Arzt und Patient
Gesundheitssystem: Die Forschungsinstitute fordern mehr Entscheidungsmöglichkeiten für den Versicherten (Foto: DAK)
> Herbstgutachten: Systemwechsel gefordert

Die großen
wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute haben das
Herbstgutachten vorgelegt. Von den Änderungen der
Gesundheitsreform erwarten sei keine Erhöhung von Transparenz
und Effizienz.


Die Forschungsinstitute DIW
Berlin, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung;
Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA): ifo Institut für
Wirtschaftsforschung an der Universität München; Institut
für Weltwirtschaft an der Universität Kiel; Institut für
Wirtschaftsforschung Halle und RWI Essen, Rheinisch-Westfälisches
Institut für Wirtschaftsforschung kritisieren, dass die Vorhaben
in den von der Regierung genannten vier essentiellen Bereichen, zu
denen auch die Reform des Gesundheitswesens zählt, weit hinter
dem zurückbleiben, was zur deutlichen Verbesserung der
Wachstums- und Beschäftigungsbedingungen erforderlich wäre.



Ein Grund für dieses
pessimistische Urteil ist, dass sich die Bundesregierung offenbar
nicht dazu durchringen könne, die Eingriffe des Staates dort
zurückzuführen, wo der Marktprozess bessere Lösungen
liefert, und mehr Eigenverantwortung zuzulassen. Dies zeige sich
besonders an der geplanten Gesundheitsreform. Nach wie vor werde von
der Bundesregierung hier eine wesentliche Aufgabe des Staates darin
gesehen, die Ausgaben bürokratisch zu lenken und durch diverse
Eingriffe, wie die Deckelung der Ausgaben und die Fixierung von
Preisen, zu begrenzen.



Die Institute fordern hier
einen Systemwechsel, der es den Bürgern mehr als bisher
überlässt, die Entscheidungen über Art und Umfang der
Versicherung selbst zu fällen. Stattdessen gebe es gerade bei
den Sozialversicherungen eine Vielzahl von Eingriffen, die
überwiegend verteilungspolitisch motiviert seien, wobei im
Unklaren bliebe, wer tatsächlich von der Umverteilung profitiere
und wer letztlich die Kosten trage.



Nach Einschätzung der
Institute werden die Beiträge zur gesetzlichen
Krankenversicherung steigen. An Letzterem dürfte auch die
geplante Gesundheitsreform nichts ändern. So habe wesentlich zur
Steigerung der Lohnnebenkosten seit Beginn der neunziger Jahre der
Anstieg der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung
beigetragen.



Zu begrüßen wäre
es nach deren Ansicht, die Wahlmöglichkeiten der Versicherten
durch die Einführung neuer Tarifformen zu erweitern. Allerdings
seien die hohen Versicherungsbeiträge wesentlich auf
Ineffizienzen im System zurückzuführen sowie auf die
erheblichen Aufwendungen für versicherungsfremde Leistungen, die
die Kassen übernähmen, aber an sich von den Steuerzahlern
zu tragen seien. Nach einer Berechnung des Sachverständigenrates
machen diese 45 Mrd. Euro aus. Allein für die freie
Mitversicherung der Kinder werden etwa 16 Mrd. Euro aufgewendet.



Die Wirtschaftlichkeit der
gesetzlichen Krankenversicherung solle durch Erhöhung der
Transparenz und Intensivierung des Wettbewerbs verbessert und der
bürokratischen Aufwand vermindert werden. Ferner sollten die
Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen zunehmend aus
Steuermitteln finanziert werden.



Die Institute sind aber
skeptisch, ob die skizzierte Konzeption wirklich zu mehr Effizienz
und Transparenz führt. Die Einrichtung des Gesundheitsfonds
verursache Kosten. Bürokratischer Aufwand entstehe auch dadurch,
dass der Beitragseinzug zunächst durch die Kassen erfolge, die
die Beiträge an den Gesundheitsfonds abführen, um dann
einen Pro-Kopf-Betrag unter Berücksichtigung eines
Risikostrukturausgleichs zu erhalten. Weitere Kosten dürften
durch die Verwaltung des Zusatzbeitrags entstehen, der auf 1 Prozent
des beitragspflichtigen Einkommens beschränkt werde und bei dem
Mindest- und Höchstbeträge gelten solle, was zudem den
Wettbewerb zwischen den Kassen mindere.



WANC 25.10.06

 
 
 
 
 
 
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