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In unserem Körper gibt es Organe, die bisher als unnötig bezeichnet wurden - doch sie übernehmen wichtige Funtkionen (Foto: Stock photo)
> Unnötige Organe. Gibt es unnötige Organe?

Mediziner und Biologen waren sich
eigentlich einig. Verkümmerte Organe wie Blinddarm, Mandeln, Milz und
redundante Blutgefäße erfüllen keine wichtigen Funktionen im
menschlichen Körper. Wie man sich irren kann. Mehrere wissenschaftliche
Arbeiten behaupten inzwischen, dass diese "Abfallorgane" tatsächlich
wichtige – sogar lebenswichtige - Aufgaben übernehmen.
Filip Swirski und Kollegen von der Harvard Medical School haben
kürzlich festgestellt, dass die Milz eine kritische Rolle bei der
Heilung von Herzerkrankungen spielen könnte. Diese These wird durch
Versuche an Labormäusen gestützt, in deren Milzen die Wissenschaftler
Monozyten - weiße Blutzellen, die wichtig für die Immunabwehr und
Gewebeheilung sind - gefunden haben. Bislang ging die Forschung davon aus, dass sich Monozyten
ausschließlich im Knochenmark bilden und dann im Blutkreislauf
zirkulieren. Die Studie fand jedoch heraus, dass sich in der Milz
zehnmal mehr dieser weißen Blutkörperchen befinden als im Blut selbst.
Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass sich in den Milzen jener
Labormäuse, die kurz zuvor eine Herzattacke erlitten hatten, 40 bis 50
Prozent aller im Körper zirkulierenden Monozyten befanden. 

 "Wenn Sie einen Herzinfarkt erleiden, muss Ihr Herz dies auf geeignete
Weise heilen und das ist von den Monozyten abhängig", erklärt Swirski.
Bislang wurde vermutet, dass sich jene Monozyten, die sich unmittelbar
nach einer Herzattacke bildeten, im Blut befinden. Die Forscher haben
jedoch Berechnungen durchgeführt und herausgefunden, dass die Anzahl
der im Herz befindlichen Monozyten jene im Blut bei weitem übertreffen,
sagt Swirski. Bei den Mäusen, bei denen man zuvor die Milz entfernt hatte und dann
einen Herzinfarkt herbeiführte, wurden laut Swirski erheblich weniger
Monozyten im Blutkreislauf entdeckt. Vereinfacht gesagt erholten sich
Labormäuse ohne Milz von einem Herzinfarkt schlechter als jene mit
Milz. 

 Auch beim Menschen dürfte sich eine fehlende Milz negativ auf die
Gesundheit auswirken. In einer Langzeitstudie bei Veteranen aus dem
Zweiten Weltkrieg, die 1977 im medizinischen Fachjournal The Lancet
publiziert wurde, kam heraus, dass jene Veteranen ohne Milz zweimal
wahrscheinlicher an einer Herzkrankheit oder einer Lungenentzündung
starben als jene mit Milz. "Die Forscher wussten damals zwar, dass die
Milz eine wichtige Rolle spielt, aber nicht welche", verrät Swirski. 

 Für Jeffrey Laitman, Direktor für Anatomie und funktionelle Morphologie
an der Mount Sinai School of Medicine in New York, kommen diese
Ergebnisse wenig überraschend. Die medizinische Forschung habe im Laufe
der Zeit bereits viele Körperteile als nutzlos bezeichnet, nur weil man
ihre Funktion schlichtweg nicht verstanden habe, so Laitman. "Viele
Leute sagen, dass man ein Organ entfernen kann, ohne dabei zu sterben.
Aber mit dieser Logik sollte man vorsichtig sein. Sie könnten sich ihr
linkes Bein abtrennen und trotzdem weiterleben. Sobald jedoch ein
Körperteil versetzt oder verändert wird, muss man einen bestimmten
Preis dafür bezahlen", sagt der Präsident der American Association of
Anatomists. 

 Das wahrscheinlich berühmteste aller "Abfallorgane" des menschlichen
Körpers ist der Blinddarm. Doch der in der Fachsprache als Caecum
bekannte Darmteil dürfte nicht ganz so unwichtig sein wie bisher
behauptet. Tatsächlich ist das Organ ein Vorratsspeicher für nützliche
Bakterien, die bei der Verdauung von Speisen helfen. Auch redundante Blutgefäße haben Wissenschaftlern zufolge eine wichtige
Funktion. Diese Nebenleitungen kämen dann zum Einsatz, wenn die
Hauptadern und -venen versperrt oder beschädigt sind. Interessant sei
laut Leitman vor allem, dass sich redundante Blutgefäße sowohl in
Ellbogen, Schultern und Knie befinden, jedoch nicht im Gehirn und im
Herz. Fragt sich Leitman und gibt die Antwort dazu: "Warum erzeugt der
Körper im Ellbogen eine solche Redundanz und nicht dort, wo es wirklich
von Belang ist? Die Antwort ist etwas beunruhigend. Schlaganfälle und
Herzinfarkte treten normalerweise zwischen einem Alter von 50 und 70
auf. Als die Entwürfe für unsere Spezies ausgearbeitet wurden, hat
niemand so lange gelebt." WANC 05.08.09/ Quelle: Harvard Medical School, pte
 
 
 
 
 
 
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