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Gesundheitsminiser Rösler will unbedingt die Kopfpauschale einführen (Foto: philipp-roesler.de)
> Gesundheitsreform: Kampf um die Kopfpauschale

Der von der Regierungskoalition
vereinbarte Systemwechsel im Gesundheitswesen fällt schwer. Leere
Kassen, hohe Staatsschulden und milliardenschwere Verpflichtungen
verhindern durchgreifende Änderungen. Jetzt soll die Kopfpauschale im
Miniformat eingeführt werden. Doch die Gegner – selbst aus den eigenen
Reihen – formieren sich. Ob die Pläne von Gesundheitsminister Dr.
Philipp Rösler umgesetzt werden, bleibt fraglich.
Gesundheitsminister Rösler hatte sie gerufen. Die Regierungskommission
zum Thema Gesundheit. Und sie tagte. Als erstes legte sie Vorschläge
zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes vor, die den Pharmaunternehmen
höhere Rabatte abverlangt, die Preise für Medikamente einfriert und
künftig härtere Regeln und Beschränkungen für die Erstattung von neuen
Medikamenten vorsieht. Diese Eckpunkte zur Arzneimittelversorgung hat
das Kabinett bereits beschlossen, jetzt berät der Bundestag darüber. Dieser erste Gang fiel noch relativ leicht. Doch dann machte sich die
Kommission und der Minister – selbst Arzt – daran, die Finanzierung des
Gesundheitssystems neu zu gestalten. Schon die Beratungen brachten die
unterschiedlichen Standpunkte hart aneinander. Denn Rösler will unter
allen Umständen die Kopfpauschale durchsetzen. Kopfpauschale bedeutet,
dass jeder den gleichen Krankenkassenbeitrag bezahlt. Unabhängig von
der Höhe seines Einkommens. Sozial Schwache, die die Prämie nicht
aufbringen können, soll über Steuermittel ein Sozialausgleich zukommen.
Der Minister betonte am Rande der dritten Sitzung der
Regierungskommission denn auch, dass die Notwendigkeit zur Veränderung
der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe
unverändert fortbestehe. Das sehen zwar viele auch so, doch ob die Kopfpauschale der richtige
Weg ist, das bleibt heftig umstritten. Die CSU beispielsweise lehnt sie
ab, weil sie unsozial sei. Auch die Oppositionsparteien, die
Gewerkschaften und viele Sozialverbände halten die Pauschale für
ungerecht. Selbst aus der CDU und der FDP dringt mittlerweile Kritik an
dem Konzept. Rösler ficht das nicht an. Er will auf die Kopfpauschale nicht
verzichten. Deshalb hat er jetzt einen neuen Plan vorgelegt. Demnach
soll es eine Mini-Kopfpauschale in Höhe von 30 Euro geben, die jeder
gesetzlich Krankenversicherte zu zahlen hat. Egal wie viel er verdient.
Zusätzlich bleibt aber ein einkommensabhängiger Beitrag, der
wahrscheinlich von derzeit 7,9 auf 7,3% gesenkt werden soll. Bei sozial
Schwachen solle dieser Satz auf bis zu 5% gesenkt werden können. Der
notwendige Sozialausgleich, auf rund 6 Mrd. Euro geschätzt, soll über
Steuermittel erfolgen. Die Arbeitgeber sollen künftig mehr zahlen:
Statt bisher 7 künftig 7,3%. Es gibt kaum jemanden, dem dieses Modell wirklich gefällt. Bayerns
Gesundheitsminister Markus Söder krittelte, dass Mitteschicht und
Arbeitgeber belastet würden und niedrige Einkommen nicht entlastet. Für
die Linken ist Röslers Vorschlag ein Einstieg in den Ausstieg aus dem
solidarischen Gesundheitssystem. Auch der Deutsche Industrie- und
Handelskammertag (DIHT) lehnt ihn ab, weil er den Aufschwung abwürge. Auch ein Grund für die harsche Ablehnung ist das bürokratische und
schwierige Verfahren der Kopfpauschale. Das Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung und
das Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE)
der Universität zu Köln haben errechnet, dass die administrative
Abwicklung jährlich 250 Mio. Euro kosten würde. Krankenkassen und Opposition fordern, auch an den Ausgaben zu
schrauben. So hat Dr. Doris Pfeiffer, Chefin des GKV-Spitzenverband,
vorgeschlagen bei Arzthonoraren und Ausgaben für Krankenhäuser rund 4
Mrd. Euro zu sparen. Sollte Rösler auf diese Forderungen eingehen, steht ihm noch mehr Ärger
ins Haus. Schon jetzt ist völlig offen, ob seine Vorschläge überhaupt
zum Zuge kommen. Nach Einschätzung vieler Zeitungen steht die Koalition
wegen der Rösler-Pläne vor einer Zerreißprobe. WANC 03.06.10, Quelle: BMG, Deutsches Ärztesblatt, Financial Times
 
 
 
 
 
 
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