Luftverschmutzung und Feinstaub durch Autoabgase verursachen weltweit Millionen von verlorenen gesunden Lebensjahren  (Foto: Martina Böhner / pixelio.de)
Luftverschmutzung und Feinstaub durch Autoabgase verursachen weltweit Millionen von verlorenen gesunden Lebensjahren (Foto: Martina Böhner / pixelio.de)
> Feinstaub ist ein Killer, über den am liebsten geschwiegen wird

Auch wenn es manche nicht wahr haben wollen: Feinstaub und Luftverschmutzung kosten Gesundheit und Leben. Das Health Effects Institute (HEI), Boston, hat jetzt Daten aus Satellitenbildern, die die Schadstoffbelastung zeigen, sowie aus Bevölkerungsstudien verglichen und ausgewertet. Demnach kostet Feinstaub weltweit etwa 4,2 Mio. Menschen das Leben und ist damit der fünfthäufigste Sterbegrund.


Wie heikel und ungeliebt das Thema bei Politikern ist, beweist exemplarisch ein Bericht in der Stuttgarter Zeitung (Gesundheitsminister Manfred Lucha: Die Scheu vor dem Thema Feinstaub, 6.3.2017). Darin wundert sich der Autor Andreas Müller, dass sich zu einem der derzeit meistdiskutierten und politisch brisantesten Gesundheitsthemen im ministeriellen Internetauftritt der obersten Gesundheitsbehörde des Landes Baden-Württemberg nichts findet. Auf eine Anfrage von drei Verbänden zu dem Thema, wurde diese vom Gesundheitsminister zuerst „zuständigkeitshalber an das Verkehrsministerium abgegeben“. Später dann zurück gerudert und betont, dass die „Landesregierung für die Feinstaubthematik in Gänze zuständig sei“. Im übrigen könne man „zwar einen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen der Luftbelastung und dem Auftreten von konkreten Krankheitsbildern erkennen. Der wissenschaftliche Nachweis dafür mit Blick auf Atmungs-, Herz- oder Kreislauferkrankungen stehe aber noch aus – zumal sich sowohl Art als auch Partikelgröße von Feinstaub stark unterschieden“.


Wie der grüne Landespolitiker Lucha ducken sich viele Politiker gerne hinter einer vorgeschobenen Wissenschaftsdebatte weg. Denn die jetzt vorgelegte Studie, die Sterblichkeit und Erkrankungen in Bezug zur Luftverschmutzung setzen - und das weltweit über einen Zeitraum von 1990 bis 2015 - ist nicht die erste, die vor den extremen Gefahren von Feinstaub warnt. Doch es gibt wenige Untersuchungen, die das so umfangreich und grenzüberschreitend tun, wie die, die Wissenschaftler aus allen Teilen der Welt um den Studienleiter Aaron J. Cohen vom HEI nun vorlegen.


Die Auswertungen ergaben, dass Feinstaub für rund 4,2 (zwischen 3,7 und 4,8) Mio. Todesfälle verantwortlich ist und die Zahl der durch Luftverschmutzung verlorenen gesunden Lebensjahre etwa 101,1 (90,9 - 115,1) Mio. beträgt. Damit ist Feinstaub für 7,6% aller Todesfälle und für 4,2% aller verlorenen gesunden Lebensjahre weltweit verantwortlich. Das macht Feinstaub zum 5. gefährlichsten Gesundheitskiller in der Welt. Die präsentierten Zahlen bedeuten  eine Steigerungsrate zwischen 1990 (3,5 MIo. Todesfälle durch Feinstaub) und 2015 von 20%. 


Ein weiteres Ergebnis der Studie: Die Luftverschmutzung aus Feinstaub und Ozon verursacht 17,1% der ischämischen Herz­erkrankungen, 14,2% der zerebrovaskulären Erkrankungen, 16,5% der Lungenkrebsfälle, 24,7% der unteren Atemwegsinfektionen und 27,1% der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen.


Wie gefährlich Feinstaub ist, das betont auch das Umwelt Bundesamt - im übrigen auch für Minister aller Parteien jederzeit im Internet einsehbar - immer wieder: „PM10 kann beim Menschen in die Nasenhöhle, PM2,5 bis in die Bronchien und Lungenbläschen und ultrafeine Partikel bis in das Lungengewebe und sogar in den Blutkreislauf eindringen. Je nach Größe und  Eindringtiefe der Teilchen sind die gesundheitlichen Wirkungen von Feinstaub verschieden. Sie reichen von Schleimhautreizungen und lokalen Entzündungen in der Luftröhre und den Bronchien oder den Lungenalveolen bis zu verstärkter Plaquebildung in den Blutgefäßen, einer erhöhten Thromboseneigung oder Veränderungen der Regulierungsfunktion des vegetativen Nervensystems (Herzfrequenzvariabilität).“


Beängstigen kann einen, dass die Leugner des Klimawandels - wie die neue US-Regierung um Präsident Donald Trump - mit ihrer Weigerung, die Klimaschutzbestimmungen zu erfüllen, die Folgen der Luftverschmutzung noch verschlimmern. In einem Interview des Deutschlandradio warnt Lungenspezialist Christian Witt (Länderreport, Beitrag vom 11.04.2017), dass sich durch den Klimawandel die Feinstaubbelastung in den Städten weiter erhöhen werde. Denn dort werde es wärmer werden und die Luft wegen der Trockenheitsproblematik belasteter.


Was ist Feinstaub? Eine Aufklärung des Umwelt Bundesamtes: 


Feinstaub besteht aus einem komplexen Gemisch fester und flüssiger Partikel und wird abhängig von deren Größe in unterschiedliche Fraktionen eingeteilt. Unterschieden werden PM10 (PM, particulate matter) mit einem maximalen Durchmesser von 10 Mikrometer (µm), PM2,5 und ultrafeine Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 0,1 µm.


Unter dem Begriff Feinstaub werden der primär emittierte und sekundär gebildete Feinstaub zusammengefasst. Primärer Feinstaub wird unmittelbar an der Quelle freigesetzt, zum Beispiel bei Verbrennungsprozessen. Entstehen die Partikel durch gasförmige Vorläufersubstanzen wie Schwefel- und Stickoxide und Ammoniak, so werden sie als sekundärer Feinstaub bezeichnet.


Feinstaub wird vor allem durch menschliches Handeln erzeugt: Primärer Feinstaub entsteht durch Emissionen aus Kraftfahrzeugen, Kraft- und Fernheizwerken, Öfen und Heizungen in Wohnhäusern, bei der Metall- und Stahlerzeugung oder auch beim Umschlagen von Schüttgütern. Er kann aber auch natürlichen Ursprungs sein (beispielsweise als Folge von Bodenerosion). In Ballungsgebieten ist der Straßenverkehr die dominierende Staubquelle. Dabei gelangt Feinstaub nicht nur aus Motoren – vorrangig aus Dieselmotoren – in die Luft, sondern auch durch Bremsen- und Reifenabrieb sowie durch die Aufwirbelung des Staubes von der Straßenoberfläche. Eine weitere wichtige Quelle ist die Landwirtschaft: Die Emissionen gasförmiger Vorläuferstoffe, insbesondere die Ammoniakemissionen aus der Tierhaltung, tragen zur sekundären Feinstaubbildung bei.


cs 12.4.2017/ Quelle: The Lancet

 
 
 
 
 
 
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