> Lebensstil hinterlässt seinen Abdruck im Gehirn

Unser Lebensstil hat erheblichen Einfluß auf unsere Gesundheit und unsere Lebensdauer. Wer sich gesund ernährt, nicht raucht, nur wenig Alkohol trinkt, auf sein Gewicht achtet und sich regelmäßig körperlich bewegt, der lebt nicht nur länger - rund sieben Jahre - sondern kann diese zusätzlichen Lebensjahre auch bei besserer Gesundheit verbringen. Jetzt haben Wissenschaftler nachgewiesen, dass sich der Lebensstil direkt auf das Gehirn auswirkt. Erstaunlich dabei sind die starken Einflüsse durch Einbindung in soziale Strukturen und soziale Kontakte.


Manchmal ist es ja ganz einfach: Sport ist gesund, Alkohol und Rauchen sind es nicht. Das kann sich jeder merken. Nun haben Wissenschaftler aus Jülich, Düsseldorf, Essen und Basel die Daten von 248 Frauen und 301 Männern im Alter von 55 bis 85 Jahren ausgewertet. Hierbei konnten sie sowohl auf Kernspinaufnahmen der Gehirne als auch auf einen umfangreichen Datensatz zu der Lebenssituation der Probanden zurückgreifen. Vor allem wurden auch Faktoren wie soziales Umfeld, Alkohol- und Tabakkonsum sowie körperliche Aktivität berücksichtigt. 


Nora Bittner vom Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-1) sagt zu den Ergebnissen: „Sport, soziale Kontakte und Alkohol wirken sich nach unseren Ergebnissen direkt auf die Gehirnstruktur aus.“ So sei die graue Substanz in bestimmten Regionen des Gehirns zum Beispiel bei Menschen, die in einem regen sozialen Umfeld leben, besser erhalten, als bei Menschen, die wenig soziale Kontakte haben. Auch sportlich aktive Menschen würden im Alter einen geringeren Volumenverlust des Gehirns als inaktive Zeitgenossen zeigen. Ein hoher Alkoholkonsum wirke sich dagegen negativ auf die Gehirnstruktur aus, gehe also mit einem Gehirnabbau und dem Verlust von Nervenzellen einher. Sowohl die Reduktion von Nervenzellen als auch des Gehirnvolumens im Alter werden von Ärzten als mitverantwortlich für eine geringere geistige Leistungsfähigkeit und Flexibilität gemacht.


Rauchen hingegen beeinflusse weniger die Gehirnstruktur, sondern vielmehr die Gehirnfunktion. Es zeige sich, dass die sogenannte funktionelle Konnektivität, also die gezielte Zusammenarbeit von Hirnregionen untereinander, im ruhenden Gehirn bei Rauchern höher sei  als bei Nichtrauchern. Was das bedeutet, erklärt Bittner so: "Wir gehen davon aus, dass dadurch die kognitive Reserve bei Rauchern geringer ist, da die betreffenden Regionen schon im Ruhezustand auf Hochtouren laufen und damit kein Leistungspuffer mehr frei ist.“ 


Als kognitive Reserve gilt die Fähigkeit des Gehirns, zusätzliche Kapazitäten im Gehirn zu aktivieren, also mehrere Bereiche zur Lösung eines Problems hinzuzuziehen, um zum Beispiel Alterungsprozesse zu kompensieren. Sind diese Bereiche schon anderweitig ausgelastet oder geschädigt, kommt es folglich zu einer geringeren geistigen Kapazität. 


Die Forschungsergebnisse lassen den Schluß zu, dass allgemeingültige Aussagen zu einer gesunden Lebensführung sich auch anatomisch und funktionell im Gehirn widerspiegeln. Dagegen spielen Erbinformationen offensichtlich eine nebensächliche Rolle. Bittner: „Wichtiger als die pure Veranlagung ist also das tatsächliche Verhalten.“


Eine weitere Überraschung liefert die Erkenntnis von dem Einfluß  sozialer Interaktionen und der Hirnstruktur. Bekannt war bisher, dass sich körperliche Aktivität aktiv auf die geistige Leistungsfähigkeit auswirkt. Doch die Untersuchung hat deutlich gemacht, dass auch ein intensives oder geringes Sozialleben ebenfalls deutliche Spuren im Gehirn hinterlässt. Das lässt Fragen zu: Beispielsweise, ob sich Sport in der Gruppe – also im sozialen Umfeld – anders auf die geistige Leistungsfähigkeit und ein gesundes Altern auswirkt als der einsame Waldlauf. 


4.3.2019 cs / Quelle: Nature Communications

 
 
 
 
 
 
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