Einfaches Stimmungstief oder Depression? Es gibt Anzeichen, die auf eine Depression hinweisen (Foto: TK)
Depressionen treten nicht plötzlich auf, sondern entwickeln sich fast immer schleichend (Foto: TK)
> Depressionen: Ernst nehmen, behandeln lassen
Psychische Störungen wie Depressionen nehmen immer stärker zu. Seit Beginn der neunziger Jahre sind die Krankheitstage aufgrund psychischer Erkrankungen auf mehr als das Doppelte angestiegen. Etwa jeder fünfte Deutsche leidet in seinem Leben einmal an einer Depression. Betroffene können dann ihrem Leben kaum noch etwas Positives abgewinnen und lassen sich leicht verunsichern. Starke Selbstzweifel und Hoffnungslosigkeit können dabei bis hin zu Suizidgedanken führen. Wird die Erkrankung erkannt, ist sie in der Regel jedoch gut behandelbar.

„Menschen, die unter Depressionen leiden, verlieren oft auch ihren Lebensmut. Alles erscheint sinnlos und leer. Dieses Gefühl wirkt sich auf die Gesamtpersönlichkeit aus“, erklärt Diplom-Psychologin Kerstin Reviol, Leiterin der Arbeitspsychologie bei der TÜV SÜD Life Service GmbH. „Zieht sich ein eigentlich geselliger und aktiver Kollege, Freund oder Partner zurück, wirkt unsicher und traurig, können dies bereits Anzeichen für eine depressive Phase sein. Daneben gibt es einige körperliche Symptome wie Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Schwindel, Übelkeit und Kraftlosigkeit. Wer bei sich erste Anzeichen erkennt, sollte auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen.“

Depressionen werden nicht durch den einen Auslöser verursacht. Das Entstehen ist vom Zusammenwirken unterschiedlicher innerer und äußerer Faktoren abhängig. Dabei treten Depressionen nicht plötzlich auf, sondern entwickeln sich fast immer schleichend. Besonders feinfühlige und sensible Menschen haben ein höheres Risiko an Depressionen zu erkranken, da sie sich durch negative Lebensereignisse oder Stress stärker belastet fühlen und schneller überfordert sind. Aber auch einschneidende Lebensereignisse wie der Verlust des Partners oder des Arbeitsplatzes können die Ursache für eine Depression sein. Zudem geht man von einer erblichen Vorbelastung aus. Das heißt, dass die Wahrscheinlichkeit höher ist, daran zu erkranken, wenn bereits Depressionen in der Familie aufgetreten sind.

Heute sind Depressionen meist gut behandelbar. Dabei variieren die Methoden je nach Ausprägung der Erkrankung. Bei leichten Depressionen reicht meist eine ambulante Psychotherapie aus, während bei mittelschwerer Ausprägung zusätzlich Antidepressiva eingesetzt werden. Bei schweren Depressionen ist häufig eine stationäre Behandlung notwendig, die in der Regel aus Medikamenten und psychotherapeutischen Maßnahmen besteht. Wird die Behandlung nach geltenden Richtlinien durchgeführt und nicht frühzeitig abgebrochen, kann damit 60 bis 80 Prozent der Betroffenen geholfen werden.

Eine Depression selbst erkennen

Oft ist es schwierig, selbst festzustellen, dass man unter Depressionen leidet. Doch wer sich seit längerer Zeit zunehmend lustlos fühlt, sich nicht mehr für frühere Hobbys oder Freizeitbeschäftigungen aufraffen kann und schlecht schläft, sollte anfangen, sich darüber Gedanken zu machen. Typische Symptome sind außerdem Appetitlosigkeit, pessimistische Zukunftsgedanken, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle, Ängste und in schweren Fällen sogar Selbstmordgedanken. Halten die Beschwerden mindestens zwei Wochen lang an, sind sie behandlungsbedürftig. Ein Besuch beim Arzt ist dringend nötig.

Es gibt verschiedene Selbsttests – wie den Goldberg-Test – die einen Anhaltspunkt über den eigenen Zustand geben. Sie ersetzen jedoch nicht die Diagnose durch einen Arzt! Wer sich mit einem derartigen Test auseinandersetzt, vermutet bereits, an einer Depression zu leiden und sollte zum Arzt gehen. Im Zweifel diagnostiziert dieser nur eine leichte depressive Verstimmung, die nicht weiter schlimm ist. Doch liegt tatsächlich eine Depression vor, kann sie schnell behandelt werden.

