Der Patient als Kunde: Immer häufiger bieten Ärzte Zusatzleistungen an, die der Patient selbst bezahlen muß
> Individuelle Gesundheitsleistungen: Wann Ärzte Patienten zur Kasse bitten
Mit individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) bitten Ärzte ihre Patienten zunehmend zur Kasse. Waren es vor drei Jahren noch neun Prozent der gesetzlich Krankenversicherten, denen eine solche selbst zu bezahlende Zusatzleistung angeboten wurde, so sind es heute schon 23 Prozent.

IGeL heißt das Stichwort, unter dem Ärzte sich ihr Einkommen aufbessern wollen. Immer öfter werden gesetzlich krankenversicherten Patienten in Deutschland beim Arztbesuch Zusatzleistungen gegen  private Rechnung angeboten. Nach einer Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) haben innerhalb eines Jahres 23 Prozent der GKV-Versicherten mindestens ein solches Angebot bekommen. Die meisten Angebote (ohne Zahnarzt) unterbreiten  Frauen- und Augenärzte, gefolgt von Urologen, Orthopäden und Hautärzten. Die Analysen zeigen im weiteren, dass höher gebildeten und einkommensstarken Patienten eher zusätzliche Privatleistungen offeriert werden.

Die Zahlen bedeuten, dass Ärzte vermehrt als Verkäufer von Gesundheitsleistungen auftreten. Patienten werden so zu Kunden, die eine Privatrechnung begleichen. "Obwohl alles medizinisch Notwendige von den Kassen übernommen wird", erklärt WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber, "bieten Ärzte Extras an, die sie privat abrechnen. Wer auf Nummer sicher gehen und sein Geldbeutel schonen will, soll sich zuvor von seiner Krankenkasse beraten lassen."

Vor drei Jahren wurde rund neun Prozent der GKV-Versicherten eine sogenannte "Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL)" im Verlauf eines Jahres angeboten. Mittlerweile hat sich dieser Anteil auf 23 Prozent (16 Mio. GKV-Versicherte) erhöht. Dies ergibt sich aus einer aktuellen Umfrage des WIdO unter 3000 GKV-Versicherten. Das starke Wachstum des IgeL-Marktes in nur drei Jahren sei bemerkenswert, so Klauber. Bei den Angeboten individueller Gesundheits- leistungen sei der persönliche Nutzen für den Patienten keineswegs immer klar. Es fehle an ausreichender Transparenz in diesem Privatmarkt, eine systematische Qualitätssicherung gebe es nicht.

Die Versichertenangaben zeigen eine große Bandbreite privat angebotener Leistungen. Im Bereich der nicht-zahnärztlichen Versorgung liegen an der Spitze der Nennungen Augeninnendruckmessungen (17,0%), Ultraschalluntersuchungen (16,8%), ergänzende Krebsfrüherkennungs- untersuchungen bei Frauen (14,1%) und Laboruntersuchungen (7,3%). Auf diese vier Leistungsgruppen entfällt mehr als die Hälfte der angebotenen Leistungen.

Betrachtet man die einzelnen Arztgruppen, so machen sowohl Frauenärzte als auch Augenärzte im Durchschnitt zehnmal häufiger als Allgemeinmediziner ein solches privates Leistungsangebot. Es folgen die Urologen, die rund sechsmal so häufig IGeL- Leistungen anbieten sowie die Orthopäden und Hautärzte mit etwa dem vierfachen Angebot im Vergleich zum Durchschnitt der Allgemeinmediziner.

IGeL-Leistungen werden in deutlich größerem Umfang Patienten mit überdurchschnittlicher Bildung und höherem Einkommen angeboten. So bekam in den unteren Einkommensgruppen (bis 2000 Euro Haushaltsnettoeinkommen) nur etwa jeder Fünfte Privatleistungen vorgeschlagen (20,8%), während in den höheren Einkommensgruppen  (über 4000 Euro Haushaltsnettoeinkommen) knapp ein Drittel der Befragten (31,7%) über ein individuelles Angebot ihres behandelnden Arztes berichten. Patienten mit hoher Schulbildung werden doppelt so häufig private Zusatzleistungen angeboten (32%) wie Patienten mit einfacher Schulbildung (15,5%).

WANC 15.11.04
 
 
 
 
 
 
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