Schmerzen im Alter müssen nicht sein: Oft fehlt das Wissen bei Ärzten und Pflegekräften
> Schmerzen: Kein Gebot des Alters

Schmerz ist kein "normaler" Bestandteil des Alters, obwohl das viele Menschen immer noch annehmen. Weil Ärzte und Pflegekräfte oft nicht über die neuesten Erkenntnisse der Schmerztherapie verfügen, müssen viele ältere Menschen unnötig Schmerzen ertragen.

Zwar nähme mit zunehmendem Alter die Häufigkeit von Beschwerden und Krankheiten wie Gelenk- und Rückenschmerzen, Gürtelrose-Infektionen mit Nervenschmerzen und Tumorschmerzen zu, doch bedeute das nicht, dass diese Schmerzen nicht erfolgreich zu behandeln wären, sagt Dr. Uwe Junker, leitender Arzt der Abteilung "Spezielle Schmerztherapie und Palliativmedizin" im Sana Klinikum Remscheid im Interview mit Pro Alter, dem Fachmagazin des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA).

In der Realität müssten aber viele ältere Menschen unnötig Schmerzen ertragen, weil Ärzte und Pflegekräfte häufig nicht über die neuesten Erkenntnisse in der Schmerztherapie verfügten beziehungsweise sich scheuten, diese anzuwenden. "Außerdem tun sich alte Menschen oft schwer damit, erstens den Begriff 'Schmerz' als etwas zu begreifen, über das man spricht, und ihn zweitens dann auch noch exakt zu beschreiben. Eine aktuelle Untersuchung hat beispielsweise gezeigt, dass viele alte Menschen Schmerz als eine Herausforderung, als Zeichen von Schwäche oder als Strafe für eine vermeintliche Schuld begreifen", erklärt Junker, dessen Patienten zu 50 Prozent über 60 Jahre alt sind. Ärzte und Pflegekräfte müssten das berücksichtigen und besser auf die älteren Schmerzpatienten eingehen, fordert er.

Für die Pflege gibt es dazu ab sofort ein neues Instrument: den Expertenstandard Schmerzmanagement. Mit diesem verbindlichen Standard, der zunächst auf die Verbesserung der Situation von Patienten mit akuten und chronisch-tumorbedingten Schmerzen zielt, ist den beruflich Pflegenden ein wichtiges Instrument an die Hand gegeben worden, um in allen Bereichen der pflegerischen Versorgung mit auf den neuesten Erkenntnissen basierendem Wissen auf Menschen mit Schmerzen eingehen zu können. Dazu gehört auch die Information, dass man nicht davor zurückschrecken muss, Schmerzpatienten mit Opioiden wie Morphin zu therapieren.

Eine erfolgreiche Schmerztherapie sei aber mehr als Schmerzen zu nehmen. Sie verhindere auch das Entstehen von Pflegebedürftigkeit, mahnt Prof. Dr. Jürgen Osterbrink, Leiter des Schulzentrums für Krankenpflegeberufe am Klinikum Nürnberg und Leiter der 13-köpfigen Expertengruppe, die den Standard zum Schmerzmanagement in der Pflege erarbeitet hat. "Schmerztherapie, auf diese Weise betrachtet, ist eigentlich Prophylaxe", so Osterbrink. und verdeutlicht das an einem Beispiel: "Ein hochbetagter Mensch leidet nach einer großen bauchchirurgischen Operation unter akuten Schmerzen, die aber nur unzureichend behandelt werden. Aus diesem Grund ist er seit einer Woche bettlägerig, also ungewollt immobil. Er kann in dieser Zeit bis etwa drei Kilogramm an Muskelmasse verlieren. Dies bedeutet, dass man diesen Patienten später nur noch schwer aktivieren und mobilisieren kann." Auf diese Weise würde Schmerz Bettlägerigkeit und somit Pflegeabhängigkeit begünstigen. "Je höher der Schmerz, desto höher ist die funktionelle Einschränkung bei den Aktivitäten des täglichen Lebens", so Prof. Dr. Osterbrink weiter.

Die KDA-Pflege-Expertin Christine Sowinski weist auf die Verbindlichkeit des neuen Standards hin. Erfahrungsgemäß braucht es zwar einige Zeit, bis sich das Personal über einen neuen Standard informiert habe. "Doch die Pflegefachkräfte sind gegenüber ihrem Arbeitgeber verpflichtet, sich selbstständig in die jeweiligen Expertenstandards für ihren Bereich zu vertiefen. Ein gewisses Grundwissen dazu kann jeder Arbeitgeber voraussetzen", betont Sowinski.

WANC 15.12.04/Pro Alter
 
 
 
 
 
 
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