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Krankenkassen können künftig Zuatzbeiträge, die unabhängig vom Einkommen sind, in der Höhe selbst bestimmen (Foto: Stock photo)
> Was sich in der Krankenversicherung ändert

Mit großem Tamtam wurde die erneute
Reform der Gesundheitsgesetzgebung angekündigt. Und vollzogen.
Tatsächlich ändert sich für die gesetzlichen Krankenversicherten
einiges ab dem 1.1.2011. Was sich nach wie vor nicht ändert: Es wird
mal wieder teurer.
“Mit unseren Reformen haben wir die Voraussetzungen geschaffen, dass
den Menschen auch künftig unser solidarisches und qualitative
hochwertiges Gesundheitssystem zur Verfügung stehen wird.” Die großen
Worte macht Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler, seines
Zeichens Arzt. Doch große Worte machen noch keine großen Reformen. So ist es auch
dieses Mal. Was als großer Wurf verkauft werden soll, entpuptt sich bei
näherem Hinsehen als das, was Vorgängerregierungen auch schon geschafft
haben: Es wird an Symptomen herum gedocktert, die wahren Problem werden
nicht angegangen. Die Versicherten müssen das bezahlen. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Denn mit Zusatzbeiträgen, deren Höhe keine Limits mehr kennen, ist der
Griff in die Taschen der Versicherten vorprogrammiert. In diesem
Zusammenhang versteht man dann auch die Einlassungen des
Gesundheitsministers in einer Fernsehsendung endlich richtig, als er
dazu befragt wurde, was denn aus dem “mehr Netto vom
Brutto”-Wahlversprechen geworden sei. Rösler entgegnete dazu, dass mehr
Netto vom Brutto in den Kassen der Arbeitnehmer dafür sorge, dass sie
mehr für ihren Krankenschutz bezahlen könnten.

Die Änderungen:


Der Beitragssatz
Der allgemeine Beitragssatz zur Gesetzlichen Krankenversicherung wurde
auf 15,5 Prozent erhöht. Damit wurden die Senkungen von vor der Finanz-
und Wirtschaftskrise wieder zurück genommen. Arbeitnehmer und Rentner
zahlen einen höherern Anteil: insgesamt 8,2 Prozent ihres
beitragspflichtigen Einkommens bzw. ihrer Rente. Der Anteil der
Arbeitgeber bzw. Rentenversicherungsträger ist auf 7,3 Prozent begrenzt.

Einkommensunabhängige Zusatzbeiträge
Krankenkassen können künftig selbst über die Höhe des
Zusatzbeitrages entscheiden. Er ist nicht begrenzt und wird als
einkommensunabhängiger Betrag in Euro erhoben. Der
Zusatzbeitrag ist für alle Mitglieder einer Krankenkasse also gleich
hoch. Kritiker stellen in diesem Zusammenhang die Frage der sozialen
Gerechtigkeit.

Sozialausgleich
Diese soziale Gerechtigkeit soll der Sozialausgleich herstellen. Er
will sich am durchschnittlichen Zusatzbeitrag orientieren. Übersteigt
der durchschnittliche Zusatzbeitrag zwei Prozent der
beitragspflichtigen Einnahmen eines Mitglieds, so greift der
automatisch vom Arbeitgeber oder Rentenversicherungsträger
durchzuführende Sozialausgleich, der aus Steuermitteln finanziert wird:
Der einkommensbezogene Krankenversicherungsbeitrag des Mitglieds wird
um den Betrag der Überforderung – also den Differenzbetrag aus
durchschnittlichem Zusatzbeitrag und zwei Prozent der
beitragspflichtigen Einnahmen – reduziert. Das ausgezahlte Einkommen
ist entsprechend höher. Der Schätzerkreis beim Bundesversicherungsamt
berechnet jährlich, wie hoch der durchschnittliche Zusatzbeitrag für
das Folgejahr sein wird. Weil er für das Jahr 2011 bei Null Euro liegt,
kommt in diesem Jahr noch niemand in den Genuß des Ausgleichs, den wird
es 2012 geben.

Beitragsbemessungsgrenze
Die liegt 2011 bei 3.712,50 Euro im Monat bzw. 44.550 Euro im Jahr. Das
ist der Einkommensbetrag bis zu dem Krankenversicherungsbeiträge
berechnet werden. Alles, was darüber ist, bleibt beitragsfrei.

Wechsel in die Private Krankenversicherung
Der Wechsel von der Gesetzlichen in die Private Krankenversicherung
(PKV) wurden vereinfacht. Er ist bei einem Jahreseinkommen von über
49.500 Euro möglich. Da diese Regelung bereits zum 31.12.2010 in Kraft
tritt, kann ein Wechsel zur PKV schon ab dem 01.01.2011 erfolgen, wenn
das anteilige Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers die
Versicherungspflichtgrenze im Jahr 2010 überschritten hat und auch im
Jahr 2011 überschreiten wird. Darüber hinaus können bisher privat
Versicherte in der PKV bleiben, die nach der Eltern- oder Pflegezeit
eine Teilzeitbeschäftigung aufnehmen und ein Einkommen unterhalb der
Versicherungspflicht beziehen. Dabei muss die Arbeitszeit mindestens um
die Hälfte reduziert sein. Ein Antrag auf Befreiung von der
Versicherungspflicht ist innerhalb von drei Monaten bei der
Krankenkasse zu stellen, an die die Sozialversicherungsbeiträge
abgeführt werden.

Kostenerstattung
Versicherte können sich dafür entscheiden, die Arztrechnung selbst zu
bezahlen und dann später bei ihrer Kasse zur Erstattung einzureichen.
Die Abschläge, die die Kasse dabei vornehmen darf, betragen maximal
fünf Prozent und dürfen sich lediglich auf die Verwaltungskosten
beziehen. Die Zeitdauer, auf die man sich mindestens für die
Kostenerstattung festlegen muss, beträgt ein Kalendervierteljahr.

Wahltarife
Die Mindestbindungsfrist für die Tarife „Prämienzahlung“,
„Kostenerstattung“ und „Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen“
wurde auf ein Jahr reduziert. Auch bei Wahltarifen gibt es ein
Sonderkündigungsrecht – immer dann, wenn die Krankenkassen einen
Zusatzbeitrag erstmals erhebt, ihn anhebt oder ihre bisherige
Prämienzahlung verringert. Für die Dauer der Mindestbindungsfrist gilt
das Sonderkündigungsrecht nicht beim Wahltarif Krankengeld.

Kostenerstattung bei Arzneimitteln
Medikamente, die im Rahmen von Rabattverträgen abgegeben werden,
unterscheiden sich in der Qualität nicht von anderen Arzneimitteln.
Dennoch kann es Gründe für Patienten geben, sich bewusst für ein
anderes Präparat zu entscheiden. Ab dem 01.01.2011 können die
Versicherten frei wählen und sich auch für ein anderes als das
rabattierte Medikament ihrer Kasse entscheiden. Wer diesen Weg gehen
möchte, bezahlt zunächst sein Wunschmedikament aus eigener Tasche. Dann
kann er sich von seiner Krankenkasse einen Teil der Kosten erstatten
lassen: nämlich den Betrag, den sie für ein entsprechendes Mittel aus
einem Rabattvertrag gezahlt hätte. WANC 04.01.11, Quelle: BMG
 
 
 
 
 
 
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