Organspende: Geringe Bereitschaft

Der Bedarf an
Spenderorganen wächst, da die Transplantation bei endgültigem Organversagen
inzwischen beherrschbar geworden ist. Dem steht allerdings eine stagnierende
Spendebereitschaft gegenüber.


Bisher verfügen in Deutschland die Gesetze, dass die Organentnahme nach der
Todesfeststellung nur erfolgen kann, wenn der Spender zu Lebzeiten seine
Einwilligung gegeben hat. Diese Einwilligung liegt laut einer Befragung des
Meinungsforschungsinstituts USUMA bei 14 Prozent der Befragten vor, sie haben
einen Spendeausweis. Zur Organspende grundsätzlich bereit wären 60 Prozent,
immerhin 19 Prozent lehnen die Spende grundsätzlich ab.



Da die Warteliste wächst und wenig aktive Spender zur
Verfügung stehen, fragen sich viele Mediziner, wie die 60 Prozent zu erreichen
sind, die als "passive Organspender" gelten. "Erwogen wird, die
Zustimmungsregelung im Transplantationsgesetz von 1997 zu überarbeiten oder ein
Anreizsystem zu schaffen“, so der Psychologe Dr. Oliver Decker.



Sind die Menschen solchen Veränderungen gegenüber aufgeschlossen? Von den
möglichen Modellen zum Umgang mit Organen Verstorbener fand (bei möglicher
Mehrfachnennung) das bestehende bei 87 Prozent der Befragten Zustimmung. Doch
auch andere Lösungen wurden von der Mehrzahl positiv bewertet: 72 Prozent der
Befragten akzeptieren eine Spende, wenn der Verstorbene nicht widersprochen
hatte und seine Angehörigen einverstanden sind.



59 Prozent der Befragten hielten es auch für möglich, dass
jeder mit Volljährigkeit im Personalausweis vermerken sollte, wie er zur
Organspende steht ("Zwang zur Entscheidung"). Wege, die eine
Organentnahme immer ermöglichen, fanden hingegen mit unter 40 Prozent weniger
Anhänger. Nur knapp die Hälfte der Befragten fand es erwägenswert, jene
Menschen, die bereit sind, Organe zu spenden, im Krankheitsfall bevorzugt mit
Organen zu versorgen oder sie materiell, beispielsweise bei der Beerdigung, zu
unterstützen.



Was die Organspende Lebender betrifft, wie sie bei Niere und Leber möglich ist,
überlegen Experten, die Zugangsvoraussetzungen zu senken. So wird diskutiert, wie
in manchen europäischen Ländern üblich, auch Fremden spenden zu können. Die
Umfrage erbrachte, dass 78 Prozent der Menschen der Meinung sind, dass auch
unbekannte Menschen einander spenden dürfen.



Allerdings ist es der deutschen Bevölkerung wichtig, dass
die bisherigen Verfahren zum Ausschluss des Organhandels und die psychologische
Begutachtung erhalten bleiben. So forderten 95 Prozent, dass die Freiwilligkeit
der Spende nach wie vor geprüft werden muss. 21 Prozent wollten dem Empfänger
die Möglichkeit einräumen, dem Spender eine Entschädigung zu zahlen. 59 Prozent
halten eine Anerkennung des Spenders durch die Krankenkasse für angezeigt.



Gefragt wurde auch nach der Bereitschaft, selbst lebend Organe zu spenden. Wenn
die eigenen Kinder sie nötig hätten, beträgt sie 99 Prozent, im Falle von
Lebenspartnern 96 Prozent, von Eltern 94 Prozent, von guten Freunden 75
Prozent, von anderen Verwandten 68 Prozent und von gänzlich Unbekannten 33
Prozent.



Insbesondere die Lebendorganspende führt zu einem Phänomen, das nicht nur in
Deutschland beobachtbar ist: Frauen spenden, Männer erhalten Organe. Die Studie
der Leipziger Forscher erbrachte beispielsweise, dass 23 Prozent der Männer,
aber nur 17 Prozent der Frauen eine Organspende generell ablehnen. 40 Prozent
der Frauen, aber nur 32 Prozent der Männer haben sich jemals über eine
Lebendorganspende Gedanken gemacht. Auch die Überlegung, dass jemand, der
bereit, ist Organe zu spenden, davon Vorteile wie die bevorzugte Zuteilung
eines Spenderorgans im Notfall, hat, kommt bei Frauen (42 Prozent) noch
schlechter an als bei Männern (54 Prozent).



Umso verblüffender allerdings die Tatsache, dass etwas mehr
Männer als Frauen ihrem Kind oder ihrer Partnerin spenden würden. Erst bei
anderen Verwandten, Freunden und Fremden zeigen sich die Männer
zurückhaltender, hier geben die Frauen deutlich höhere Spendebereitschaft an.
Ein Ergebnis, das mit der klinischen Praxis übereinstimmt.



"Trotz der in den letzten Jahren intensiven Bemühung um Aufklärung der
Bevölkerung, scheint sich hier keine Veränderung in der aktiven, durch einen
Ausweis belegten Spendebereitschaft zu ergeben", resümiert Decker.
"Allerdings ist auch deutlich, dass der Anteil derjenigen, die
grundsätzlich zur Spende bereit sind, also die passive Spendebereitschaft, sehr
hoch ist. Immerhin über 60 Prozent der Testpersonen bekundeten dies während der
Befragung, hatten es aber nirgendwo registrieren lassen. Nur wenige lehnen die
Organspende aus grundsätzlichen Erwägungen heraus ab. Hier könnte man ansetzen
und über die entsprechenden Regelungen die real vorhandene Bereitschaft wirksam
und damit lebensrettend werden lassen."



WANC 13.04.06





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/13_04_organspende.php
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