> Niedriger Blutdruck um jeden Preis?

Die Empfehlung stammt aus dem Jahr 2015 und basiert auf Ergebnissen einer in den USA durchgeführten Studie: Am besten senkt man den Blutdruck auf unter 120 mmHg. Doch ob diese Therapievorgabe für jeden so sinnvoll ist, daran gab es schon immer Zweifel. Jetzt besagt eine Untersuchung, dass bei älteren Menschen eine so starke Verminderung nicht unbedingt gesund ist. 


Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin stellen fest: „Bislang haben Mediziner angenommen, dass es für ältere Menschen gesünder ist, wenn ihr Blutdruck auf unter 140/90 mmHg eingestellt wird.“ Dieses Ziel ist fast veraltet. Denn seit der im November 2015 veröffentlichten Studie (SPRINT - Randomized Trial of Intensive versus Stan- dard Blood-Pressure Control, NEJM) verfolgen vor allem US-amerikanische Ärzteorganisationen das ambitioniertere Ziel, den Blutdruck auf niedrigerer Werte zu bringen - auf unter 120mmHg.


Doch diese Annahmen gelten nicht für alle Bluthochdruckpatienten, betonen jetzt die Mediziner der Charité. Im Gegenteil: Bei Menschen, die älter als 80 Jahre sind oder die bereits einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt hatten, steigt das Sterberisiko sogar, wenn der Blutdruck zu stark gesenkt wird.


Etwa 70 bis 80 Prozent der über 70-Jährigen haben einen erhöhten Blutdruck, der langfristig einen Herzinfarkt oder Schlaganfall nach sich ziehen kann. Laut den europäischen Leitlinien soll der Blutdruck bei über 65-Jährigen auf unter 140/90 mmHg eingestellt werden. Diese Zielwerte gelten auch für über 80-Jährige, bei ihnen sind jedoch verstärkt individuelle Faktoren wie Begleiterkrankungen zu berücksichtigen. Die US-amerikanischen Fachgesellschaften empfehlen für alle Bluthochdruckpatienten, die älter sind als 65 Jahre, sogar eine Einstellung des Blutdrucks auf unter 130/80 mmHg. 


In der neuen Untersuchung zeigte sich, dass die medikamentöse Senkung des Blutdrucks auf unter 140/90 mmHg – und insbesondere auf unter 130/90 mmHg – nicht grundsätzlich eine schützende Wirkung hat. Dazu wurden Daten von mehr 1.628 Frauen und Männern ausgewertet, die zu Beginn der Studie im Jahr 2009 mindestens 70 Jahre alt waren und unter blutdrucksenkender Behandlung standen. Während der Beobachtungszeit von sieben Jahren starben 469 Patienten/innen. 


Bei den über 80-Jährigen hatten diejenigen, deren Blutdruck bei unter 140/90 mmHg lag, ein um 40 Prozent höheres Sterberisiko als diejenigen, deren Blutdruck mehr als 140/90 mmHg betrug. Eine ähnliche Beobachtung machte die Forschungsgruppe bei den Patienten/innen, die in der Vergangenheit einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erlitten hatten: Bei denjenigen, deren Blutdruck bei unter 140/90 mmHg lag, stieg das Sterberisiko sogar um 61 Prozent im Vergleich zu denjenigen, deren Blutdruck trotz der medikamentösen Behandlung oberhalb dieses Grenzwertes blieb. Dr. Antonios Douros, der Leiter der Studie, mahnt: „Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass die Behandlung eines erhöhten Blutdrucks bei diesen Patientengruppen individuell angepasst werden sollte.“ 


14.3.2019 cs / Quelle: European Heart Journal

 
 
 
 
 
 
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