Werte regelmäßig beim Arzt kontrollieren lassen
> Homocystein beim Arzt messen lassen

Vor einer Selbstbehandlung sollte man sich erst durch einen Test Gewissheit verschaffen.

Blutdruck, Blutzucker, Blutfette und Cholesterin: Wer Herzkreislauferkrankungen vorbeugen will, lässt diese Werte regelmäßig beim Arzt kontrollieren. Schließlich zählen sie zu den wichtigsten bekannten Risikofaktoren für Schlaganfall und Herzinfarkt, denen im Jahr 2002 etwa die Hälfte aller Todesfälle in Deutschland, genau 393.778, zuzuschreiben waren.


Für mindestens ebenso wichtig halten Experten wie der Bonner Ernährungsforscher Klaus Pietrzik allerdings das in der Bevölkerung noch weitgehend unbekannte Homocystein. 15 bis 20 Prozent aller Gefäßkrankheiten sind seiner Meinung nach auf einen zu hohen Homocysteinspiegel im Blut zurückzuführen, wie er kürzlich beim Deutschen Ärztekongress in Berlin berichtete. Er fordert deshalb: Ab dem 50. Lebensjahr sollte jeder auch seinen Homocysteinwert kennen, um Problemen rechtzeitig vorbeugen zu können.

Eigentlich ist Homocystein ein körpereigener Stoff. Er entsteht als Zwischenprodukt im menschlichen Stoffwechsel, ist aber für die Körperzellen extrem giftig und muss deshalb rasch wieder abgebaut oder in weniger gefährliche Substanzen umgewandelt werden. Zuständig für die schnelle und reibungslose Entfernung des Homocysteins sind drei Vitamine: Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6.

Insbesondere mit der Folsäureversorgung hapere es allerdings in Deutschland, warnt Pietrzik. 400 Mikrogramm Folsäure sollte ein Erwachsener täglich zu sich nehmen, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Tatsächlich brächten es Männer hierzulande im Durchschnitt gerade einmal auf etwa 220 Mikrogramm, Frauen erreichen sogar nur 190 Mikrogramm. Der Grund: Etwa 700 Gramm Obst und Gemüse müsste man pro Tag essen, um sich ausreichend mit Folsäure zu versorgen. Trotz vielfacher Bemühungen und Kampagnen schafften die Deutschen bislang aber lediglich 230 bis 260 Gramm, so Pietrzik.

Ein dauerhafter Mangel an Folsäure sowie den beiden anderen Vitaminen bleibt aber nicht folgenlos. Das Homocystein wird nicht mehr vollständig eliminiert, sein Gehalt im Blut steigt an, die Wände der Blutgefäße werden angegriffen, das Blut gerinnt leichter, es können sich Ablagerungen bilden, die den Blutfluss behindern. Man spricht dann von Arterienverkalkung oder Arteriosklerose. Passiert so etwas an den Gefäßen, die Herz oder Hirn versorgen, steigt das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall.

Schätzungen gehen davon aus, dass bei zirka fünf bis zehn Prozent der deutschen Bevölkerung der Homocysteinspiegel zu hoch ist, er den Grenzwert von 10 Mikromol pro Liter überschreitet. Um herauszufinden, ob man selbst zu dieser Risikogruppe gehört, sollte jeder ab 50 beim Arzt eine Homocysteinbestimmung vornehmen lassen, denn etwa ab diesem Alter steigt das Homocystein an. Benötigt wird nur eine kleine Blutprobe. Je nachdem, wie das Ergebnis ausfällt, wird der Arzt entweder Entwarnung geben oder Tabletten empfehlen, die eine Kombination der Vitamine Folsäure, B12 und B6 enthalten. Menschen, bei denen schon Gefäßprobleme bekannt sind, wird der Arzt wahrscheinlich zu einer Intensivtherapie mit Vitaminspritzen raten, weil so das Homocystein möglichst zügig wieder auf unbedenkliche Mengen verringert werden kann.

Mit dieser Vitaminkombinationstherapie könne das Homocystein-Risiko wirkungsvoll gesenkt werden. Nie sei es einfacher gewesen, einen Risikofaktor für Herzkreislaufprobleme erfolgreich auszuschalten, als im Fall des Homocysteins, sagen auch die Experten der deutsch-österreichisch-schweizerischen Homocystein-Liga, zu deren Gründungsmitgliedern Professor Pietrzik zählt. Er verweist in diesem Zusammenhang auf aktuelle Erkenntnisse aus den USA. Dort wird das Mehl bereits seit 1998 mit Folsäure angereichert. Die angesehene American Heart Association (AHA), ein Verband von Herzkreislauf-Spezialisten, präsentierte bei einer Fachtagung im März 2004 in San Francisco nun die vorläufigen Ergebnisse dieser Maßnahme. Rund 50.000 Todesfälle weniger durch Herzinfarkte oder Schlaganfälle seien dort schon im ersten Jahr nach dem Folsäure-Zusatz beobachtet worden. Umgerechnet auf Deutschland entspräche das etwa 15.000 Toten weniger, errechnete Pietrzik. Da einer zwangsweisen Folsäureversorgung in Deutschland aber das Grundgesetz entgegen stehe, müsse hierzulande eben jeder selbst Verantwortung für seine Gesundheit
übernehmen.


WANC/dgk

 
 
 
 
 
 
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