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Die Patienten werden sich in Zukunft auf weniger Leistungen und mehr Kosten in der Krankenversicherung einstellen müssen (Foto: Stock photo)
> Gesundheitskosten: Verteilungskampf im Namen des Patientenwohls

Immer, wenn es um Änderungen unserer
Gesundheitsversorgung geht, wird das Wort vom Patientenwohl gesprochen.
Doch der Patient dient allen – ob Ärzten, Krankenhäusern, Krankenkassen
oder Gesundheitspolitikern – nur als leicht ins Feld zu führende
Entschuldigung. Tatsächlich wollen die Beteiligten nur mehr Geld. Und
dann soll nur einer zahlen – der zuvor umsorgte Patient, wie auch
wieder eine neue Studie zeigt.
Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung
Nordrhein, Leonhard Hansen,
hat eine Verschärfung der Praxisgebühr
gefordert. Für jeden Arztbesuch
sollten fünf bis zehn Euro fällig
werden, sagte er der Rheinischen
Post. Ein Facharztbesuch ohne Überweisungsschein soll
Hansen zufolge
bis zu 25 Euro kosten. Für die Überweisung zum
Facharzt müsse eine
Gebühr von  fünf bis zehn Euro anfallen, betonte
Hansen. „Die Hemmschwelle, ärztliche Leistungen in Anspruch zu
nehmen, ist
immer noch niedrig”, begründet Hansen seinen geplanten Griff in die
Geldbörsen der Patienten. Er fügte hinzu: „Selbstverständlich brauchen
wir Obergrenzen und Ausnahmeregelungen
für chronisch Kranke.” Es gebe
in Deutschland aber bei den
Versicherten ein fehlendes Empfinden, dass
sie Kosten verursachten.
Bei den Ärzten bestehe eine Mentalität des
ständigen
Wiedereinbestellens der Patienten. Hansen verspricht sich
durch eine
Reform der Praxisgebühr mehr Effizienz bei der
Arztversorgung: „Wenn
die Arztbesuche auf die notwendigen Fälle
reduziert werden könnten,
wird es auch weniger Wartelisten geben.” Das ist nicht der einzige Vorschlag, den derzeit Ärzte unterbreiten.
Der Vorstandsvorsitzende der Bundesärztekammer, Dr. Jörg-Dietrich
Hoppe, hat in „Die Welt“ vorgeschlagen, dass Krankenkassen nur noch die
Kosten für die nötigsten medizinischen Leistungen übernehmen sollten.
Nur so wäre die von Hoppe reklamierte Finanzlücke von 30 Milliarden
Euro im Gesundheitswesen zu füllen. Ein „Gesundheitsrat“ mit Ärzten,
Ethikern, Juristen und Patientenvertretern solle durch eine
„Priorisierung“ der Leistungen bestimmen, für welche Krankheiten die
Kassen zahlen müssten, so Hoppe. Das Gesundheitsministerium und die
gesetzlichen Krankenkassen lehnten diese Idee umgehend ab. Irgendwie ist es schon seltsam. Wenn es um die Kosten im
Gesundheitswesen geht, dann gibt fast immer nur einen Schuldigen: Und
das ist der Patient: Er wird immer älter, er wird deshalb immer teurer,
er nimmt zu viel Leistungen in Anspruch, er nimmt zu wenig (vor allem
Vorsorge-)Leistungen in Anspruch, er geht zu oft zum Arzt, er nimmt zu
viele Medikamente und so weiter und so fort. Deshalb müssen Änderungen
her, um die Kosten zu senken oder mehr Geld einzunehmen. Natürlich
alles zum Wohle des Patienten. Dass die Versicherten in der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht
damit rechnen können, dass sie bei gleichbleibenden Beiträgen
gleichbleibende Gesundheitsversorgung macht eine Studie des Fritz Beske
Institut für Gesundheits-System-Forschung in Kiel deutlich. Demnach
müssen sich die Versicherten in Zukunft nicht nur auf eingeschränkte
Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen einstellen. Sie müssen auch
mehr zahlen: zum einen für ausgeweitete Zuzahlungen und für zusätzliche
Leistungen, die über private Versicherungen gedeckt werden müssen. Denn eines ist für Prof. Fritz Beske, Direktor des IGSF, völlig klar:
Der heute in der Krankenversicherung gebotene Leistungsumfang ist
„schon heute unterfinanziert“ und kann nicht unverändert
aufrechterhalten bleiben. Das bedeutet nichts anderes, als weniger
Leistungen fürs gleiche Geld. Oder: Die Beiträge bleiben zwar aus
optischen Gründen stabil, doch was man im Gegenzug dafür bekommt, wird
durch ein Abspecken des Leistungskataloges immer weniger. Und wer sich den derzeitigen Standard erhalten will? Das ist für Beske
einfach: „....vom Versicherten gewünschte Leistungen sind
Zusatzleistungen, die vom Versicherten bezahlt werden müssen,
gegebenenfalls abgesichert in der Privaten Krankenversicherung über
eine Zusatzversicherung“. Konkret soll das so aussehen: • Ablösung der bisherigen Praxisgebühr durch eine Gebühr von 10 Euro
ab dem vierten Praxisbesuch im Quartal. Die 10 Euro verbleiben bei der
Krankenkasse. • Einführung einer Gebühr von 10 Euro je Hausbesuch. Die 10 Euro verbleiben beim Arzt. • Bei Arzneimitteln, Ersetzung der derzeitigen Zuzahlungsregelung durch
eine Kombination von fester Zuzahlung von 5 Euro und einer prozentualen
Zuzahlung von 10 Prozent der Differenz zum Apothekenabgabepreis mit
einer Kappungsgrenze von 20 Euro. Perspektive. Pauschale Rezeptblattgebühr von 10 Euro mit Befreiung
für Kinder bis 14 Jahre und Weitergelten der Befreiung bei Auswahl
eines besonders günstigen Arzneimittels. • Aufhebung der zeitlichen Begrenzung der Zuzahlung von 28 Tagen bei Krankenhausbehandlung. • Bei der ambulanten psychotherapeutischen Behandlung, Einführung
einer Zuzahlung von 10 Prozent je Sitzung, rund 8 Euro, da die
Eigenbeteiligung auch als therapeutisches Prinzip angesehen wird. Die
Gebühr bleibt bei der Krankenkasse. • Bei der künstlichen Befruchtung, Umstellung von 50 Prozent GKV und
behandeltes Ehepaar auf je ein Drittel GKV, Ehepaar und Staat. • Bei der Härtefallregelung, Aufhebung der Möglichkeit, bei chronisch
Kranken die Belastungsgrenze von zwei auf ein Prozent der jährlichen
Bruttoeinnahmen herabzusetzen. Dass es letztendlich darum geht, mehr Geld vom Patienten zu bekommen,
verdeutlicht der Vorschlag des Instituts vermehrt Kostenerstattungen
einzuführen. Das Prinzip der Kostenerstattungen: Der Arzt stellt für
seine Leistungen dem Patienten direkt eine Rechnung, der diese dann
auch bezahlen muss. Der Versicherte reicht die Rechnung bei seiner
Kasse ein und bekommt einen Betrag erstattet. Das Schöne für den Arzt:
Er kann seine Preise beim Patienten durchsetzen. Das Schlechte für den
Patienten: Er bekommt von der Kasse nur das erstattet, was die als
Kosten für die ärztliche Leistung vergütet. Das dürfte fast immer viel
weniger sein, als was der Patient bezahlen musste. Auf dem
Unterschiedsbetrag bleibt er sitzen. WANC 12.05.09/Quelle: Für ein verlässliches, solidarisches und
gerechtes Gesundheitswesen, Fritz Beske Institut für
Gesundheits-System-Forschung, igsf-Stiftung
 
 
 
 
 
 
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