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Die Folgen des Autoverkehrs bekommen vor allem Kinder zu spüren: mehr Allergien, mehr Atemwegserkrankungen, eingeschränktes Lungenwachstum (Foto: Stock photo)
> Kinder leiden unter Autoabgasen
Vor allem Kinder sind es, deren
Gesundheit unter den Folgen des Autoverkehrs leiden. Studien machen
deutlich, dass Autoabgase und die verkehrsbedingte Feinstaubbelastung
am immensen Anstieg von Allergien und Atemwegserkrankungen bei Kindern
Mitschuld tragen. Diese Umwelteinflüsse erhöhten generell das
Sterberisiko für Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen sowie für
Lungenkrebs. Und die Lungenfunktion und das Lungenwachstum von Kindern
wird beeinträchtigt.
„Es wird mehr und mehr deutlich, dass es sich bei der
Feinstaubbelastung um ein besonders ernstes Gesundheitsproblem handelt.
Es scheint in seiner Größenordnung sogar bedeutender zu sein als viele
anderen umweltmedizinischen Probleme, schon deshalb, weil sehr viele
Kinder und Erwachsene davon betroffen sind. Anstatt an der Einrichtung
von Umweltzonen herumzunörgeln sollten wir aktiv an der Verminderung
dieser Gefahren mitarbeiten, um die Chancen für unsere Kinder, gesund
heranzuwachsen, nachhaltig zu verbessern.“ Das sagt Prof. Dr. Berthold
Koletzko, Stoffwechselspezialist der Münchner Universitätskinderklinik
und Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit.
 Koletzko betont, dass immer deutlicher werde, dass Autoabgase und die
verkehrsbedingte Feinstaubbelastung am immensen Anstieg von Allergien
und Atemwegserkrankungen bei Kindern Mitschuld tragen: „An der
alarmierenden Zunahme von Allergien besteht kein Zweifel mehr.
Insbesondere die drei so genannten atopischen Krankheitsbilder
Heuschnupfen, Neurodermitis (atopisches Ekzem) und Asthma
beeinträchtigen die Lebensqualität vieler Kinder und ihrer Eltern.“ Den Beweis liefert laut Stiftung Kindergesundheit die europaweit größte
Kinderstudie KiGGS des Robert-Koch-Instituts Berlin, an der 17.641
Kinder und Jugendliche aus 167 Orten der Bundesrepublik gemeinsam mit
ihren Eltern teilgenommen haben. Auf die Frage, ob jemals ein Arzt bei
ihrem Kind eine der so genannten atopischen Erkrankungen festgestellt
hatte (dazu zählen Heuschnupfen, Neurodermitis und Asthma) antworteten
22,9 Prozent der für KiGGS befragten Eltern mit „Ja“. 

 Die so genannte Lebenszeitprävalenz beträgt für Neurodermitis 13,1
Prozent, für Heuschnupfen 10,5 Prozent, für ein allergisches
Kontaktekzem 9,5 Prozent und für Asthma 4,7 Prozent. Das bedeutet, dass
fast jedes vierte Kind und Jugendliche in Deutschland irgendwann an
einer dieser Krankheiten leidet. Jungen sind mit 24,3 Prozent
statistisch auffallend häufiger betroffen als Mädchen. „Die Neigung zu
Allergien wird zwar vererbt, an den Genen allein kann die rasante
Zunahme aber nicht liegen, denn sie können sich nicht in einer so
kurzen Zeit ändern“, erklärt Koletzko. „Eine wichtige Rolle spielen die
Umweltbedingungen, Zivilisationsfaktoren und die Ernährung. Es gibt
immer mehr Beweise dafür, dass auch Schadstoffe aus der Luft zu diesen
Trigger-Faktoren gehören“.
 So wurden im Auftrag der unabhängigen US-Organisation „Health Effects
Institute“ über 700 weltweite Studien zum Gesundheitszustand von
Kindern ausgewertet, die in der Nähe von viel befahrenen Straßen
wohnen. Das kürzlich veröffentlichte Ergebnis: Schon in einer
Entfernung von 300 bis 500 Metern von Hauptstraßen erreicht die
verkehrsbedingte Luftbelastung gesundheitsgefährdende Ausmaße. Es sei
auch erwiesen, dass Luftschadstoffe eine Asthmaerkrankung verschlimmern
können.

