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Pflegenotstand im Krankenhaus: Zu wenige Pflegekräfte für immer mehr Patienten (Foto: Stock photo)
> Chronischer Pflegemangel im Krankenhaus

Die Studie „Pflege-Thermometer 2009“
belegt, dass seit 2008 weniger als eine Stelle pro Krankenhaus in
Deutschland zusätzlich geschaffen wurde. Dagegen hat sich die Zahl der
behandelten Patienten kontinuierlich erhöht. Die Folge: Eine steigende
Belastung der Beschäftigten und zunehmende Mängel in der
Patientenversorgung. Da die Ausbildungskapazität in der Krankenpflege
seit Jahren sinkt und der Markt „wie leer gefegt ist“, fragen sich die
Autoren der Studie, wie in den kommenden Jahren der steigende Bedarf an
Pflegekräften gedeckt werden kann.
„Das, was in den vergangenen Jahren bei den Krankenhausärzten mit einem
deutlichen und anhaltenden Ausbau von mehr als 20.000 Stellen richtig
gemacht wurde, ist bei der Krankenhauspflege durch einen massiven
Stellenabbau schief gelaufen und wird nun immer folgenschwerer für die
Beschäftigten und die Patienten!“, kritisiert Projektleiter Prof.
Michael Isfort vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung
e.V. (dip). Das Institut hat die Ergebnisse einer Befragung unter
Pflegekräften in Deutschland vorgestellt. Mehr als 10.000 in
Krankenhäusern beschäftigte Gesundheits- und Krankenpfleger beteiligten
sich an der Studie. Die Studie zeigt, dass der massive Stellenabbau in der Pflege zu einer
deutlichen Ausdünnung und statistischen Überalterung der Personaldecke
in der Pflege mit der Folge hoher Arbeitsbelastungen bei steigenden
Patientenzahlen geführt hat. Das noch von der ehemaligen
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt Anfang 2009 aufgelegte
Sonderprogramm für bis zu 17.000 zusätzliche Pflegekräfte im
Krankenhaus zeigt in der Untersuchung noch keine Wirkung. In den Jahren 1996 bis 2008 wurden insgesamt rund 50.000
Vollkraftstellen in der Krankenhauspflege abgebaut. Das war ein Minus
von 14,2 % oder jede siebte Stelle. Seit dem Jahr 2005 ist eine
Abschwächung dieses Trends erkennbar, im Jahr 2008 zeigt sich erstmals
eine Änderung. Bundesweit wurden in 2008 in den allgemeinen
Krankenhäusern 1.840 Vollkräfte zusätzlich im Pflegedienst beschäftigt.
Das entspricht einem Personalaufbau um 0,7%. Umgerechnet auf die
Versorgungseinrichtungen bedeutet dies, dass weniger als eine Stelle
pro Krankenhaus in Deutschland zusätzlich geschaffen wurde. Ob damit
auch eine Trendwende vollzogen wird, kann auf der Grundlage der
vorliegenden Daten noch nicht beantwortet werden. Ein weiterer
Personalabbau scheint aber zunächst gestoppt. Die Zahl der behandelten Patienten hat sich indes kontinuierlich erhöht
(seit 1995 um 12,1 %). Im Jahr 1995 wurden rund 15.6 Mio. Fälle in
allgemeinen Krankenhäusern behandelt, im Jahr 2008 waren es bereits
17.5 Mio. Auch bei Verkürzung der durchschnittlichen Verweildauer auf
nunmehr 8,1 Tage hat sich die Pflegekraft-Patienten-Relation seit 2007
noch einmal von 59 auf 61,5 Fälle pro Pflegekraft verändert. Das zeigt
sich: 40% der Befragten haben zwischen 46 und 70 Überstunden geleistet. Laut Studie lassen sich daraufhin inzwischen insbesondere Mängel bei
Pflegeleistungen wie einer angemessenen Überwachung von verwirrten
Patienten, Mobilisierung und fachgerechte Lagerung von
bewegungseingeschränkten Patienten, Gesprächshäufigkeiten, Betreuung
Schwerstkranker und Sterbender sowie Unterstützung bei der
Nahrungsaufnahme beschreiben. Selbst bei Medikamentengaben,
Verbandswechseln und Hygienemaßnahmen sind es jeweils etwas mehr als
die Hälfte der Befragten, die Fehler aufgrund von hoher
Arbeitsbelastung nicht ausschließen konnten. In der Studie wurde auch
nachgewiesen, dass besonders hoch belastete Pflegekräfte höhere
Fehlerquoten in allen Leistungsbereichen angaben. Damit wurde laut
Institut ein direkter Zusammenhang zwischen abnehmender Pflegekapazität
und vermehrten Risiken für die Patienten sichtbar. Lichtblicke zeigen sich hingegen im veränderten Verständnis und den
Perspektiven im Pflegeberuf. Isfort betonte, „dass die verbliebenen
Pflegekräfte sehr professionell darangehen, die Versorgung für alle
Patienten trotz der schwierigen Bedingungen so gut wie irgend möglich
aufrecht zu erhalten“. Insbesondere die jüngeren Pflegekräfte gehen mit
guten Entwicklungsmöglichkeiten in den Beruf und trotzen somit den
schwierigen Arbeitsbedingungen. Unter anderem strebt jede zweite
Pflegekraft unter 25 Jahren eine akademische Weiterqualifizierung an.
Zugleich wird von den Autoren kritisiert, dass so gut wie nichts für
einen Verbleib der älteren Mitarbeiter über 50 Jahrein der
Krankenhauspflege getan wird. „Das ist schon eine erschreckende
Tatenlosigkeit, die wir hier beschreiben müssen“, so Isfort. Kurzfristige Änderungen des Personalmangels in der Krankenhauspflege
erscheinen nach den vorliegenden Erkenntnissen indes kaum möglich, da
nicht genügend ausgebildet wird und der Arbeitsmarkt quasi leer gefegt
ist. Es herrsche bereits in einigen Regionen Deutschlands ein akuter
Fachkräftemangel. Denn zeitgleich steigen die Bedarfe der häuslichen
Pflege und der Altenheime nach qualifiziertem Personal ebenfalls an.
Außerdem werde in den kommenden Jahren eine größere Zahl älterer
Mitarbeiter aus dem Dienst im Krankenhaus ausscheiden und müsse ersetzt
werden. Die Probleme könnten die Krankenhäuser der Studie zufolge alleine nicht
lösen. Isfort: „Hier sind alle verantwortlichen Kräfte der
Gesundheitspolitik von Bund und Ländern, Gewerkschaften, Verbände und
Kostenträger gemeinsam mit den Krankenhäusern gefragt, in einer
konzertierten Aktion den sich abzeichnenden Kollaps zu vermeiden“. WANC 20d.05.10, Quelle: Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V.
 
 
 
 
 
 
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