Geld
Die Praxisgebühr vermindert nicht die Zahl der Arztbesuche
> Praxisgebühr: Senkt Gesundheitskosten nicht

Die im Jahr 2004 eingeführte Praxisgebühr erfüllt ihren Sinn
anscheinend nicht. Denn sie trägt nicht dazu bei, die Kosten im
Gesundheitswesen zu dämpfen. Zwar findet eine Verlagerung von Arztbesuchen
statt, doch damit sinkt deren Häufigkeit nicht.


Gesetzlich Krankenversicherte gehen nach Einführung der
Praxisgebühr mit der gleichen Wahrscheinlichkeit zum Arzt wie zuvor. Dies ist
das Ergebnis einer Untersuchung des RWI Essen. Die Praxisgebühr führt offenbar
lediglich zu einer zeitlichen Verlagerung der Arztbesuche, trägt aber insgesamt
nicht zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen bei. Dies wäre nach Ansicht des
RWI eher beispielsweise von einer Gebühr zu erwarten, die zwar geringer ist,
dafür aber bei jedem Arztbesuch bezahlt werden müsste.



Verglichen wurden Umfrageergebnisse aus den Jahren 2003 und 2005, also aus der
Zeit vor und nach Einführung der Praxisgebühr von zehn Euro für den jeweils
ersten Arztbesuch im Quartal. Die Befragten sollten jeweils angeben, ob und wie
häufig sie in den vergangenen drei Monaten einen Arzt besucht hatten. Dabei
enthielt die Stichprobe von rund 20.000 Befragten sowohl gesetzlich
krankenversicherte Erwachsene als auch privat Krankenversicherte und
Jugendliche im Alter von 17 Jahren.



Da nur gesetzlich Versicherte die Praxisgebühr bezahlen,
dienten die beiden anderen Gruppen als Kontrollgruppen. Es zeigte sich, dass
sich die Wahrscheinlichkeit, in einem Quartal mindestens einen Arzt
aufzusuchen, innerhalb der drei Gruppen nicht signifikant änderte. Auch
unterschieden nach Geschlecht, Alter, Haushaltseinkommen, Region,
Bildungsabschluss oder Familienstand fanden sich keine signifikanten Effekte.



Unterschiede zeigten sich hingegen zwischen den untersuchten Gruppen. Demnach
ist die Wahrscheinlichkeit, in einem Quartal mindestens einen Arzt aufzusuchen,
für gesetzlich Krankenversicherte wesentlich höher als für privat
Krankenversicherte. Beide Gruppen gehen wiederum bedeutend häufiger zum Arzt als die Gruppe der
17-Jährigen.



Nicht untersucht wurde, wie und ob sich die zeitliche Verteilung der
Arztbesuche verändert hat. Zu vermuten ist, dass gesetzlich Krankenversicherte
versuchen, möglichst viele Arztbesuche in einem Quartal zu absolvieren, um die
Praxisgebühr voll auszunutzen. Somit werden die Arztbesuche nur zeitlich
verlagert, die Praxisgebühr verfehlt daher durch ihre Ausgestaltung das Ziel
der Kostensenkung. Wissenschaftliche Ergebnisse aus Nordamerika zeigen, dass
dieses Ziel besser durch eine Praxisgebühr erreicht werden könnte, die zwar
geringer ist, dafür aber bei jedem einzelnen Arztbesuch anfällt.



WANC 17.08.06

 
 
 
 
 
 
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