Partypillen: Böses Erwachen
> Ecstacy: Unterschätzte medizinische Risiken


Jeder zehnte junge Erwachsene hat in Deutschland bereits einmal Ecstasy oder verwandte Drogen eingenommen. Jeder zehnte von ihnen ist abhängig und nimmt die Droge mehrmals die Woche bis täglich, oft über mehrere Jahre hinweg. Für beide Gruppen - Gelegenheitskonsumenten und Abhängige - ist die Droge eine Gefahr, stellt Dr. Matthias Liechti vom Universitätsspital Zürich fest.


Ecstasy vermittelt "ein Gefühl der Nähe zu anderen Menschen, Entspannung, Glücksgefühle und kommunikative Offenheit", weshalb die Droge heute als "Entaktogen" eingestuft werde, so Liechti. Dem stehen eine Reihe von "Nebenwirkungen" gegenüber: Am häufigsten kommt es zu Konzentrationsstörungen, Kieferverspannung, Appetitmangel und Gleichgewichtsstörungen. Sie treten im Laborversuch bei mehr als der Hälfte aller Probanden nach der Einnahme einer einzigen Tablette auf. Seltener, aber gefährlicher sind ein starker Anstieg von Blutdruck (Hypertonie) oder Körpertemperatur (Hyperthermie), sowie ein Salzmangel (Hyponatriämie).


Bereits eine einzige Tablette kann in Verbindung mit Tanzen den systolischen Blutdruck (oberer Wert) auf über 180 mm Hg ansteigen lassen. Aus medizinischer Sicht ist dies ein hypertensiver Notfall. Es drohen Krampfanfälle, Hirnblutungen, Herzinfarkt und Herzrhythmusstörungen, wenn der Blutdruck nicht rasch mit Medikamenten gesenkt wird. Noch gefährlicher ist ein Anstieg der Körpertemperatur. Ab 39°C liegt ein Notfall vor, der für 40% der Raver tödlich endet. Wenn die Körpertemperatur gar auf 42°C steigt, hilft auch ein Eisbad (unter strenger medizinischer Kontrolle) in der Klinik nicht mehr. Das Raver-Fieber schädigt die Muskelzellen (Rhabdomyolyse). Deren Inhalt wird ins Blut freigesetzt, schädigt die Nieren (Niereninsuffizienz) und führt zu einer tödlichen Verbrauchsstörung der Blutgerinnung: Diese "disseminierte intravasale Gerinnung" mit Multiorganversagen ist praktisch immer tödlich.


Viele Raver glauben sich schützen zu können, indem sie viel trinken, bis 10 Liter während einer Party. Doch die Droge verhindert, dass der Körper den Salzgehalt ausgleicht. Der Salzmangel kann zu einer tödlichen Schwellung im Gehirn (Hirnödem) führen.


Auch den Langzeitkonsumenten, welche die akuten Gefahren der Droge im Griff zu haben meinen, schadet Ecstasy vermutlich mehr, als sie glauben: Langfristig bewirkt die Droge einen Mangel am Botenstoff Serotonin im Gehirn. Die Folgen sind Schlafstörungen, Depressionen, Angst, erhöhte Impulsivität und Gedächtnisstörungen. Einige regelmäßige Wochenendkonsumenten leiden auch unter dem "mid-week blues": Ein bis drei Tage nach dem Rave haben sie ein emotionales Tief, sind nervös, reagieren aggressiv und neigen zum Grübeln. Viele Konsumenten sind sich nach Erfahrung vieler Drogenberater der Risiken bewusst: "Die Gründe, warum Ecstasy dennoch konsumiert wird, sind komplex und wenig erforscht", meint Liechti.


WANC 16.07.03
Quelle: Deutsche Medizinische Wochenschrift 2003; 128 (24): 1361-1366

 
 
 
 
 
 
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