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Korruption im Gesundheitswesen spürt Transparency auf
> Korruption im Gesundheitswesen: Milliarden verschwinden

Transparency International hat Korruption und fehlende Transparenz im deutschen Gesundheitswesen kritisiert. Es sei „äußerst intransparent, kleinteilig interessengeleitet und damit korruptionsanfällig“, heißt es in einem Grundsatzpapier der Anti-Korruptions-Organisation. „Durch unwirtschaftliche, verschwenderische und unsaubere Praktiken gehen jedes Jahr Unsummen an Versichertengeldern verloren“, erklärte das Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland, Anke Martiny.

Transparency Deutschland kritisiert vor allem die unklare Vergabepraxis bei den Rabattverträgen der gesetzlichen Krankenkassen, den unzureichend regulierten Vertrieb von Arzneimitteln und deren Rohstoffen sowie die fehlende Transparenz in der Arbeit und die Abhängigkeiten von der Pharmaindustrie der Europäischen Zulassungsbehörde für Arzneimittel. Unsummen an Versichertengeldern würden jedes Jahr so verloren gehen. Experten des European Healthcare Fraud and Corruption Network schätzen überall in Europa Verluste zwischen drei und zehn Prozent des Gesundheitsbudgets.

Transparancy moniert, dass sich als höchst problematisch die durch das GKV-WSG (GKV-WettbewerbsStärkungsGesetz) erlaubten Rabattverträge  zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und Herstellerfirmen herausgestellt hätten: „Sie sollten den Wettbewerb fördern und die Arzneimittelkosten senken. Da die Bedingungen solcher Verträge aber für Ärzte und Patienten nicht einsehbar sind, bringen sie für die Ärzte lediglich zusätzliche Bürokratie und möglicherweise Regressmaßnahmen mit sich. Den Pharmaherstellern aber ermöglichen sie, Mitarbeiter der gesetzlichen Krankenkassen durch geeignete Maßnahmen quasi zu Marketing-Agenten für fragwürdige und bedenkliche Pharma-Produkte zu machen, indem sie Kassenvertreter zu Rabattverträgen für solche fragwürdigen Produkte veranlassen. Die Kosten für diesen Zuwachs an korruptionsfördernder Intransparenz tragen vor allem die Versicherten, wenn ihre Ärzte über Rabattverträge mit den Kassen gezwungen sind, anstelle auf dem Markt verfügbarer preiswerter Generika von den Herstellern rabattierte, aber trotzdem immer noch überteuerte Markenprodukte zu verordnen. Diese Geschäfte sind deshalb möglich, weil die Rabattverträge nicht offen gelegt werden müssen und so die fachöffentliche Kontrolle entfällt.“

Transparency mahnt außerdem an, dass Transparenzregeln für den geplanten Gesundheitsfonds immer noch ausstehen. Die Befürchtung: Es sei nicht auszuschließen, dass die höheren Krankenversicherungsbeiträge nach der Einführung des Gesundheitsfonds wie bisher zu einem erklecklichen Batzen in den falschen Taschen verschwinden, weil kein öffentlich kontrollierbarer Ausgleichsmechanismus zwischen armen und reichen Kassen etabliert wird und damit der solidare Ausgleich der Lasten misslingt.

Auf der Agenda der zu rügenden Zustände findet sich darüber hinaus:
• Kein effektives Haftungsrecht mit Umkehr der Beweislast im Schadensfall im Medizinbereich (Verursacherprinzip).
• Gesundheitsgefährdende Globalisierungsfolgen durch intransparente Vertriebswege
• Vorrang wirtschaftlicher Interessen vor dem Gesundheitsschutz auf europäischer Ebene

WANC 18.06.08

 
 
 
 
 
 
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