehr deutlichen
Zusammenhang zwischen alkoholverursachten Nervenschäden im
parasymphatischen System und den heftigen körperlichen
Entzugserscheinungen, die bis zum plötzlichen Herztod führen
können", erklärt Prof. Karl-Jürgen Bär vom
Universitätsklinikum Jena. "Wir haben in verschiedenen
Studien Belege dafür gefunden, dass bei akutem Alkoholentzug
besonders dann verstärkt mit klassischen Entzugssymptomen -
lebensbedrohlich erhöhtem Blutdruck und Herzschlag, Zittern und
Schwitzen - zu rechnen ist, wenn eine chronische Schädigung des
parasymphatischen Teils des Nervensystems vorliegt."



Diese Ergebnisse sollen nun dazu
genutzt werden, künftig besser das Risiko für das Auftreten
eines Deliriums im Entzug vorhersagen zu können. Denn obwohl die
Zusammenhänge lange vermutet wurden, gab es bisher keine
Untersuchungen der Herzparameter in Verbindung mit akuten
Entzugszuständen. "Dank unserer Studien kennen wir jetzt
die sucht- und entzugsbedingten Risikofaktoren für das Herz
besser und können diese auch schon bei Voruntersuchungen
überprüfen", so Bär, der dafür den
Wilhelm-Feuerlein-Preis 2007 der Deutschen Suchtstiftung erhalten
hat. "Auf diese Weise könnte künftig bei unseren
Patienten der Entzug besser gesteuert und vorbeugend eingegriffen
werden, um ein Delirium und die verbundenen bedrohlichen
Herzstörungen zu vermeiden."



Immerhin enden bis zu 25 Prozent
der unbehandelten Deliriumszustände tödlich. Eine der
Ursachen dafür ist der durch jahrelangen Alkoholmissbrauch
geschädigte Parasymphatikus, der dadurch seine Funktion, die
Verlangsamung der Herzfrequenz und Steuerung der Erregungsleitung am
Herzen, nicht mehr erfüllen kann. Die Folge sind
Herz-Rhythmus-Störungen, die vom Körper selbst nicht mehr
reguliert werden, weil das für die unbewussten Vitalfunktionen
verantwortliche Nervensystem durch das Gift im Alkohol zerstört
wurde. "Leider scheint sich diese Funktion auch dann nicht
oder nur wenig wiederherzustellen, wenn die Betroffenen die Sucht
erfolgreich bekämpft haben", so Bär.



In den Untersuchungen zeigten sich auch
bei seit fünf Jahren abstinent lebenden Alkoholikern noch starke
Veränderungen. Das deute darauf hin, dass die Schäden am
vegetativen Nervensystem nicht wieder gut zu machen sind, vermutet
Bär, so dass auch trockene Alkoholiker mit einem weiterhin
erhöhten Risiko für Herzprobleme leben müssen.



Allerdings trägt die derzeit zur
Linderung der Delirium-Symptome eingesetzte Standardsubstanz eher
dazu bei, den bereits geschwächten Nerv noch weiter zu hemmen.
Bär: "Einer der nächsten Schritte wird es daher sicher
sein, die Auswirkungen bestimmter Mittel auf den geschädigten
Parasymphatikus genauer zu untersuchen, um so die medikamentöse
Therapie weiter zu verbessern."



WANC 06.12.2007

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