Arzneimittel-Report: Der Streit um die Preise

Die Barmer/GEK beklagt die hohen
Ausgaben für Arzneimittel. Besonders der kräftige Ausgabenanstieg bei
Spezialmedikamenten schröpft die Kassen der Kasse. Vor allem moniert
sie die enormen Preisunterschiede in den Ländern der EU. Die
Preisgestaltung für Medikamente müsse in Zukunft “vernünftig” gestaltet
werden. “Faire Preise” sollen in direkten Verhandlungen mit den
Herstellern erzielt werden.
Neue Arzneimittel gegen Rheuma, Krebs oder Multiple Sklerose belasten
zunehmend die Budgets der Krankenkassen, beschwert sich die Barmer GEK.
Die Steigerungsraten der 20 ausgabenstärksten Medikamente 2009 bewegen
sich bei fast durchweg zwischen 12 und 25 Prozent. Der
durchschnittliche Ausgabenzuwachs für Arzneimittel liegt dagegen bei 6
Prozent. Das belegt der aktuelle Barmer GEK Arzneimittel-Report 2010,
der die Arzneimittelverordnungen der beiden Vorgängerkassen analysiert.
"Warum verlangen die Pharmafirmen für das Krebsmittel Glivec in
Großbritannien 1800 Euro, bei uns aber 2800 Euro? Durch das
Innovationsargument sind solche Preisunterschiede jedenfalls
nicht  gedeckt."  Diese Frage stellt sich Barmer GEK
Vize-Chef Dr. Rolf-Ulrich Schlenker. Er meint, dass die die gesetzliche
Krankenversicherung dadurch überfordert werden.                                                                                   
Der Report zeigt auf, dass vor allem die Spezialpräparate im
Hochpreissegment für die Ausgabendynamik sorgen. Von den rund 3,7 Mrd.
Euro Arzneimittelkosten der Kasse für 2009 entfallen rund 20 Prozent
bzw. 700 Millionen Euro auf die Top 20-Präparate. Auf Platz 1 und 2
finden sich zwei innovative Rheumamittel mit Ausgabensprüngen um 20 bis
25 Prozent gegenüber dem Vorjahr (Jahrestherapiekosten: 16.000 bis
24.000 Euro). Auf Platz 3 bis 5 liegen Präparate gegen Multiple
Sklerose mit einem Ausgabenanstieg um 12 bis 24 Prozent
(durchschnittliche Jahrestherapiekosten von 40.000 Euro). Für das
führende Krebsmittel Glivec, Platz 8 bei BARMER GEK, Platz 3 bei den
Industrieumsätzen in Deutschland, wurde ein Ausgabenzuwachs von 17
Prozent verzeichnet (Jahrestherapiekosten zwischen 38.000 und 50.000
Euro). "Deutschland kann gut darauf verzichten, Referenzland für europäische
Preisbildung zu sein", zeigt Schlenker sein Unverständnis für die
Arzneimittelpreise in unserem Land. Es sei an der Zeit, die
Arzneimittelpreisbildung vernünftig zu gestalten, ohne gleichzeitig
Innovationshemmnisse zu fördern. Ausdrücklich begrüßt er die Passage im
Referentenentwurf zum "Arzneimittelneuordnungsgesetz" (AMNOG), wonach
Schiedsverfahren zur Festlegung von Erstattungshöhen die Höhe des
tatsächlichen Abgabepreises in anderen europäischen Ländern
berücksichtigen sollen: "Die europäische Perspektive muss bereits
vorher Maßstab für die direkten Verhandlungen zwischen dem
Spitzenverband der Krankenkassen und den Pharma-Unternehmen sein. Das
wäre der Durchbruch für faire Preise und gute Verträge." Autor Prof. Dr. Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik der
Universität Bremen sieht neben echten Innovationen auch fragwürdige
Arzneimittel in den Top-20: "Wir können mit Arzneimitteln sparen, wir
können aber auch weiterhin an Arzneimitteln sparen." Das Mitglied im
bisherigen Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im
Gesundheitswesens äußerte erhebliche Zweifel am Zusatznutzen manch
seiner Meinung nach angeblich innovativer und viel verordneter
Arzneimittel. Das Einsparvolumen für drei bestimmte Präparate aus der Top-20-Liste
bezifferte Glaeske auf rund 50 Millionen Euro. Nach wie vor sieht der
Pharmaexperte große Effizienzreserven in einer gesteigerten
Generikaquote: "Hebt man den Anteil der Nachahmerprodukte von 81 auf 85
Prozent, bringt das 400 Millionen Euro." Weitere Einsparpotentiale
ergäben sich 2010/ 2011 mit dem Patentablauf von rund 60
patentgeschützten Wirkstoffen im Gesamtvolumen von rund 2,9 Milliarden
Euro. Für die Klasse patentgeschützter Arzneimittel ohne vergleichbaren
Zusatznutzen fordert er eine Kassenzulassung auf Zeit: "Der
tatsächliche Patientennutzen lässt sich nicht abschließend auf
Grundlage von Schnellbewertungen klären. Wir brauchen unbedingt ein
herstellerunabhängiges Prüfverfahren, das verlässliche Aussagen über
den Therapieerfolg unter alltäglichen Versorgungsbedingungen
ermöglicht. Die nachträgliche Kosten-Nutzen-Bewertung muss zur Pflicht
werden." Bestätige sich dann die vorläufige Einschätzung, könne der
Preis bleiben. Sei hingegen kein Zusatznutzen feststellbar, könne man
den vorläufigen Preis wieder absenken und die überzahlten Beträge an
die Kassen zurückerstatten. WANC 10.06.10, Quelle: BARMER GEK Arzneimittel-Report 2010





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/10_06_arzneimittel_report.php
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