Medizin aus der Pflanzenfabrik: Mit Gentechnik zu besseren Medikamenten?

Europäische Wissenschaftler wollen in den kommenden fünf Jahren effiziente Strategien zur kostengünstigen Produktion von hochwertigen Pharmazeutika in gentechnisch veränderten Pflanzen entwickeln. Die Europäische Kommission hat einem Wissenschaftlerkonsortium aus elf europäischen Ländern und Südafrika ein Forschungsprojekt über 12 Millionen Euro bewilligt. Ziel des Projekts ist es, Impfstoffe und Medikamente zur Behandlung der wichtigsten Krankheiten wie Aids, Tollwut, Diabetes und Tuberkulose zu produzieren.

Das internationale "Pharma-Planta"-Konsortium wird ein Konzept erarbeiten, das von der genetischen Modifikation von Pflanzen bis hin zu klinischen Versuchen reicht. Mithilfe dieses kombinierten Ansatzes sollen alle relevanten Fragestellungen zur Verwendung gentechnisch veränderter Pflanzen zur Produktion von Pharmazeutika untersucht werden. Der Sicherheit von Mensch und Umwelt wird hierbei ein besonderer Schwerpunkt eingeräumt, sagt man.

Der administrative Koordinator des Projekts, Professor Dr. Rainer Fischer vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME behauptet: "Während die Produktion von Pharmazeutika in anderen gentechnisch veränderten Organismen bestens etabliert und dokumentiert ist, gibt es bis dato keinen Präzedenzfall für einen vergleichbaren Produktionsprozess in Pflanzen. Die Dauer des europäischen Projekts ist auf fünf Jahre festgelegt. Obwohl die vor uns liegenden Herausforderungen enorm sind, hoffen wir innerhalb dieses Zeitrahmens Pharmazeutika aus Pflanzen in die Klinik zu bringen."

Der Fokus des Projekts liegt in der Bereitstellung sicherer und kos-tengünstiger Medikamente für einige der schlimmsten Humankrankheiten. In Kuba wird seit kurzem ein ähnlicher Ansatz zur Produktion von Antikörpern verfolgt, um Hepatitis-B-Impfstoffe bereitzustellen. Das Pharma-Planta-Projekt wird dieses Konzept eine Stufe weiter verfolgen und Impfstoffe oder Medikamente direkt in den Pflanzen produzieren.

Der wissenschaftliche Koordinator des Konsortiums, Professor Dr. Julian Ma von der St. George's Hospital Medical School in London, erklärt: "Das Potenzial dieses Ansatzes ist enorm. Pflanzen können kostengünstig angebaut werden. Wenn wir diese gentechnisch so verändern, dass sie die genetische Information für ein Medikament enthalten, können wir große Mengen an Impfstoffen oder Pharmazeutika zu niedrigsten Preisen produzieren." Die momentan gängigen Methoden zur Herstellung solcher Medikamente basieren auf der genetischen Veränderung von menschlichen Zellen oder von Mikroorganismen wie Bakterien. Diese Technologien sind arbeitsintensiv, teuer und resultieren oftmals nur in geringen Produktausbeuten. Der Einsatz von Pflanzen zur Herstellung von Pharmazeutika, die zurzeit aufgrund von Produktionsengpässen oder zu hohen Kosten nicht produziert werden, würde neue Medikamente verfügbar machen.

Eine der größten Herausforderungen des Projekts liegt darin, Entscheidungen zu treffen, welche Pflanzenarten zur Produktion von Medikamenten und Impfstoffen eingesetzt werden sollen. Insbesondere müssen die Wissenschaftler herausfinden, ob hierzu Lebens- oder Futtermittelpflanzen verwendet werden können. Der Koordinator für Biologische Sicherheit, Professor Dr. Philip Dale vom John Innes Centre in England, sagt: "Potenzielle Kandidaten sind Mais- und Tabakpflanzen. Es muss allerdings eine detaillierte Evaluierung erfolgen, bevor hierzu eine endgültige Entscheidung getroffen werden kann. Wir werden zudem auch ausgiebig analysieren, an welchem Ort die Produktion erfolgen soll. Wir haben hierzu bereits diverse Möglichkeiten in Europa und Südafrika in Betracht gezogen."


Gentechnik-Gegner wird das alles nicht beruhigen. Vor allem dürften sie bemängeln, dass bis heute die möglichen Risiken durch den Einsatz genmanipulierter Pflanzen bei Nahrungsmitteln zumindest heftig umstritten und noch längst nicht ausreichend erforscht sind. Aber sieht das aus, wenn derartige Gen-Pflanzen sogar für die Herstellung von Medikamenten verwendet werden? Für viele dürfte das keine frohe Aussicht sein.


WANC 14.07.04/idw





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/14_07_pflanzenfabrik.php
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