Titel Arzneiverordnungs-Report
Arzneiverordnungs-Report: Größe der festgestellten Einsparpotenziale wird von Pharmaindustrie und KBV bestritten
> Arzneiverordnungs-Report: Wirtschaftlicher verordnen

Der jährlich
erscheinende Arzneiverordnungs-Report verzeichnet einen starken
Anstieg bei den Arzneimittelausgaben. Als Kostentreiber sieht die
Studie die sogenannten Analogpräparate, das sind neue
Medikamente ohne erwiesenen Zusatznutzen. Mehr Wettbewerb im
Arzneimittelmarkt sei notwendig.


Die Ausgaben bei den
Arzneimitteln sind im Jahr 2005 wieder stark angestiegen. Mit einer
fast 17-prozentigen Steigerung beliefen sich die Mehrkosten durch
Medikamente auf 25,4 Mrd. Euro. Das entspricht einem Zuwachs von 3,6
Mrd. Euro. Mit diesem starken Neuanstieg sind die Arzneimittel wieder
der zweitgrößte Kostenfaktor der gesetzlichen
Krankenkassen (GKV). Sie liegen damit um 3,8 Mrd. Euro über den
ärztlichen Behandlungen, die sich insgesamt auf 21,6 Mrd. Euro
belaufen. Damit konnte der Trend einer Senkung der
Arzneimittelausgaben im Jahr 2004 (21,7 Mrd. Euro) nicht beibehalten
werden.



Dieser heftige Neuanstieg
hatte sich nach Einschätzung der beiden Herausgeber des
Arzneiverordnungs-Reports Prof. em. Dr. Ulrich Schwabe und Dr. Dieter
Paffrath bereits im vergangenen Jahr deutlich abgezeichnet. Mit ihrem
jährlich erscheinenden Report analysieren sie die Entwicklung
der Arzneimittelverordnungen in Deutschland. Die aktuelle Ausgabe mit
ihren Berechnungen für
das Jahr 2005 ist soeben im Wissenschaftsverlag Springer erschienen.



Die Herausgeber kommen dabei
zu dem Schluss, dass zwei Drittel des Kostenanstiegs durch
innovative und therapeutisch sinnvolle Arzneimittel in der
Krebstherapie (Zytostatika), Blutdrucksenker (Sartane) oder
Antibiotika bedingt sind. Ein Drittel, so Schwabe, beruhe jedoch auf
der Verordnung von teuren Analogpräparaten ohne therapeutischen
Zusatznutzen. Der starke Kostenanstieg bei den Analogpräparaten
hat nach Angaben des Reports dazu geführt, dass die
Einsparpotenziale im Jahre 2005 wieder auf 3,5 Mrd. Euro angestiegen
sind und damit um 600 Mio. Euro über dem Wert von 2004 (2,9 Mrd.
Euro) liegen.



Die größten
Kostenreserven verteilen sich 2005 in den drei
Arzneimittelmarktsektoren Analogpräparate, Generika und
umstrittene Arzneimittel wie folgt: bei
einer wirtschaftlicheren Verordnungsweise ohne therapeutischen
Qualitätsverlust könnten 1,6 Mrd. Euro durch die
Substitution von teureren Analogpräparaten eingespart werden. An
zweiter Stelle folgen die Generika mit einem Einsparpotenzial von 1,3
Mrd. Euro. Der dritte Sektor mit erheblichen Kostenreserven liegt bei
den umstrittenen Arzneimitteln mit 600 Mio. Euro.



Wie jedes wehren sich die
Angegriffenen gequält. Als "antiquarische Information über
das Jahr 2005" bewertete Henning Fahrenkamp,
Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der
Pharmazeutischen Industrie (BPI) den Report (AVR). Daraus die
Forderung nach zusätzlichen Sparmaßnahmen im
Arzneimittelbereich abzuleiten, sei unglaubwürdig angesichts der
seit April 2006 geltenden neuen gesetzlichen Regelungen durch das
Arzneispar-Gesetz (AVWG) und der geplanten Gesundheitsreform
(GKV-WSG). "Das alljährliche Ritual der Autoren des AVR,
die Politik zu immer weiteren Eingriffen in den Pharmamarkt zu
drängen und Marktzugangsbeschränkungen für innovative
Medikamente zu fordern, läuft ins Leere, weil keine neuen
Erkenntnisse in die Meinungsbildung einbezogen werden", so
Fahrenkamp. Die vorgebrachten Verallgemeinerungen gegen
die Pharmaindustrie zielten lediglich darauf ab, die Veröffentlichung
des AVR zu promoten, erklärte Fahrenkamp.



"Der
Arzneiverordnungsreport (AVR) arbeitet mit veralteten Daten, die der
Wirklichkeit nicht mehr entsprechen. Bezogen auf die Generikapreise
war er bereits bei Drucklegung Makulatur." Dies erklärte
Hermann Hofmann, Erster Geschäftsführer von Pro Generika,
am Donnerstag in Berlin. "Wider besseres Wissen wurde im AVR
kritisiert, dass die deutschen Generikapreise zu teuer seien."
Als Beispiel wurde ausgerechnet der Preisunterschied zwischen
Großbritannien und Deutschland angeführt. "Die
Realität sieht jedoch völlig anders aus", kritisierte
Hofmann. "Zwischen März und Juli wurden die Preise für
Generika von den Herstellern im Durchschnitt um 20 Prozent gesenkt.
Bei einzelnen Wirkstoffen lagen die Preissenkungen sogar über 50
Prozent. Als Ergebnis hat Deutschland heute die niedrigsten
Generikapreise unter den Top5 Pharmamärkten Europas. Dies belegt
eine unabhängige Preisvergleichsstudie vom IMS Health. Mit 16
Cent pro Tablette sind Generika danach bei uns im Schnitt um 16
Prozent günstiger als in Großbritannien."



"Theorie und Praxis
sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Es ist bedauerlich, dass die
öffentliche Darstellung des Arzneiverordnungsreports
ausschließlich in theoretisch berechneten Milliardenzahlen
gipfelt, die als nicht genutzte Einsparpotenziale hingestellt
werden." Das erklärte Ulrich Weigeldt, Vorstand der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) "Den Rückgang
in der Verordnung von umstrittenen
Arzneimitteln mit dem Anstieg bei der Verschreibung von
Innovationen zu verrechnen, zeugt nicht von guter
wissenschaftlicher Praxis."
Das habe bereits der Arzneimittel-Atlas des Instituts für
Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) detailliert
ausgeführt. "Dessen
Autoren haben eindeutig nachgewiesen: Mehrausgaben im
Gesundheitswesen beruhen auf einer verbesserten
Versorgung von schwer- und
schwerstkranken Patienten", führte der KBV-Vorstand aus.



WANC 20.10.06

 
 
 
 
 
 
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