Depressionen bei Angehörigen erkennen
Besonders aufmerksam sollte man werden, wenn sich jemand völlig verändert. Der ständig aktive und lebenslustige Kollege, Bruder oder Partner kann sich nicht mehr aufraffen, etwas zu unternehmen, ist für nichts mehr zu begeistern und scheint total kraftlos? Dann besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass er an einer Depression leidet. Auch regelmäßige Schlafstörungen und fehlendes Interesse am Umfeld – also an Freunden und Familie – deuten auf eine depressive Phase hin. Hoffnungslosigkeit und Äußerungen zu Suizidgedanken müssen auf jeden Fall ernst genommen werden.

Als Angehöriger sollte die Depression als Krankheit akzeptiert werden. Gutgemeinte Ratschläge wie „das wird schon wieder“ oder „reiß dich doch zusammen“ helfen dem Betroffenen nicht, sondern bagatellisieren sein Leiden. Wer wirklich helfen will, sollte einen Arzttermin vereinbaren, da viele Depressive ihren Zustand nicht als Erkrankung erkennen und deshalb auch nicht zum Arzt gehen.

Formen der Depression

Bei Depressionen werden verschiedene Formen unterschieden. Die unipolare Depression ist die häufigste depressive Erkrankung. Betroffene haben depressive Phasen, die durch frühes Aufwachen, Schlafstörungen und Niedergeschlagenheit gekennzeichnet sind. Bei der bipolaren affektiven Störung kommen zu den depressiven auch manische Phasen hinzu. Während der Manie hat der Erkrankte ein übersteigertes Selbstverständnis, konzentriert sich lediglich auf einige wenige positive Seiten seines Lebens und überschätzt häufig seine eigenen Fähigkeiten. In dieser Zeit verringert sich der Schlaf extrem und der Körper wird überanstrengt. Durch den Schlafmangel können zudem Halluzinationen entstehen. In der Depression leidet der Betroffene unter Lustlosigkeit und Apathie. Diese Phase wird oft als so schlimm empfunden, dass der Tod als der bessere Zustand gesehen wird. Dysthymie und Zyklothymie sind weniger stark ausgeprägte Formen der unipolaren beziehungsweise der bipolaren Depression. Sie beginnen aber bereits im Jugendalter und verlaufen chronisch.

Die Winterdepression ist im Gegensatz zu den vorangegangenen Formen eine saisonal abhängige Depression. Dabei treten die depressiven Symptome regelmäßig im Herbst oder Winter auf und vergehen im Frühjahr wieder. Bei einer Winterdepression steht vor allem die Energielosigkeit und weniger die depressive Verstimmung im Vordergrund. Außerdem kommt es zu einem größeren Schlafbedürfnis, verstärktem Appetit und damit zu einer Gewichtszunahme.

Depressionen im Berufsleben

Im Arbeitsalltag wird das Auftreten von Depressionen oft sehr deutlich – sofern darauf geachtet wird. Ziehen sich eigentlich aktive und integrierte Mitarbeiter zurück und wirken traurig und unsicher, kann dies bereits auf eine depressive Phase hinweisen. Zudem nehmen Betroffene Kritik an der Leistung oder dem Verhalten plötzlich persönlich und bekommen starke Selbstzweifel. Dabei tendieren sie in depressiven Phasen vor allem zu Flüchtigkeitsfehlern, Unkonzentriertheit und Vergesslichkeit, da sie unter Aufmerksamkeits- und Antriebsstörungen leiden. Die eigenen Arbeitsabläufe werden oft kontrolliert und unterbrochen, letztlich werden Aufträge nicht mehr vollständig erledigt, da die Kraft dafür fehlt. Außerdem neigen Personen, die unter Depressionen leiden, dazu, vermehrt Pausen zu machen und unpünktlich zu sein. Dieses Verhalten wird von Außenstehenden oft nicht als Depression oder beginnende Depression erkannt und stößt damit auf Unverständnis. Die Betroffenen selbst sehen ihren Zustand meist als persönliches Versagen und geraten in Panik, die Arbeit nicht mehr zu schaffen und möglicherweise den Arbeitsplatz zu verlieren. Damit entsteht ein Kreislauf aus Schuld, Versagen und Hoffnungslosigkeit, der nur durchbrochen werden kann, wenn die Depression erkannt und behandelt wird.

