> Medikamente gegen Depressionen: Besser als ihr Ruf?

Antidepressiva, also Medikamente, die auf die Psyche wirken, haben mit enormen Vorurteilen zu kämpfen. Vor allem die Furcht vor Nebenwirkungen und Abhängigkeiten sowie kritische Berichterstattungen über den tatsächlichen Nutzen dieser Arzneimittel tragen dazu bei. Jetzt bricht eine wissenschaftliche Untersuchung eine Lanze für Antidepressiva: Sie würden wirken und seien durchaus verträglich.

Die Meinung über Psychopharmaka ist generell eher schlecht. So titelt die Frankfurter Allgemeine (9.8.2017) zu Antidepressiva: „Teuer und null Wirkung“. In der ARD-Doku („Gefährliche Glückspillen“, 18.2.2013) wird vor den Risiken und erheblichen Nebenwirkungen dieser Medikamentengruppe gewarnt. Doch fast immer bleibt zumindest eine Frage offen, die die Zeitschrift die Welt so formuliert: „Was nützen denn Antidepressiva nun wirklich – oder vielleicht tatsächlich gar nichts?“

Eine Antwort könnte jetzt eine Untersuchung der Universität Oxford in Zusammenarbeit mit Universitäten in Kyoto, Bern, Paris, München, Portland, Bristol und Stanford liefern. Die Wissenschaftler haben Daten zu 116.477 Patienten/innen, die meisten davon mit einer mittelschweren bis schweren Depression, ausgewertet. Bewertet wurden 21 unterschiedliche Medikamente - darunter Amitriptylin, Agomelatin, Escitalopram, Mirtazapin, Paroxetin, Venlafaxin, Vortioxetin, Fluoxetin, Fluvoxamin, Reboxetin, Trazodon, Citalopram, Escitalopram, Sertralin, Clomipramin, Duloxetin und Venlafaxin - meist im Vergleich mit der Einnahme eines Placebo, also eines Medikamentes ohne Wirkstoff.

Dabei stellte sich heraus, dass Antidepressiva wirken. Im Vergleich zu Placebo um zwischen 15% und 57% besser. Die Studie bewertet Agomelatin, Amitriptylin, Escitalopram, Mirtazapin, Paroxetin, Venlafaxin und Vortioxetin als die effektivsten und Fluoxetin, Fluvoxamin, Reboxetin und Trazodon als die am wenigsten effektiven Medikamente.

Bewertet wurde auch die Akzeptanz bei den Patienten. Dabei wurden Agomelatin, Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Sertralin und Vortioxetin von den Patienten/innen am besten toleriert. Die Medikamente, bei denen die meisten Patienten/innen wegen Nebenwirkungen die Therapie ab- oder unterbrachen (drop-out rate) waren Amitriptylin, Clomipramin, Duloxetin, Fluvoxamin, Reboxetin, Trazodon und Venlafaxin.

Die Wissenschaftler, die ein Medikament dann als effektiv bewerteten, wenn einer Skala für die Schwere der Depression mindestens eine Verbesserung um 50% erreicht wurde, meinen, dass Antidepressiva also wirken und in der Regel gut verträglich sind. Allerdings machen sie auch darauf aufmerksam, dass etwa ein Drittel der Patienten/innen mit Depressionen auf derartige Medikamente überhaupt nicht reagieren würden.

An der Studie gibt es durchaus Kritik. Das Deutsche Ärzteblatt moniert z.B., dass die Untersuchung keine Auskunft darüber gebe, welches der Mittel langfristig besser wirke. Ein weiterer Kritikpunkt: 78% der Studien, aus denen die Daten entnommen wurden, wurden von Pharmaunternehmen finanziert. Das könne zu Verzerrungen der Ergebnisse führen.

26.2.2018 cs/ Quelle: The Lancet

 
 
 
 
 
 
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