Krankenhausszene
Gesundheitsversorgung: Mehrheit der EU-Bürger vertraut eher dem Staat als der Privatwirtschaft
> Gesundheitsversorgung: Zufriedenheit sinkt europaweit

In Gesamteuropa sinkt die Zufriedenheit
mit dem jeweiligen Gesundheitssystem dramatisch. Und in Deutschland
liegt die Unzufriedenheit noch höher, besonders Kranke äußern
sich sehr kritisch. Dabei glauben die meisten, dass es der Staat
richten muss. Private Alternativen schenken Europäer nur wenig
Vertrauen.


In den meisten Ländern der EU-15
ist die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit ihrem
jeweiligen Gesundheitssystem seit Mitte der 90er Jahre drastisch
gesunken. In Deutschland fiel der Rückgang überdurchschnittlich
aus. Gleichzeitig hat sich im Durchschnitt der "alten"
EU-Staaten der Anteil der Einwohner erhöht, die dem Staat eine
umfassende Verantwortung für den Zugang zu Gesundheitsleistungen
zuweisen. Zu diesem Ergebnis kommt Dr. Claus Wendt vom Mannheimer
Zentrum für Europäische Sozialforschung an der Universität
Mannheim.



Wendt wertete die Eurobarometer-Umfrage
der EU-Kommission aus und verglich die derzeit aktuellsten Daten aus
der Befragungswelle von 2002 mit denen von 1996. Der Zeitraum ist
nach Analyse des Forschers besonders interessant, weil sich in
zahlreichen europäischen Ländern seit Anfang der 90er Jahre
die "Häufigkeit und Intensität von
Gesundheitsreformen" erhöht habe. Kernstück der
Veränderungen sei oft eine "Kombination aus
Leistungseinschränkungen und der Erhöhung privater
Zuzahlungen gewesen", so Wendt.



Die Eurobarometer-Umfragen zeigen, dass
die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem im Durchschnitt der
EU-15-Länder von 56 Prozent im Jahr 1996 auf knapp 36 Prozent
2002 zurückgegangen ist. In Deutschland schrumpfte der Anteil
der Zufriedenen von knapp 64 auf 31 Prozent. Dabei äußerten
sich kranke Befragte in Deutschland noch unzufriedener als gesunde.
Lediglich Österreich hob sich deutlich von dem negativen
europäischen Trend ab: In dem Alpenstaat, der seit den 60er
Jahren die gesamte Bevölkerung, also auch Beamte, Selbständige
und Bezieher höherer Einkommen, in die gesetzliche
Krankenversicherung integriert hat, stieg die Zufriedenheit - von
knapp 64 auf knapp 69 Prozent.



In den meisten Ländern der EU-15
scheine die "Einschätzung der Funktionsfähigkeit der
Gesundheitsversorgung immer weniger geeignet, um das Vertrauen in die
Gesundheitssysteme langfristig zu stützen", analysiert der
Forscher. Dagegen fänden die Wertvorstellungen, die diesen
Systemen zugrunde liegen, grenzüberschreitend und quer durch
alle Einkommensgruppen wachsende Unterstützung: "In Ländern
mit sehr unterschiedlich aufgebauten Gesundheitssystemen besteht nach
wie vor weitgehend Konsens darüber, dass es die Aufgabe des
Staates sei, für alle Bürgerinnen und Bürger einen
Zugang zur Gesundheitsversorgung sicherzustellen", betont Wendt.
Der Anteil der entsprechenden Antworten beim Eurobarometer stieg
zwischen 1996 und 2002 von gut 57 auf gut 60 Prozent. "Darin
drückt sich auch ein hohes Vertrauen in die Fähigkeit des
Staates aus, ein hohes Niveau an Gesundheitsleistungen sowie einen
auch für untere Einkommensgruppen finanzierbaren Zugang zur
Gesundheitsversorgung verlässlicher anbieten zu können als
es über alternative Strukturen, wie beispielsweise über
einen privaten Krankenversicherungsmarkt, möglich wäre",
so der Wissenschaftler.



WANC 14.08.07

 
 
 
 
 
 
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