Ursachen und Auslöser von Depressionen

Es wird angenommen, dass bei einer Depression eine Störung des Hirnstoffwechsels vorliegt und die Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin aus der Balance geraten. Dadurch wird der Informationsaustausch zwischen den Nervenzellen gestört und die Fähigkeit, positive Gefühle zu empfinden, sinkt. Die Ursache für das Auftreten einer Depression sind unterschiedliche innere und äußere Faktoren, die zusammenwirken. Sensible und feinfühlige Menschen sind dabei eher gefährdet, an einer Depression zu erkranken, da sie durch Stress, Ablehnung oder negative Ereignisse schneller überfordert werden und sich stärker belastet fühlen. Daneben geht man außerdem von einer genetischen Disposition aus. Ist in einer Familie bereits jemand an Depressionen erkrankt, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass weitere Familienmitglieder unter Depressionen leiden werden. Es handelt sich aber nicht um eine reine Erbkrankheit. Auch eine schwere psychische Belastung oder ein einschneidendes Lebensereignis können zum Ausbruch einer depressiven Phase führen. Daneben zählen schwere körperliche Erkrankungen oder die Einnahme bestimmter Medikamente ebenso zu den Auslösern einer Depression.

Diagnose von Depressionen

Die Symptome einer Depression sind vielfältig. Neben einer gedrückten Stimmung und fehlendem Interesse an normalen Aktivitäten treten auch Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Energielosigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten auf. Zudem leiden Betroffene oft unter quälender Unruhe oder einer Neigung zum Rückzug, unter Unentschlossenheit, übertriebenen Schuldgefühlen und Gedanken über den Tod. Aber auch körperliche Symptome treten bei einer Depression auf. Dazu gehören meist Schwindel, Herzrasen oder -stechen, Kraftlosigkeit, Rückenschmerzen, Schweißausbrüche und Übelkeit.

Aufgrund dieser zahlreichen Symptome sind bei der Diagnose zunächst andere Ursachen auszuschließen. Daher werden neben einem ausführlichen Gespräch mit dem Arzt in der Regel auch eine Blut-Untersuchung und eine Computer-Tomografie durchgeführt. Denn ein niedriger Blutzuckerspiegel, Vitamin B12-Mangel, Demenz oder eine Schilddrüsenunterfunktion können diese Symptome ebenfalls auslösen. Wer den Verdacht hat, depressiv zu sein, sollte so bald wie möglich einen Arzt aufsuchen. Es gibt zwar Tests wie den Goldberg-Test, die einen Anhaltspunkt geben, ob eine Depression vorliegen könnte, sie ersetzen aber auf keinen Fall die Diagnose durch den Arzt.

Therapie von Depressionen

In den meisten Fällen sind Depressionen heute gut behandelbar, wobei je nach Schwere der Erkrankung auf psychotherapeutische Verfahren oder eine Kombination mit Medikamenten gesetzt wird. Bei einer leichten Depression reicht in der Regel eine ambulante Gesprächstherapie. Dabei werden normalerweise die kognitive Verhaltenstherapie und die interpersonelle Therapie, die speziell für Depressionen entwickelt wurde, genutzt. Der Einsatz von Antidepressiva wird individuell entschieden. In manchen Fällen wird bei der Therapie leichter Depressionen auch auf Johanniskrautpräparate zurückgegriffen. Mittelschwere Depressionen werden mit einer Kombination aus Medikation mit Antidepressiva und Psychotherapie behandelt. Hier ist eine enge Zusammenarbeit mit anderen Ärzten, zum Beispiel dem Hausarzt, wichtig. Bei schweren Depressionen werden auf jeden Fall antidepressiv wirkende Medikamente eingesetzt, die mit psychotherapeutischen Maßnahmen kombiniert werden. Dabei handelt es sich oft um eine stationäre Behandlung. Mit festen Terminen zu Ergo- und Bewegungstherapien und Gruppengesprächen bekommen die Betroffenen eine klare Tagesstruktur vermittelt und es wird ihnen geholfen, den grauen Alltag zu durchbrechen.

Daneben gibt es für Betroffene und Angehörige meist eine so genannte Psychoedukation. Diese Interventionen dienen dazu, über die Erkrankung zu informieren und den selbstverantwortlichen Umgang mit der Depression zu fördern.

wanc 19.12.2011/ Quelle: TÜV Süd
 
 
 
 
 
 
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