Gesetzlich Versicherte müssen in der Regel länger auf Termin beim Facharzt warten als Privatversicherte, daran haben auch die Terminservicestellen kaum etwas geändert (Foto: DAK)
Gesetzlich Versicherte müssen in der Regel länger auf Termin beim Facharzt warten als Privatversicherte, daran haben auch die Terminservicestellen kaum etwas geändert (Foto: DAK)
> Lange Wartezeiten beim Arzt: Terminservicestellen lösen das Problem nich

Patienten klagen über lange Wartezeiten beim Arzt. Auf Druck des Bundesgesundheitsministeriums mussten die Kassenärztlichen Vereinigungen Anfang 2016 sogenannte Terminservicestellen einrichten. Diese sollten dafür sorgen, dass gesetzlich Krankenversicherte (GKV) nicht länger als vier Wochen auf einen Termin in einer Facharztpraxis warten müssen. Eine Studie belegt nun, dass diese Einrichtungen keine spürbare Verbesserung gebracht haben. 


Dazu verpflichtet, Terminservicestellen einzurichten, wurden die Kassenärztlichen Vereinigungen durch das GKV-Versorgungsstärkungs-Gesetz. Diese sollen Versicherten innerhalb von vier Wochen einen Facharzttermin vermitteln - bundesweit. Hört sich gut an. Doch die Vertretung der niedergelassenen Ärzte - die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) - lehnt die Terminservicestellen als überflüssig heftig ab. Nach Ansicht der Ärzte gibt es bei den Wartezeiten nämlich gar kein Problem. 


Als Beweis dient der KBV u.a. die von ihr in Auftrag gegebene Versichertenbefragung, die jährlich durchgeführt wird. 2016 gaben demnach 31 Prozent der GKV-Versicherten an, ohne einen Tag Wartezeit einen Termin bekommen zu haben. Lediglich 13 Prozent mussten länger als drei Wochen auf einen Termin warten. Dennoch: Privatversicherte (PKV) bekommen schneller einen Termin. 38 Prozent schaffen es ohne einen Tag zu warten, über drei Wochen warten nur 7 Prozent. 


Andere Befragungen zeigen andere Ergebnisse. Eine bei Statista veröffentlichte Erhebung weist für GKV-Patienten aus, dass 7 (PKV: 8) Prozent einen Termin für denselben Tag bekommen, wenn sie keine Beschwerden haben, bei akuten Beschwerden sind es 14 (PKV: 14) Prozent. Länger als sieben Tage müssen 50 (PKV: 38) Prozent der beschwerdefreien und 41 (PKV: 32) Prozent der GKV-Patienten mit akuten Beschwerden warten. 


Eine von den Grünen in Auftrag gegebene und 2016 veröffentlichte Untersuchung in 370 Facharztpraxen zeigt folgendes: Im Schnitt müssen Kassenpatienten 38 Tage auf einen Facharzttermin warten, Privatversicherte hingegen nur 11 Tage. Im Vergleich mit 2013 ist das eine deutliche Erhöhung der Wartezeit um sieben Tage. Begründung: Privatpatienten bekommen deutlich schneller einen Termin. Besondere Ausreißer: Bei Kardiologen in Fulda müssen Kassenpatienten 105 Tage auf einen Termin warten, Privatpatienten nur 26 Tage. Ein Hautarzt in Fulda bot dem Kassenpatienten einen Termin in 224 Tagen an, dem Privatversicherten nach nur sieben. Auf die Terminservicestellen wiesen nur ganz wenige Ärzte hin. 


Das mag eine Erklärung dafür sein, dass die KBV innerhalb der ersten 100 Tage seit Einführung der Terminservicestellen "die Zahl der vermittelten Termine geschätzt bei über 31.000" ansiedelt. Besonders häufig betroffen sind Internisten, Nerven-, Augen- und Hautärzte. „Im Vergleich zu den jährlich mehr als 550 Millionen Behandlungsfällen und über einer Milliarde Arzt-Patienten-Kontakten im ambulanten Sektor ist diese Anzahl sehr gering," resümierte befriedigt der KBV-Chef Dr. Andreas Gassen. Für die niedrige Nutzung gibt es aber auch andere Begründungen. So wird berichtet, dass manche Servicestellen nur an wenigen Stunden am Tag und manche so gut wie überhaupt nicht zu erreichen sind. Und vielen Patienten ist das Angebot völlig unbekannt. 


Dass die Terminservicestellen am grundsätzlichen Problem der Wartezeiten kaum etwas ändern, belegt eine kürzlich durchgeführte Befragung. 22 Prozent der Deutschen, die innerhalb des letzten Jahres in einer fachärztlichen Praxis in Behandlung waren, mussten einen Monat oder länger auf ihren letzten Termin warten. Dieser Anteil ist gegenüber den letzten fünf Jahren nicht geschrumpft. Auch wenn eine erkrankte Person schließlich einen Termin hat, bleibt Zeit ein rares Gut. Nach negativen Erfahrungen bei ihrem letzten Praxisbesuch gefragt, geben die meisten Patienten/innen Probleme an, die durch Zeitdruck entstehen: 36 Prozent ärgerten sich über lange Wartezeiten in der Praxis. Ein Viertel erlebte durch Zeitmangel gestresstes Personal. 21 Prozent zeigten sich unzufrieden, weil Arzt oder Ärztin sich zu wenig Zeit für sie genommen haben.


Patienten mit dringendem Therapiebedarf, können sich jetzt ambulant in Krankenhäusern behandeln lassen, wenn sie innerhalb der Frist von vier Wochen keinen Termin in einer Fachpraxis erhalten. Ob das positiv ist, ist eher fraglich, weil  der Zeitdruck in den Kliniken sogar eher noch größer als in den Praxen ist. Denn hier erleben die Patienten/tinnen die gleichen Probleme noch häufiger: 38 Prozent derjenigen, die in den vergangenen fünf Jahren mindestens einmal zu einem Behandlungs- oder Untersuchungstermin in einem Krankenhaus waren, ärgerten sich über zu lange Wartezeiten vor Ort. 31 Prozent sahen, dass das Personal durch Zeitmangel gestresst war. Und für fast ein Viertel nahm sich der Arzt dann zu wenig Zeit.


17.11.2016/ Quelle: pronova BKK - Studie "Gesundheitsversorgung 2016", Online-Befragung von 1.639 Bundesbürgern ab 18 Jahren 

 
 
 
 
 
 
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