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Elektromagnetische Strahlen sollen das Leukämierisiko von Kindern nicht erhöhen (Foto: O2)
> Hochfrequente Strahlen: Vollkommen gefahrlos?

Starke Radio- und Fernsehsender sollen in Deutschland keinen Einfluss auf das Risiko von Kindern haben, an Leukämie zu erkranken. Damit sollen Ergebnisse anderer Studien widerlegt werden, die zu einem anderen Ergebnis gekommen sind. Und im Hintergrund steht natürlich, dass damit auch mögliche Gefahren durch den Mobilfunk als praktisch nicht vorhanden qualifiziert werden.

Die so genannte KISS-Studie ( Kindliche Leukämien und Expositionen in der Umgebung von hochfrequenten SendeStationen) hat das Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI) der Universität Mainz im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) durchgeführt. Frühere Studien hatten Hinweise auf ein erhöhtes Kinderleukämierisiko in der Umgebung von Radio- und Fernsehsendern gezeigt. Das BfS meint dazu,  dass diese Studien aber wenig aussagekräftig gewesen seien. In der jetzt vorgelegten Untersuchung sei die Belastungsabschätzung gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern von Radio- und Fernsehsendern deutlich verbessert worden, lobt Studienleiter Joachim Schüz.

Bei der Untersuchung handelte es sich um eine große sog. Fall-Kontroll-Studie. Studiengebiet seien alle westdeutschen Gemeinden gewesen, die im Umkreis von 16 leistungsstarken Mittelwellensendern und acht UKW/TV-Sendern liegen. Die Studie vergleicht 1.959 an Leukämie erkrankte Kinder (sog. Fälle) mit 5.848 nicht erkrankten Kindern (sog. Kontrollen).

Als Fälle seien Kinder bis zum Alter von 14 Jahren definiert worden, die zwischen 1984 und 2003 an einer Leukämie erkrankt sind und die zum Zeitpunkt der Diagnose in der Studienregion lebten. Die nötigen Informationen über die erkrankten Kinder stellte das Deutsche Kinderkrebsregister am IMBEI der Universität Mainz zur Verfügung. Drei Kontrollen pro Fall wurden zufällig aus der Allgemeinbevölkerung ausgewählt. Die Kontrollen mussten dabei das gleiche Alter und Geschlecht wie der Fall aufweisen.

Die Belastungsbestimmung verlief rückwirkend bezogen auf den Zeitpunkt ein Jahr vor Diagnose. Auf Basis der Koordinaten der Wohnadressen und der aktuellen und historischen Betreiberdaten zur Sendeleistung und räumlichen Antennenausrichtung der jeweiligen Sendeanlagen wurde die Feldstärke berechnet. Eine Überprüfung der so berechneten Feldstärken mit tatsächlich gemessenen Feldstärken ergab eine Übereinstimmung. Nach Ansicht des BfS, lieferte die Feldstärkenberechnung eine Verbesserung im Vergleich zur alleinigen Verwendung der Distanz zwischen Sendeanlage und Wohnung, worauf fast alle früheren Studien beruhten.

„Wir haben keinerlei Hinweise auf ein erhöhtes Leukämierisiko für Kinder gefunden", wiegelt Joachim Schüz ab. „Weder für die Mittelwellensender noch für UKW- und Fernseh-Sender." Das treffe für die Zeit vor der großflächigen Einführung des Mobilfunks zu (1983-1991) als auch danach (1992-2002). Anders als bei einer 2007 veröffentlichten Studie zu Kinderkrebs um Kernkraftwerke (KIKK) lässt sich auch bei Kindern unter fünf Jahren in den höchstbelasteten Gebieten in der Nähe der Sender kein erhöhtes Leukämierisiko nachweisen.

Ob die Studie auffällige Befunde von früheren Studien abschwächt, ist so eine Sache. Das BfS ist davon überzeugt und meint, dass andere Studien weniger aussagekräftig und belastbar seien. Für die eigene Studie reklamiert das Amt, dass es über ein aussagekräftiges Design verfüge, was an der individuellen Expositionsabschätzung für fast 8.000 Kinder, am 20-jährigen Beobachtungszeitraum und dem Fokus auf 24 der leistungsstärksten Sendeanlagen in Deutschland liege.

Außerdem sagt das BfS: Das Fehlen eines bekannten biologischen Wirkmechanismus spricht zusätzlich gegen einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung und dem Risiko, an einer Kinderleukämie zu erkranken.

Umweltmediziner und Biologen sehen das durchaus differenzierter. Sie betonen, die Vielfalt von Faktoren, die bei einer solchen Problemlage zu berücksichtigen ist. Was meist im Labor gestellt und untersucht werde, habe mit der tatsächlichen Umwelt selten etwas gemein. In Bezug auf Mobilfunknetze gibt es wohl mindestens fünf Einflussgrößen: Leistungsflussdichte, Frequenz, Modulationsart, Expositionsdauer, Wellenlänge. Nicht bekannt und bisher nicht hinreichend (warum wohl?) erforscht ist, wie diese Einflüsse zusammenwirken, welche Bedeutung jeder einzelne Wert hat und ab wann der Schaden beginnt. Doch so viel lässt sich anscheinend schon sagen: Elektromagnetische Strahlung kann Stress für Zellen bedeuten, das zwingt sie zur Abwehrhaltung und damit zu ständig harter Arbeit. Für die Zelle selbst bedeutet das ein permanenter Energiedefizit. Sie wird also anfällig – ein Einfallstor für Krankheiten.

Weitere Anmerkungen:
Wie immer, wenn Studien zum Thema elektromagnetische Strahlen, von derartigen Quellen durchgeführt und publiziert werden, ist das Ergebnis: Die Strahlen sind ungefährlich, Studien, die anderes heraus bekommen, sind nicht wissenschaftlich genug. Irgendwie wird man den Eindruck nicht los, dass sich da eine Front der Beruhiger zusammengefunden hat: Es darf nicht sein, was nicht sein darf. Denn was wäre, wenn alles doch nicht so harmlos wäre? Eine bedeutende Branche mit hohem Umsatz-, Steuer- und Beschäftigungsvolumen wäre vielleicht gefährdet?
Stutzig macht jedoch, dass Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Herzrasen und Tinnitus, die manche Menschen in der Nähe von Sendemasten empfinden, mehr oder weniger als Befindlichkeitsstörung abgetan oder ins Reich der Phantasie befördert werden. Auch Erwärmungen am Ohr beim Handytelefonieren sind immer völlig ohne Gefahren. Doch viele Menschen leiden darunter.
Noch ein Hinweis: Wie ein Sprecher des BfS mitteilte, wurden die jetzt veröffentlichten Untersuchungen im Rahmen des Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramm (DMF) gefördert. Und dieses Deutsche Mobilfunkforschungsprogramm wurde jeweils mit 8,5 Millionen Euro vom Bundesumweltministerium und den Betreibern der Mobilfunknetze finanziert.

WANC 16.10.08/ Quelle: Bundesamt für Strahlenschutz

 
 
 
 
 
 
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