Foto: DAK/Schläger
Die ärztlichen Sprechstunden sind in Deutschland pro Patient um 30 % kürzer als im europäischen Durchschnitt
> Wenig Zeit für Patienten, hohe Kosten für Medikamente

Deutschland hat eines der besten Gesundheitsversorgungssysteme der Welt. Sagt jedenfalls eine Studie. Doch die sieht auch Probleme: So sind Medikamente bei uns teurer als in jedem anderen europäischen Land. Und deutsche Ärzte/innen bringen die wenigste Zeit für ihre Patienten/innen auf. Außerdem benötigten alle mehr unabhängiges Wissen über neue Behandlungen.

"Zwar haben die Deutschen einfachen Zugang zu neuen "innovativen" Therapien - ob diese allerdings immer besser sind als die lang bewährten Maßnahmen, ist häufig unklar", behauptet Prof. Dr. med. Peter Sawicki vom deutschen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). "Nicht jede neue Technologie stellt notwendigerweise einen Fortschritt dar. Zudem bedeuten schlechtere Therapien für Patientinnen und Patienten das Risiko schlechterer Behandlungsergebnisse. Vor ihrem breiten Einsatz sollten innovative Behandlungen daher zunächst unter Praxisbedingungen ausreichend getestet werden."

Das ist im übrigen eine der Aufgaben des IQWiG, die ihm der Gesetzgeber zugedacht hat: Es soll prüfen, welche Therapien Fortschritte bringen und das zu einem Preis, der stimmt. Kritiker sehen das allerdings etwas anders – und darunter sind nicht nur Pharmaunternehmen sondern auch Ärzte und Selbsthilfegruppen. Die haben nämlich den Eindruck, dass das IQWiG eher verhindern soll, dass neue Therapien in die Erstattung der Krankenkassen aufgenommen werden. Also, dass das Institut weniger für die Steigerung der Qualität als für die Senkung von Kosten zuständig ist. 

Dass das IQWiG in seiner Analyse des deutschen Gesundheitswesens zu dem Urteil kommt, dass „Medikamente hier teurer als in jedem anderen europäischen Land sind“ wundert daher nicht. Und auch der Appell versteht sich: „In der täglichen Praxis ist der genaue Nutzen vieler medizinischer Maßnahmen unklar. Deutschland sollte daher mehr in die praxisrelevante klinische Forschung investieren und neuen Technologien gegenüber offen aber kritisch eingestellt sein, um sein Gesundheitssystem bezahlbar und leistungsfähig zu erhalten.“

Darüber hinaus fordert das IQWiG, bessere unabhängige Informationen über Unterschiede zwischen den verschiedenen Behandlungen für Ärzte und Patienten. Außerdem müsse mehr Zeit zur Verfügung stehen, um gemeinsam zu erörtern, welche Behandlung im konkreten Fall die beste ist.

Die ärztlichen Sprechstunden sind in Deutschland aber pro Patient um 30 % kürzer als im europäischen Durchschnitt und damit die kürzesten in Europa. Dennoch hätten deutsche Ärztinnen und Ärzte längere Arbeitszeiten. Einen Grund dafür nennt die Studie aber nicht. Die Forderung, dass Ärzte sich mehr Zeit für ihre Patienten nehmen müssen und dafür auch von den Kassen angemessen bezahlt werden, dürfte jeder Patient erfreut unterschreiben.

Die Erhebungen des IQWiG, die im übrigen im Zuge eines internationalen Vergleichs der Qualität der Gesundheitsversorgung in acht Ländern bei chronisch kranken Patientinnen und Patienten durchgeführt wurde, zeigt auch, nach den britischen und niederländischen die deutschen Patienten/innen am drittbesten gegen private Zuzahlungen geschützt waren. Niederländer und Deutsche hatten den besten Zugang zu medizinischer Notfallversorgung. Allerdings weisen die Ergebnisse auch darauf hin, dass sich außerhalb von Krankenhäusern mehr Behandlungsfehler ereignen.

WANC 19.11.08, Quelle: IQWiG

 
 
 
 
 
 
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