 Zu einer ähnlichen Beurteilung kommt die „Kinderumwelt“, eine
gemeinnützige Gesellschaft der Akademie der Kinder- und Jugendärzte
(DAKJ): „Verschiedene Längsschnittstudien mit Asthmatikern haben
ergeben, dass die Exposition mit Fein- und Feinststaub – insbesondere
aus dem Straßenverkehr - mit Atemwegsbeschwerden, einer
Beeinträchtigung der Lungenfunktion und mit dem Medikamentenbedarf
korrelieren. In experimentellen Studien konnte nachgewiesen werden,
dass Feinstaub Auswirkungen auf die Bildung von Immunglobulin E (IgE)
hat. Feinstaub kann die Symptome bei Allergikern - insbesondere bei
Asthmatikern und Heuschnupfenpatienten – verstärken“. 

 Die Belastung durch Schwerverkehr führt bei Kindern nicht nur zu
vermehrtem Asthma und zur Überempfindlichkeit der Atemwege („bronchiale
Hyperreaktivität“), sondern auch zu einer Zunahme der allergischen
Sensibilisierung (Kramer et al. Epidemiology 2000;11:64-70; Wyler et
al. Epidemiology 2000;11:450-6; Janssen et al. Environ Health Perspect
2003;111:1512-8). Zwar kann in diesen Studien nicht bestimmt werden, ob
wirklich der Feinstaub, oder andere durch Verkehrsabgase freigesetzte
Schadstoffe für diese Effekte verantwortlich sind. In Tierversuchen
konnte jedoch gezeigt werden, dass eine isolierte Feinstaubbelastung
die allergische Entzündung in der Bronchialschleimhaut verstärkt
(Takano et al, Am J Respir Crit Care Med 1997;156:36-42). Beim Menschen kommt es zudem durch starke alleinige Exposition mit
Dieselabgasen – sie sind die Hauptquelle von verkehrsbedingtem
Feinstaub – zu vermehrter allergischer Entzündung (Stenfors et al. Eur
Resp J 2004;23: 82-6) und bei ausschließlicher Einwirkung von Feinstaub
zu einer Sensibilisierung der Atemwegsschleimhaut auf neue Allergene
(Diaz-Sanchez et al, J Allergy Clin Immunol 1999;104:1183-8).

 Einen weiteren Beleg lieferte eine Studie an mehreren tausend Münchener
Kindern, veröffentlicht im American Journal of Respiratory and Critical
Care Medicine, Bd.177, S.1331 (2008). Das Forscherteam um Dr. Joachim
Heinrich vom Institut für Epidemiologie des Helmholtz-Zentrums München
verglich die Daten von 3061 sechsjährigen Kindern aus München und
Umgebung, deren Entwicklung im Rahmen der – von der Stiftung
Kindergesundheit unterstützten - GINI- und LISA-Studien seit ihrer
Geburt verfolgt wird. Mit Hilfe von Rechenmodellen konnten die
Wissenschaftler individuelle Werte der Belastung der Kinder durch
Feinstaub und Stickstoffdioxid abschätzen. Es zeigte sich, dass eine
steigende Feinstaub-Exposition zu einer Zunahme der asthmatischen
Bronchitis sowie der Sensibilisierung gegenüber Pollen und anderen
häufigen Allergenen führt. Eine erhöhte Stickoxid-Belastung war mit der
Zunahme von Ekzemen verknüpft.

 Besonders deutlich waren die Zusammenhänge zwischen dem Wohnumfeld und
dem Auftreten von asthmatischer Bronchitis, Heuschnupfen, Ekzemen sowie
allergischer Sensibilisierung: Kinder, die weniger als 50 Meter von
einer viel befahrenen Hauptstraße entfernt wohnten, hatten im Vergleich
zu weiter abseits wohnenden Altersgenossen ein um bis zu 50 Prozent
höheres Risiko für diese Erkrankungen! Mit steigendem Abstand zur
Hauptstraße wurde das Allergierisiko immer geringer.

 Eine mögliche Erklärung dafür, dass die dicke Luft nicht nur das Risiko
für Asthma und Bronchitis erhöht, sondern auch zu Heuschnupfen und
Neurodermitis führen kann, liegt in der Tatsache, dass Feinstaub sich
an Pollen anheften und deren allergene Wirkung dadurch verstärken kann.
In Gegenden mit erhöhter Feinstaubbelastung besteht ein generell
erhöhtes Sterberisiko für Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen
sowie für Lungenkrebs, stellt die Stiftung Kindergesundheit fest. Die
Lungenfunktion und das Lungenwachstum von Kindern werden
beeinträchtigt. Wenn sich die Luftqualität verbessert, leiden die
Kinder nicht nur seltener unter Bronchitis, sondern auch das Risiko von
Mittelohrentzündungen, häufigen Erkältungen und fieberhaften Infekten
wird geringer.

 WANC 19.04.10, Quelle: Stiftung Kindergesundheit
 
 
 
 
 
 
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