Stürze vermeiden: Der Rat sitzen zu bleiben, erreicht genau das Gegenteil
> Stürze alter Menschen: Risikofaktoren vermeiden

30 Prozent der über 65-Jährigen stürzen mindestens ein Mal im Jahr, damit überdurchschnittlich häufig und meist mit schlimmen Folgen. Ganz vermeiden läßt sich das nicht, Risikofaktoren dagegen schon. Dazu haben Experten Strategien etnwickelt, die von vielen Pflegeeinrichtungen aber nicht beachtet werden.

"Alte Menschen stürzen überdurchschnittlich häufig mit schlimmen Folgen. Das Sturzereignis hat für die Betroffenen selbst, aber auch für ihre Angehörigen und das Pflegepersonal weitreichende Folgen. Angst, Sorge oder aber Schuldgefühle können sich bei den Beteiligten breit machen", erklärte Christine Sowinski, Psychologin und Fachbereichskoordinatorin für Soziales und Pflege im Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA).

Zudem verursachten die Stürze für das Gesundheitswesen deutliche Folgekosten, so Sowinski. Deshalb komme der Sturzprophylaxe in der Altenpflege eine besondere Bedeutung zu. Eine große Hilfe zur Strukturierung einer wirkungsvollen Sturzprophylaxe bietet der vom Deutschen Netzwerk für Qualitätssicherung in der Pflege (DNQP) entwickelte und nun veröffentlichte Expertenstandard "Sturzprophylaxe in der Pflege".

Trotz der positiven Folgen, die nach der fachgerechten Einführung des Standards in den Einrichtungen der Altenpflege zu erwarten seien, ließen sich Stürze aber nicht völlig vermeiden, ergänzte Heiko Fillibeck, Referent für Pflegepraxis im KDA. "Rund 30 Prozent der über 65-Jährigen stürzen während eines Jahres mindestens ein Mal, meist mit schlimmen Folgen. Nach einem traumatischen Sturzerlebnis mit größeren Verletzungen ist die Angst wieder zu fallen unter Umständen so groß, dass sie sogar zum Verlust der Selbstständigkeit führen kann", erklärte Fillibeck.

Stürze ereigneten sich immer nach demselben Prinzip: Auslösende Ereignisse wie Stolpern, Ausrutschen oder Schwindelanfälle führten zu einem Balanceverlust, der, wenn er nicht wieder ausgeglichen werden könne, zum Sturz führe. Die Wahrscheinlichkeit zu stürzen erhöhe sich vor allem durch so genannte Sturzrisikofaktoren wie beispielsweise unzureichend behandelte Sehbeeinträchtigungen, Kraft- und Balanceprobleme oder Medikamentennebenwirkungen.

Solche Faktoren begünstigten in der Regel ein sturzauslösendes Ereignis oder erschwerten es den betroffenen Personen, ihren Körper wieder in Balance zu bringen, führte Fillibeck weiter aus. "Deshalb stellt die Reduzierung oder Beseitigung der Risikofaktoren den entscheidenden Ansatzpunkt zur Verhinderung von Stürzen dar", so Fillibeck.

Viel zu häufig würden beispielsweise sturzgefährdete Personen aufgefordert 'lieber sitzen zu bleiben, um nicht hinzufallen'. "Doch der besorgte Rat erreicht genau das Gegenteil: Die betroffenen Personen verlieren immer mehr Kraft und Balancegefühl, ein Sturz wird immer wahrscheinlicher. Leicht durchführbare Übungen können dagegen helfen, eine sichere Bewegung der Betroffenen zu fördern", so der Pflegeexperte.

Christine Sowinski unterstrich, dass vor allem dem Management eine besondere Aufgabe bei der Einführung und Durchsetzung der Standards in den Einrichtungen zufalle. "Dennoch können die Pflegekräfte nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden, sich über den Standard zu informieren", so Sowinski.

"Viele Einrichtungen nehmen die Expertenstandards des DNQP nicht ernst genug. Häufig wird gar nichts gemacht, oder aber zu viel", beklagte Sowinski. "Beispielsweise werden Instrumente zur Identifizierung und Bewertung von sturzgefährdeten Klienten benutzt, wovon der Standard aber ausdrücklich abrät. Nur wer konsequent mit dem Standard arbeitet, der profitiert auch von diesen neuen Erkenntnissen und erspart sich unnötige Arbeit", weiß Sowinski und prognostiziert: "Wer die Standards nicht umsetzt, der wird in Zukunft große Probleme rechtlicher aber auch ethischer Art bekommen."

WANC 14.04.05
 
 
 
 
 
 
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