Warum und wie Altern wir eigentlich?

Die Frage nach den Gründen für das Altern - die eigentlich eine Frage danach ist, wie man es aufhält und letztlich am liebsten unsterblich wird - beschäftigt die Menschheit seit Generationen. Zumindest haben Wissenschaftler jetzt einige Antworten gefunden, die den Alterungsprozeß verständlicher machen. Demnach verlieren unsere Zellen mit dem Alter ihre Eigenschaften, schädliche Wirkungen zu absorbieren, aber auch, sich zu erneuern. 


Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie in Berlin erklären den Ablauf so: Jede Zelle besteht aus verschiedenen Reaktionsräumen (Kompartimenten), in denen unterschiedliche Stoffwechselvorgänge ablaufen. Einer dieser Räume ist das Endoplasmatische Retikulum (ER). Hier reifen unter anderem Proteine heran, die in die Blutbahn abgegeben werden, z.B. Insulin oder Antikörper des Immunsystems. Eine Art Qualitätskontrolle, die sogenannte Proteinhomöostase, sorgt dafür, dass das dafür notwendige oxidative Milieu aufrechterhalten bleibt und Disulfidbrücken ausgebildet werden können. 


Das oxidative Milieu sorgt für den Abbau verschiedener Stoffe unter der Zufuhr von Sauerstoff. Disulfidbrücken formen und stabilisieren die dreidimensionale Proteinstruktur und sind somit entscheidend für eine einwandfreie Funktion der Proteine.


Wenn das ER im Alter seine Kraft zur Reinigung verliert, verschiebt sich das reduzierende/oxidierende Gleichgewicht (kurz Redox). Damit sinkt die Fähigkeit der Zelle, die für die korrekte Proteinfaltung so wichtigen Disulfidbrücken zu gestalten. Folge: Viele Proteine entwickeln sich mangelhaft und werden instabil.


Mit der Mißgestaltung der Proteine (Wissenschaftler sagen dazu Proteinmissfaltung) verliert auch eine andere Funktion ihr Gleichgewicht. In dem Bereich der Zelle, in dem Cytosol eigentlich Proteine entsorgt, sammeln sich plötzlich zunehmend oxidierende Eigenschaften an, was z.B. zur schädigenden Freisetzung freier Radikale führt. Dr. Janine Kirstein, die an der Studie mitgewirkt hat, zeigt eine praktische Erkenntnis auf, die sich aus den Ergebnissen ableiten lässt: "Dies könnte erklären, warum die Immunabwehr im Alter abnimmt.“


Dieser Vorgang des Zerfallens des oxidativen Milieus findet im übrigen auch nach Stress statt. Lagern sich in der Zelle amyloide Eiweißreste ab, die Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Chorea Huntington hervorrufen, setzten sie die gleiche Kaskade in Gang. . „Proteinstress führt zu den gleichen Auswirkungen wie das Alter“, erläutert Kirstein. „Insofern sind unsere Erkenntnisse nicht nur für das Altern, sondern auch für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer interessant.“


Möglicherweise kann das Wissen über das Redox-Gleichgewicht künftig als Basis für neue Biomarker dienen. Mit denen könnten dann sowohl Alterungs- als auch neurodegenerative Prozesse diagnostiziert werden. 


05.08.2015/ Quelle: EMBO Journal 





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/oxidatives-milieu-05-08-15.php
powered by webEdition CMS