Zellen
Elektronenmikroskopische Aufnahme einer neuromuskulären Endplatte (Bild: baur-institut.de)
> Muskelschwäche: Gen verhindert Kontakt zwischen Nerv und Muskel
Ein weiteres Gen für
Muskelschwäche haben Wissenschaftler entschlüsselt. Defekte
in diesem Gen sind dafür verantwortlich, dass Kontaktstellen
zwischen Nerv und Muskel nicht ausreichend entwickelt sind.


Ein internationales Wissenschaftsteam
unter der Leitung von David Beeson von der Universität Oxford,
an dem auch Forscher des Friedrich-Baur-Instituts und der
Neurologischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität in
München beteiligt sind, hat herausgefunden, das Defekte im neu
entdeckten Gen Dok-7 einige von den sogenannten Kongenitalen
Myasthenen Syndromen verursachen. Kongenitale Myasthene Syndrome sind
vererbte Erkrankungen, wobei es bei Belastung zu einer Muskelschwäche
kommt.



Bei Betroffenen mit Defekten im
Dok-7-Gen liegt die Ursache dieser Muskelschwäche darin, dass
die Kontaktstellen zwischen Nerv und Muskel, die Synapsen, weniger
differenziert ausgebildet und kleiner sind als normal, wodurch die
gegenseitige Signalübertragung gestört wird.



Bevor es zu einer Bewegung kommt,
spielt sich im Körper einiges ab. Signale aus dem Gehirn werden
mit Hilfe der Synapsen, die auch motorische oder neuromuskuläre
Endplatten genannt werden, von der Nervenzelle auf die Muskelzelle
übertragen. Die Nervenzelle gibt dann den Neurotransmitter
Azetylcholin in den synaptischen Spalt ab, über den er auch zur
Muskelzelle weitergeleitet wird. Dort löst der Botenstoff eine
Muskelkontraktion aus, indem er an die passenden
Azetylcholin-Rezeptoren andockt. Anschließend wird das Molekül
durch das Enzym Azetylcholinesterase abgebaut und unwirksam gemacht.



Bei Menschen mit einem Kongenitalen
Myasthenen Syndrom sind die Nervenzellen und die Muskeln gesund: Es
ist immer die Synapse, die nicht gut funktioniert. Es war bereits
bekannt, dass dafür Gendefekte verantwortlich sind. Das Gen
Dok-7 wurde bislang jedoch nicht als Auslöser erwogen. "Wir
haben die Rolle des Gens erst entschlüsselt, nachdem wir die
Veränderungen in der DNA-Sequenz von ungarischen Familien mit
erblicher Myasthenie, wie etwa Mutationen und Polymorphismen,
untersucht haben", erklärt Forscherin Juliane Müller
des Friedrich-Baur-Instituts auf Nachfrage von pressetext. "Davon
hatten etwa die Hälfte Mutationen in den neun bekannten Genen,
bei der anderen Hälfte haben wir jetzt viele Patienten mit
Mutationen im Gen Dok-7 identifiziert", erläutert ihr
Kollege Hanns Lochmüller.



Es gebe bereits Hinweise, dass Dok-7
mit anderen Genen interagiert und auf diesem Weg mit der
Synapsenbildung zu tun hat. "Dafür scheint es essenziell zu
sein, denn Mäuse ohne Dok-7 überleben nicht", meint
Lochmüller. Wahrscheinlich verfügen jene Betroffenen mit
dem Gen-Defekt über ein verkürztes Protein mit
Restfunktion, das die anfängliche Synapsenbildung nicht
verhindert. "Möglicherweise beeinflusst es nur deren
Reifung oder Aufrechterhaltung - was zumindest erklären würde,
warum die Erkrankung in der Regel erst im frühen Kindesalter
ausbricht." Jetzt, wo die genetische Grundlage der Kongenitalen
Myasthenen Syndrome immer weiter aufgeklärt wird, zeigen die
Forscher sich zuversichtlich, dass es künftig gezielte
Therapiemöglichkeiten geben wird.



WANC 21.08.06/pte

 
 
 
 
 
 
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