Ob jemand nach dem Entzug trocken bleibt oder nicht, hängt von den vom Alkohol verursachten Veränderungen im Gehirn ab
> Rückfall Alkoholabhängiger: Veränderungen im Gehirn entscheiden

Die Rückfallquote in den Alkoholkonsum ist bei Alkoholabhängigen, die einen Entzug hinter sich haben, immer noch erschreckend hoch. Warum die einen trocken bleiben, die anderen aber erneut trinken, hängt unter anderem mit anatomischen und funktionellen Veränderungen im Gehirn zusammen. Je intensiver diese im Vergleich zu Nicht-Trinkern sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass trockene Alkoholabhängige rückfällig werden.

Der Mißbrauch von Genußmitteln, also Sucht, aktiviert bestimmte Teile des Gehirns, die keine Verbindungen zur Großhirnrinde aufbauen und daher unbewußt bleiben. In diesen Bereichen ist der Stoffwechsel heftiger als in benachbarten, nicht-aktivierten Arealen. Der Alkohol führt zur Ausschüttung angenehm wirkender Botenstoffe wie dem Dopamin und körpereigenen morphinähnlichen Substanzen, den sog. Endorphinen.

Durch wiederholte Aktivierung der empfindlichen Areale bei Alkoholkonsum bildet sich eine Art Suchtgedächtnis aus, eine Erinnerung daran, daß Trinken mit angenehmen Gefühlen verbunden war, selbst wenn der altuelle Konsum keine Freude mehr bereitet. Dieses Suchtgedächtnis wird mit der Zeit nicht erst beim direkten Kontakt mit Alkohol aktiviert, sondern bereits bei visuellen Reizen, die mit dem Alkoholumfeld zu tun haben, etwa beim Anblick von Alkoholreklame, Biergläsern, Flaschen oder Bierfässern.

Mit speziellen Verfahren der Bildgebung, der sogenannten funktionellen Magnetresonanz - Tomographie, lassen sich die aktivierten Areale im Bild darstellen: Das hat die Arbeitsgruppe um Professor Dr. Andreas Heinz von der "Klinik für Psychiatrie" der Charité genutzt und "trockene" Alkoholabhängige mit nicht-süchtigen Personen verglichen und konnte zeigen, daß die visuellen, alkoholbezogenen Reize (Flaschen etc.) bei trockenen Alkoholabhängigen, aber nicht bei Gesunden bestimmte Gehirnbereiche im Stirnhirn und im sog. Corpus Striatum aktivierten.

Die Aktivierung war vom Ausmaß der Veränderung im Dopamin-System abhängig und bei jenen Abhängigen besonders stark, bei denen es zu Rückfällen kam. Dabei war die Menge des im Rückfall konsumierten Alkohols direkt davon abhängig, wie hoch die Aktivität in den Gehirnarealen angestiegen war. Dagegen spielte die Länge der Alkoholsucht, bzw. die Zeit der Abstinenz, keine Rolle.

Auch wenn die Zahl der Untersuchten in dieser Studie eher klein ist, geben die Ergebnisse doch einen Hinweis darauf, dass es durch Messung der Gehirnaktivität in den Bereichen des Suchtgedächtnisses möglich ist, stärker gefährdete, trockene Süchtige von den weniger gefährdeten zu unterscheiden und den gefährdeten spezielle Therapien anzubieten, die es ihnen erleichtern, ihr Verlangen nach Alkohol zu kontrollieren.

Die Wahrscheinlichkeit von Rückfällen einzuschätzen, könnte auch medizinische Entscheidungen beeinflussen. Stellen sich Mediziner die Frage: Soll man etwa Patienten, die wegen alkoholbedingter Leberzerstörung ein Organtransplantat bräuchten, tatsächlich operieren, oder davon Abstand nehmen, weil das Risiko, dass auch die neue Leber durch Alkohol alsbald ruiniert würde, zu groß erschiene?

WANC 07.09.04/idw
 
 
 
 
 
 
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