949 neue Betrugsfälle: Apotheker vor Krankengymnasten und Ärzten
> Betrug im Gesundheitswesen

Durch Betrug im Gesundheitswesen ist
der KKH-Allianz im vergangenen Jahr ein Schaden von rund 2,1 Millionen
Euro entstanden. Die Schadenssumme ist der höchste Jahresschaden, den
das Ermittlerteam der KKH-Allianz seit seiner Gründung vor zehn Jahren
festgestellt hat. Betrug und Korruption im Gesundheitswesen kosten
jährlich mehrere Milliarden Euro. Kassen fordern jetzt, dass der
Strafbestand Betrug im Gesundheitswesen geschaffen wird.
Angesichts der Entwicklung sieht Ingo Kailuweit, Vorstandschef der
KKH-Allianz, dringenden Handlungsbedarf: „Die Bilanz zeigt uns, dass
sowohl die Ermittlungsbehörden als auch der Gesetzgeber in vielen
Punkten gefordert sind. Nur dann können wir dem leider weit
verbreiteten Phänomen des Abrechnungsbetruges im Gesundheitswesen
angemessen begegnen.“
In mehr als jedem dritten Fall (348) ermittelte die KKH-Allianz 2010 im
Apothekenbereich. In 196 Fällen gingen die Ermittler gegen
Krankengymnasten und Physiotherapeuten vor. Im Bereich der Ärzte
verzeichnete die Kasse 55 Fälle. Es folgten Ermittlungen wegen
unzulässiger Zusammenarbeit (51 Fälle) und Fahrtkosten (43 Fälle). Die
größte Schadenssumme konnte die KKH-Allianz im Bereich der Ärzte mit
953.000 Euro bilanzieren. Auf Platz zwei folgen Apotheken mit 431.000
Euro und Leistungsmissbrauch durch Versicherte mit 189.000 Euro. Wie hoch der Betrug im gesamten Gesundheitswesen tatsächlich ist, lässt
sich nur schätzen. Transparency International Deutschland beziffert den
jährlichen Schaden für das Gesundheitswesen durch Korruption und
Betrug auf 8-24 Mrd. Euro. Allein der Abrechnungsbetrug durch Ärzte und
Apotheker belastet die Krankenkassen nach einer „konservativen
Schätzung“ jährlich mit mindestens eine Milliarde Euro, Um Betrug und Korruption im Gesundheitswesen einzudämmen, muss nach
Ansicht der KKH-Allianz der Gesetzgeber tätig werden. „Trotz der
zurzeit positiven Entwicklung in der Rechtsprechung zu der Frage, ob
sich ein niedergelassener Arzt wegen Korruption strafbar machen kann,
brauchen wir hierzu eine Klarstellung im Gesetz“, so Kailuweit. Noch
ist dieser Sachverhalt in der Praxis und in der einschlägigen Literatur
höchst umstritten. Auch Staatsanwalt André Schmidt von der Zentralstelle für
Korruptionsstraftaten bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig spricht
sich für eine rechtliche Klarstellung aus: 
„Dies wäre die
Voraussetzung, um strafrechtlich etwa gegen unlautere Einflussnahmen
auf das Verordnungsverhalten eines Vertragsarztes einschreiten zu
können.“ Weiterhin fordert die KKH-Allianz, dass ein spezieller Straftatbestand
„Betrug im Gesundheitswesen“ geschaffen wird, der die sozialrechtlichen
Besonderheiten berücksichtigt. Hintergrund: Zurzeit gibt es für Fälle
des Abrechnungsbetruges keinen Sondertatbestand, so dass der „normale“
Betrugsstraftatbestand des § 263 Strafgesetzbuch herangezogen wird.
Dieser bezieht sich fast ausnahmslos nur auf tatsächliche, objektiv
messbare Vermögensschäden. Das höchste deutsche Strafgericht – der Bundesgerichtshof in
Strafsachen – wendet diesen Paragraphen zwar auch bei den besonderen
sozialrechtlichen Sachverhalten an. Die Krankenkassen und alle anderen
Betroffenen brauchen aber mehr Rechtssicherheit durch einen eigenen
Straftatbestand. Dass dies möglich und umsetzbar ist, sieht man an den
Regelungen zum Subventionsbetrug und dem Versicherungsmissbrauch. „Das auf Vertrauen basierende Abrechnungssystem bedarf der effektiven
Kontrolle und einem intensiven Zusammenwirken von Kassenärztlichen
Vereinigungen, Krankenkassen und Staatsanwaltschaften um es für die
Mehrheit der korrekt abrechnenden Leistungserbringer zu erhalten“, sagt
Mark Barjenbruch, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen
Vereinigung Niedersachsen. „Das Gebot der Zusammenarbeit muss durch
brauchbare datenschutzrechtliche Befugnisse flankiert werden. Hier ist
der Gesetzgeber gefordert.“ 24.03.2011/ Quelle: KKH, Deutsches Ärzteblatt
 
 
 
 
 
 
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