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Der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung wird steigen (Foto: Stock photo)
> Krankenkassen: Wir werden mehr zahlen

Wie hieß es vor der Wahl so schön:
Mehr Netto vom Brutto. Der Slogan erweist sich als reine Makulatur. Von
den Versprechungen der Politiker bleibt wieder einmal nichts übrig.
Denn um die Kosten im Gesundheitswesen zu bezahlen, werden nicht
Ausgaben begrenzt oder Effizienzreserven gehoben, sondern an der
Einnahmenseite geschraubt. Das bedeutet: Wir, die Versicherten werden
zur Kassen gebeten. Die Beitragssätze werden steigen – voraussichtlich
auf 15,5 Prozent. Wir werden also alle mehr zahlen müssen.
Verschiedene Agenturen melden mit Hinweis auf Regierungskreise, dass
die schwarz-gelbe Koalition die Beiträge für die gesetzlichen
Krankenkassen erhöhen will. Dies sollen Regierungsvertreter auf einem
Spitzentreffen diskutiert haben. Ein entsprechender Beschluss soll
schon bald gefasst werden. Auch die Zusatzbeiträge zur gesetzlichen
Krankenversicherung sollen "weiterentwickelt" werden. Steigen sollen die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung auf
15,5 Prozent. Erst Mitte 2009 hatte die Regierung den Beitragssatz von
15,5 auf 14,9% - ein halbes Jahr nach Einführung des Gesundheitsfonds -
gesenkt. Notwendig wird laut Bundesregierung die Rückkehr zu den ehemaligen
Beitragshöhen, um das drohende Rekorddefizit der Gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) aufzufangen. Erwartet werden gut 11 Mrd.
Euro. 4 Mrd Euro sollen über Sparpakete – wie das Arzneimittelsparpaket
– herein geholt werden. Rund 5 Mrd. sollen über Zusatzeinnahmen und 2
Mrd. Euro über einen zusätzlichen, jedoch einmaligen Steuerzuschuss
aufgebracht werden. Die Einigung sei „sehr, sehr nah“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer. Er
gehe davon aus, dass auch die Arbeitgeber ihren Beitrag leisten
müssten. Im Gesundheitsministerium hieß es, Minister Philipp Rösler
(FDP) habe sich mit seiner Idee durchgesetzt, die Belastungen
gleichmäßig zu verteilen. Kanzlerin Angela Merkel hat uns in einem
RTL-Interview auf die steigenden Gesundheitskosten vorbereitet. Mit der Beitragserhöhung gerät das Versprechen der Koalition ins
Wanken, die Arbeitgeberbeiträge auf dem bisherigen Stand von 7,0
Prozent einzufrieren. Vom derzeitigen Beitragssatz von 14,9 Prozent,
zahlen Arbeitnehmer 7,9 Prozent. Mit der Erhöhung würden die
Lohnzusatzkosten wieder auf mehr als 40 Prozent steigen, berichet der
Tagesspiegel. Der Arbeitgeberverband BDA kritisierte das Vorhaben vehement: „Wer
jetzt höhere Beiträge plant, gefährdet die wirtschaftliche Erholung.“
Neue Belastungen für Wirtschaft und Arbeit seien Gift. Statt die
Lohnzusatzkosten durch Beitragserhöhungen zu erhöhen, müsse „endlich
der Einstieg in die Entkopplung der Gesundheitskosten vom
Arbeitsverhältnis gelingen“. Dagegen forderte der DGB forderte, die Erhöhungen allein den
Arbeitgebern zu übertragen. Und die Opposition straft die Pläne als
„größte gemeinsame Einfallslosigkeit“ ab. Diese seien ein
„Armutszeugnis“. Statt bei den Ausgaben zu sparen, belaste man
Arbeitnehmer doppelt. . Änderungen sind auch bei den Zusatzbeiträgen angesagt. Die Höchstgrenze
des Krankenkassen-Zusatzbeitrags soll nach Informationen der
«Frankfurter Rundschau» vom kommenden Jahr an von einem Prozent des
Einkommens auf zwei Prozent verdoppelt werden. Der maximale Beitrag
würde durch die Anhebung dieser sogenannten Überforderungsklausel von
37,50 auf 75 Euro steigen. Analog dazu solle auch der Betrag, bis zu dem es keine
Einkommensprüfung gibt, von 8 auf 12 oder 16 Euro angehoben werden.
Erst ab einem Zusatzbeitrag in dieser Höhe könne ein Versicherter also
künftig die Überforderungsklausel geltend machen. Diese Pläne bringen den SoVD-Präsident Adolf Bauer zum Kochen:
”Der
Vorschlag der Bundesregierung, nach Einkommen gestaffelte
Zusatzbeiträge einzuführen, geht über die bisherige einseitige
Belastung der Patienten und Versicherten weit hinaus. Werden diese
Pläne Wirklichkeit, setzt die Bundesregierung die Axt an die
gesetzliche Krankenversicherung und tut alles dafür, dass sie
regelrecht gefällt wird. Durch einen gestaffelten Zusatzbeitrag werden
enorme Anreize dafür geschaffen, dass freiwillig gesetzlich
Krankenversicherte die Solidargemeinschaft verlassen und in die private
Krankenversicherung wechseln. Damit wären dem absehbaren Niedergang der
solidarischen Krankenversicherung Tür und Tor geöffnet. Angesichts des Finanzlochs in der gesetzlichen Krankenversicherung sind
jetzt vorrangig durchgreifende Maßnahmen auf der Ausgabenseite das
Gebot der Stunde. Auch muss endlich Schluss sein mit den jahrelangen
Attacken auf die Einnahmeseite - allein der fortwährende Ausbau des
Niedriglohnsektors hat der gesetzlichen Krankenversicherung schwer
zugesetzt. Vielmehr ist eine Stabilisierung der Einnahmeseite geboten,
z. B. indem die Bundesagentur für Arbeit bei Arbeitslosigkeit volle
Beiträge leistet.”

 WANC 05.07.10, Quelle: Frankfurter Rundschau, FinanzNachrichten.de, Tagesspiegel
 
 
 
 
 
 
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