Nanosilicium
Silicium im Nanobereich sichtbar gemacht: Welche Wirkung, welche Nebenwirkung? (Foto: Neosino)
> Risiken von Nanopartikeln

Nanopartikel erobern
die Medizin. Doch ob sie den versprochenen Nutzen halten und sogar unerwünschte
Nebenwirkungen haben, ist umstritten. Jetzt soll ein neues Labor entstehen, das
Produkte unabhängigen Tests unterzieht.


Wissenschaftler entwickeln Partikel, die kleiner als 100 Nanometer sind,
hauptsächlich um Oberflächen für den Lotus-Effekt zu veredeln, auf der Wasser
einfach abperlt oder für Katalysatoren sowie Brennstoffzellen. Durch ihre
Winzigkeit erhalten Nanopartikel teilweise völlig neue physikalische und
chemische Eigenschaften. So werden beispielsweise Nanoröhrchen aus Kohlenstoff
reißfester als Stahl oder können wesentlich mehr Licht absorbieren als größere
Teilchen. Damit ist die Nanotechnologie für viele Gebiete äußerst interessant.
Forschung und Industrie erwarten sich verbesserte oder neue Lösungen in der
Informationstechnologie, Medizin, Umwelttechnik oder der Kosmetik.



“Nanotechnologie ist durchaus positiv und umgibt uns schon seit längerem",
betont Wolfgang Pompe, Projektkoordinator vom Max-Bergmann-Zentrum für
Biomaterialien. Die winzigen Partikel sorgten beispielsweise in der Zahnpasta
für das Polieren, so der Nano-Experte.



Mit dem Ziel mögliche Schadwirkungen von Nanopartikeln
aufzudecken, ist jetzt ein neues Forschungsprojekt gestartet worden. Auf drei
Jahre angelegt und vom Bundesforschungsministerium mit über 1 Mio. Euro
gefördert, soll eine Datenbank entstehen, in der sich jeder über eventuelle
Risiken von Nanoteilchen informieren kann. Denn Nanotechnologien gelten zwar
als der Wachstumsmarkt der Zukunft, aber noch weiß man wenig darüber, wie
Nanopartikel mit menschlichen Zellen oder der Umwelt interagieren. Bei dem
neuen Forschungsprojekt gehe es laut Pompe nicht um die Verdammung der
Technologie, sondern vielmehr darum, Wissen zu sammeln, um bei
Industrieprojekten auf der sicheren Seite zu sein.



Dazu werden die Wissenschaftler verschiedene Zellkulturen untersuchen um
herauszufinden, inwiefern Nanopartikel unerwünschte Wirkungen zeigen. Dabei
interessiert die Forscher besonders, ob die Funktion und Lebensfähigkeit von
Nerven-, Lungen-, Darm- oder Hautzellen beeinflusst wird und eine Schädigung
des Erbguts oder eine Veränderung der Körperabwehr möglich ist. Die Forscher
wollen eine Methode entwickeln, die es erlaubt, auf Tierversuche zu verzichten
und trotzdem verlässliche Ergebnisse zu bekommen. „Im Anschluss an das Projekt
soll ein virtuelles, zertifiziertes Labor entstehen, in dem kleine und
mittelständische Unternehmen die Chance haben, ihre Nano-Pulver zu
testen", erklärt Pompe.



Das scheint bitter nötig. Denn der Börsenstar des Jahres,
die Neosino nanotechnologies AG, die Produkte mit Nanomineralien zur
Nahrungsergänzung und Hautpflege anpreist, ist ins Gerede gekommen. Neosino
„für natürliche Schönheit, Gesundheit und Fitness“ wird von Spielern des FC
Bayern München beworben und mit einer eigenen Produktlinie verkauft.



Doch ob das „Make-up für Innen“ hält was es verspricht, ist umstritten.
Das ARD-Politmagazin Panorama hat Gutachten des Centrum für angewandte
Nanotechnologie der Universität Hamburg vorgelegt (Sendung vom 30.03.). Das
Urteil der Forscher ist eindeutig: Die in Apotheken erhältlichen
Neosino-Produkte bestehen nicht aus den auf der Packung angegebenen einzelnen
Nanopartikeln, die auf eine Größe von 3 bis 10 Nanometer zerkleinert wurden. Zu
diesen Produkten sagt Professor Horst Weller: „Ich habe in keinem der Gutachten
tatsächlich 3-10 Nanometer große Einzelteilchen gesehen." Stattdessen
finde man auf den Aufnahmen entweder Verklumpungen dieser Teilchen, die
insgesamt viel größer seien, oder lediglich oberflächliche Ausbuchtungen auf großen Körnern,
die diese Größen aufweisen. „Das findet man aber auf jedem Sandkorn", so
Weller.



Rätselraten gibt es auch um den Sitz der Herstellerfirma. Auf
den Packungen der Neosino AG wird als Hersteller die Firma Sanalife LTD auf
Malta genannt. Eine solche Firma ist zwar auch im örtlichen Handelsregister
eingetragen, war bei einem Besuch der Panorama-Redakteure nicht auffindbar. In
dem Gebäude residiert lediglich eine Elektrofirma. Gegenüber Panorama gab
Neosino dazu keine Stellungnahme ab.



Gegen die Darstellungen von Panorama in einer früheren
Sendung (09.03.) hat Neosino eine einstweilige Verfügung erwirkt. In einer
Pressekonferenz präsentierte das Unternehmen zwei Gutachten der Universität
Gießen (Prof. Dr. Dr. Klaus Rödelsperger, Institut und Poliklinik für Arbeits-
und Sozialmedizin im Klinikum der Justus-Liebig Universität Gießen) sowie von
zwei öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen des Zentrum für
Werkstoffanalytik, Lauf, (Dr. rer. nat. Jürgen Göske und Dipl.-Ing. Univ.
Werner Kachler), die mineralische Nanopartikel in den Produkten von neosino
belegen. Eine weitere vorgestellte Analyse von Bayer Industry Services
bestätigt, dass auch der von Neosino für ihre unterschiedlichen Produkte
eingesetzte Grundstoff Mineralien in Nanogröße (1 Nanometer entspricht einem
millionstel Millimeter) enthält.



Ärger für Neosino kommt jetzt von ganz anderer Seite. Wie
das ZDF meldet, dürften die Produkte gar nicht verkauft werden. Nach Angaben
des Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit fehle die
Genehmigung. Eine Prüfung habe ergeben, dass das Mittel überhaupt nicht
verkehrsfähig sei, sagte der Sprecher des Amtes, Jochen Heimberg. „Das vom
Hersteller eingesetzte Silizium steht nicht auf dieser Liste und eine
Verwendung ist damit unzulässig", sagte er beim ZDF



WANC 31.03.06

 
 
 
 
 
 
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