Frau
Tröpfchenweise: Die Angst vor dem Malheur... (Foto: imagesource)
> Blasenschwäche: Lieber schweigen und leiden

Trotz moderner Therapiemethoden ist es immer noch
ein Tabuthema: Probleme mit der Blase und dem Beckenboden. Immerhin leidet
weltweit eine von sieben Frauen unter den Symptomen der Belastungsinkontinenz,
dem unwillkürlichen Harnverlust beim Husten, Niesen, Lachen oder bei
körperlicher Anstrengung.


Noch mehr Menschen haben eine überaktive Blase. Sie müssen
sehr oft zum Wasserlassen und schaffen es nicht rechtzeitig bis zur Toilette,
wenn der Harndrang überfallartig auftritt. Rund vier bis sechs Millionen
Menschen sind in Deutschland von Harninkontinenz betroffen. Doch die
Dunkelziffer dürfte mindestens doppelt so hoch sein.



Aus Scham greifen viele zu Damenbinden, Papiertaschentüchern oder ähnlichen
„Hilfsmitteln“, damit die Hose trocken bleibt. Die Angst vor einem Malheur
bringt es mit sich, dass Betroffene kaum noch aus dem Haus gehen, Beziehungen
abbrechen und sich freiwillig in soziale Isolation begeben.



Doch Blasenschwäche ist kein unabwendbares Schicksal,
sondern kann und muss ursächlich behandelt werden. Je nach Art und Ursache der
Harninkontinenz ist es möglich, die Krankheit durch Beckenbodentraining, durch
Medikamente und/oder eine Operation zu lindern oder sogar vollständig zu
heilen.



Voraussetzung ist, dass sich der Patient seinem Arzt anvertraut. Gerade in
diesem Punkt gibt es einen zentralen geschlechtsspezifischen Unterschied:
Während die Beschwerden bei Männern, beispielsweise als Folge einer
Prostata-Operation, abrupt auftreten und von den Betroffenen aktiv angesprochen
werden, entwickeln sich die Blasenbeschwerden bei Frauen schleichend meist über
Jahre hinweg.



Der Arztbesuch wird dadurch leider häufig „auf die lange
Bank“ geschoben. Doch ohne individuelle Diagnostik ist Hilfe nicht möglich:
Welche Therapieform die geeignete ist, muss je nach Diagnose individuell
entschieden werden. Da die Inkontinenz ein sehr individuell anzugehendes
Problem ist, das bei jeder Patientin andere Ursachen haben kann und damit auch
angepasste und vielfältige Heilungsansätze erfordert, ist ein umfangreiches
Wissen über Behandlungsmöglichkeiten eine Voraussetzung für die Heilung.



Bei den Medikamenten werden in erster Linie so genannte Anticholinergika
eingesetzt, welche die überaktive Blasenwandmuskulatur erschlaffen lassen. So
spielt sie nicht mehr verrückt. Angebotene Medikamente enthalten meist einen
von vier Wirkstoffen: Propiverin, Tolterodin, Trospiumchlorid oder Oxybutynin.
Propiverin ist als einziger Wirkstoff auch für die Behandlung von Kindern
zugelassen. Er wirkt zudem zweifach: Er lässt die glatte Muskulatur in der
Harnblase erschlaffen und macht sie weniger ansprechbar für jene Nervenimpulse,
die die Entleerung der Harnblase vorbereiten. Um das zu erreichen, hemmt der
Wirkstoff den Teil des vegetativen Nervensystems - den Parasympatikus. Dieser
Teil des Nervensystems steuert viele innere Prozesse, die wir nicht bewusst
wahrnehmen - etwa die Verdauung oder die Entleerung der Harnblase.



Nebenwirkungen können bei medikamentöser Behandlung beispielsweise ein
trockener Mund, Verstopfung, Konzentrationsstörungen, Schwindel oder eine
langsamere Umstellung der Augen beim Nah- und Fernsehen sein (Autofahrer
aufgepasst!).



Kombiniert wird die Pharmakotherapie sinnvollerweise mit
Verhaltens- und physiotherapeutischen Methoden: Toiletten- und
Beckenbodentraining. Gezieltes und regelmäßiges Beckenbodentraining ist nicht
nur zur Vorbeugung wichtig. Es gilt zudem als das von der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierte Mittel der Wahl für alle Frauen
und Männer mit bereits vorhandener Belastungsinkontinenz oder vorhandenem
Syndrom der überaktiven Blase.



Als vielversprechend hat sich auch die Elektrostimulation
bei gleichzeitiger Arzneigabe erweisen. Dabei wird die Wirkung der Medikamente
durch eine leichte elektrische Stimulation der Blasenmuskeln wirkungsvoll
ergänzt. Die Belastungsinkontinenz kann bei Versagen der konservativen
Behandlung auch operiert werden. Dabei steht heutzutage eine minimalinvasive
schonende Methode zur Verfügung, bei der unter die Harnröhre spannungsfrei eine
Schlinge gelegt wird.



WANC 25.04.06/dgk

 
 
 
 
 
 
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