Autounfall
Autounfall: Häufig ist Übermüdung die Ursache
> Sekundenschlaf: Gefahren werden unterschätzt

Jeder vierte schwere Autounfall in
Deutschland ereignet sich infolge des sogenannten „Sekundenschlafs".
Doch die meisten Autofahrer verkennen die Gefahren der Übermüdung am
Steuer.


Aktuelle Studienergebnisse zeigen, dass „jeder vierte Autofahrer zu
müde hinter dem Steuer sitzt", mahnt PD Dr. Barbara Wilhelm von der
Tübinger Universitäts-Augenklinik. Wer am Steuer gähnt, sich die Augen
reibt, sich streckt und schlechte Laune bekommt, sollte diese
Frühwarnzeichen ernst nehmen: am besten hilft ein Kurzschlaf und vorher
eine Tasse Kaffee - diese wirkt erst nach 15 bis 20 Minuten.



Doch viele Fahrer überschätzen ihre Fahrtauglichkeit und reagieren
nicht rechtzeitig auf eindeutige Alarmsignale. Wilhelm: „Die Müdigkeit
ist nicht das Problem, sondern deren richtige Einschätzung. 99 Prozent
der Menschen merken, dass sie müde sind. Doch wie nahe sie am
Sekundenschlaf sind, merken sie nicht. Müdigkeit
entgeht unserer Wahrnehmung."



Die Wissenschaftlerin entwickelte mit ihrer Arbeitsgruppe den
sogenannten pupillographischen Schläfrigkeitstest (PST), der in
mehreren Studien an Autobahnraststätten eingesetzt wurde. Das Fazit
dieser Studien: zu viele Fahrer sitzen übermüdet am Steuer, einige
schliefen sogar während des Tests ein.



63 Autofahrer wurden an einer deutschen Autobahnraststätte für den
freiwilligen Müdigkeitstest zufällig ausgewählt. Sie sollten während
der elfminütigen Messung in einem völlig abgedunkelten Raum in die
Richtung eines Lichtes in der Öffnung einer Infrarot-Kamera blicken.
Die Bewegungen der Pupille - ein Maß der Müdigkeit - wurden automatisch
ausgewertet und in drei Kategorien aufgeteilt: normal, grenzwertig und
auffallend schläfrig. Außerdem füllten die Autofahrer einen Fragebogen
aus, in dem sie über ihre Wach-, Schlaf- und Fahrzeit, die gefahrene
Strecke, den Kaffee- und Nikotinkonsum, sowie ihre subjektiv gefühlte
Schläfrigkeit Auskunft gaben.



Nur 43 Prozent waren normal wach, jeder dritte an der Grenze zur
Übermüdung, jeder vierte auffallend schläfrig. Auffällig schläfrigen
Fahrern empfahlen die Untersucher eine kurze Schlafpause von 15
Minuten, die dafür zu Verfügung stehenden Motelräume nahm indes keiner
der betroffenen Fahrer in Anspruch. „Müdigkeit als Unfallrisiko wird
von den meisten Fahrern gefährlich unterschätzt", resümmiert Wilhelm.



Ebenso beunruhigend sind die Ergebnisse der bisher größten Studie zum
Thema Verkehr und Müdigkeit in Österreich. Von September 2005 bis
August 2006 wurde im Land Oberösterreich die Schläfrigkeit von 1180
LKW- und Busfahrern mit Hilfe des Pupillographischen
Schläfrigkeitstests gemessen. Weniger als die Hälfte der Kraftfahrer
war bedenkenlos fahrtauglich, 30 Prozent waren nur bedingt
fahrtauglich, jeder fünfte war zu müde, ein Fahrzeug zu lenken.



Die Lenk- und Ruhezeiten der LKW-Fahrer werden zwar mit dem
Fahrtenschreiber kontrolliert, doch „der Fahrtenschreiber überprüft
lediglich die Arbeitszeit des Fahrzeugs, nicht aber die des Lenkers",
gibt Dipl. Ing. Robert Hagen, Unfallsachverständiger und Projektleiter
der österreichischen Pupillomat-Studie zu bedenken. Wenn ein Fahrer
etwa Nebenjobs annehme, könne die tatsächliche Arbeitszeit von der
„offiziellen" deutlich abweichen.



Eine Gesetzesgrundlage für das Messen von Schläfrigkeit gibt es noch
nicht. Derzeit geändert werden die Anlagen 4 und 5 der
Fahrerlaubnisverordnung. Bei der Erteilung und der Erneuerung des
Führerscheins soll in Zukunft auch die Tagesmüdigkeit erfragt und
gemessen werden. Bevor jedoch die Pupillographie in Deutschland bei
Verkehrskontrollen eingesetzt werden kann, müssen erst noch Grenzwerte
anhand genauerer Untersuchungen ermittelt werden.



WANC 24.09.07

 
 
 
 
 
 
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