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Ein blindes Gesetz? Oder doch eine nützliche Hilfe für den Bürger? (Cartoon: foodwatch/Dirk Heider)
> Verbraucherinformationsgesetz: Mängel

Das Verbraucherinformationsgesetz
(VIG) ist am 1. Mai 2008 in Kraft getreten. Insbesondere
Verbraucherschutzorganisationen kritisieren das Machwerk als zu
kompliziert und zu teuer und für den Bürger praktisch nutzlos. Eine
Studie kommt jetzt zu dem Ergebnis, dass dem nicht so ist. Doch die
Bewertung des VIG durch Experten zeigt in verschiedenen Bereichen
Mängel auf.
Die Kritik gegen das VIG ist laut. Das vom damaligen
Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU)  als "ein
Meilenstein in der Geschichte des Verbraucherschutzes" gepriesene
Gesetz wird vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (Vzbv) als eine
"Lachnummer" disqualifiziert. Der Bundesverband kritisiert
nichtssagende und pauschale Antworten, lange Wartezeiten und hohe
Kosten. Die Verbraucherorganisation Foodwatch urteilte beispielsweise,
sie könne "keinem Verbraucher empfehlen, eine Anfrage an eine Behörde
zu stellen". Eine Studie kommt – wie soll es anders sein, wurde sie doch vom
zuständigen Ministerium in Auftrag gegeben – nun zu einem ganz anderen
Ergebnis. Mit dem vor zwei Jahren in Kraft getretenen
Verbraucherinformationsgesetz (VIG) bewegt sich Deutschland
international auf dem Schutzniveau anderer Länder, das urteilen die
Experten. Dennoch gibt es aus ihrer Sicht noch
Verbesserungsmöglichkeiten für das Recht der Verbraucher,
gesundheitsbezogene Informationen bei den Behörden einzuholen. Zu
diesem Schluss kommen Rechtswissenschaftler der Universität Heidelberg,
die das VIG im Auftrag des Bundesverbraucherministeriums in einer
rechtsvergleichenden Untersuchung bewertet haben. Die Forscher sprechen
sich mit Blick auf die von ihnen untersuchten Rechtsordnungen in den
USA und in Europa insbesondere für eine vereinfachte Durchführung der
Informationsanfragen aus. Das „Gesetz zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen
Verbraucherinformation“, kurz Verbraucherinformationsgesetz, soll neben
einer größeren Transparenz auch zur Vorbeugung und Eindämmung von
Lebensmittelskandalen beitragen. Das VIG biete den Behörden vor allem
bessere Möglichkeiten, die Öffentlichkeit proaktiv zu informieren,
beispielsweise bei Gesundheitsgefahren oder Verbrauchertäuschungen.
Ziel der rechtsvergleichenden Untersuchung sei es, das
Verbraucherschutzniveau im Informationsrecht anderer europäischer
Länder sowie der USA zu ermitteln und gegebenenfalls effektivere
Regelungen für die deutschen Verbraucher zu identifizieren. Neben den
USA wurden Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Irland und
Schweden in die Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
einbezogen. Wie der Direktor des Instituts für ausländisches und internationales
Privat- und Wirtschaftsrecht erläutert, betreffen mögliche
Vereinfachungen insbesondere die Beteiligung betroffener Dritter: So
müssen beispielsweise die Vertreter von Unternehmen zunächst gehört
werden, bevor Bürger, Journalisten oder Verbraucherverbände Zugang zu
den gewünschten Informationen erhalten. Für Pfeiffer ergeben sich
verschiedene Möglichkeiten, das Verfahren zu verkürzen, indem zum
Beispiel die Drittbeteiligung unter bestimmten Voraussetzungen von der
Regel in eine Ausnahme verwandelt wird. Ebenso könnten Dokumente schon
bei ihrem Eingang bei den Behörden „eingestuft“ werden: Gibt es dagegen
von den Unternehmen keine Beschwerde, gelten sie als „zur
Veröffentlichung geeignet“ und können in jedem Fall herausgegeben
werden. Dass die angeforderten Informationen häufig zunächst aufwendig durch
die Mitarbeiter der Behörden aufbereitet werden müssen, ist ein
weiterer Aspekt der Heidelberger Studie. Eine deutlich kürzere
Bearbeitungszeit ließe sich mit einem bloßen Akteneinsichtsrecht
erreichen, wie dies auch in Rechtsordnungen anderer Länder praktiziert
wird: Danach können nur genau bezeichnete Dokumente eingesehen werden,
erläutert Pfeiffer. „Allerdings besteht hier auch kein genereller
Informationsanspruch, anders als derzeit im deutschen
Verbraucherinformationsgesetz“, so der Heidelberger
Rechtswissenschaftler. Dies gegeneinander abzuwägen, sei allerdings
Sache der Politik, betont Prof. Pfeiffer. Stellungnahme der Experten im Wortlaut (Kurzfassung): Das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) ist am 1. Mai 2008 in Kraft
getreten. Anlass für die Wiedervorlage des Gesetzes durch den damaligen
Bundesminister Seehofer war neben der Schaffung größerer Transparenz
das Ziel der Vorbeugung und Eindämmung von Lebensmittelskandalen. Die
Bundesregierung wurde von Bundestag und Bundesrat aufgefordert, das VIG
innerhalb von zwei Jahren zu evaluieren und Vorschläge zur
Weiterentwicklung der Informationsansprüche zu unterbreiten. In der Praxis wurde das Gesetz insbesondere von einigen 
Verbraucherschutzorganisationen als zu kompliziert und zu teuer
kritisiert. Nach den im Rahmen dieser Studie durchgeführten und
ausgewerteten Erhebungen kann diese Beurteilung nicht aufrecht erhalten
werden. Auffällig ist zunächst, dass ein großer Teil der Anfragen auf
Grundlage des VIG nicht von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sondern
von Verbraucherschutzorganisationen gestellt oder veranlasst, und dies
meist mit sehr umfassenden Fragestellungen (Globalanfragen). Gefragt
wurde schwerpunktmäßig allgemein nach Rechtsverstößen. Nur ein Drittel
der Anträge bezog sich konkret auf bestimmte Produkte. Zum Stichtag der Untersuchung waren von den 487 erhobenen Anträgen 378
abschließend bearbeitet. Von diesen war in circa der Hälfte der Fälle
der Informationszugang gewährt, bei 29,9 % zurückgewiesen worden. In
den meisten Fällen wurden die vom Gesetz vorgegebenen Fristen
eingehalten. Zu Fristüberschreitungen kam es insbesondere bei
umfangreichen Globalanträgen. Die vom Gesetz insoweit festgelegte
Bearbeitungsfrist erscheint angesichts der nach den gesetzlichen
Vorgaben ebenfalls vorgesehenen Verfahrensvorschriften zum Schutz von
Drittbetroffenen als zu knapp. In der weit überwiegenden Zahl der Fälle
wurde keine Gebühr erhoben, in nur 6 Fällen mehr als 250 Euro.
Angesichts der durch die Anfragen verursachten Kosten insbesondere für
die Beantwortung umfassender Globalanfragen kann von überhöhten Gebührenforderungen keine Rede sein, wohl aber von einer deutlichen
Subventionierung der Informationsgewährung durch die öffentliche Hand. Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist allerdings die
Gebührenerhebung vor allem wegen der unterschiedlichen Regelungen auf
Bundes- und Länderebene wenig transparent. Im Rahmen der Studie wurde untersucht, ob der Anwendungsbereich des VIG
ausgeweitet werden soll. Dies wurde abgelehnt, da bereits jetzt eine
Vielzahl spezieller Informations- und Kennzeichnungspflichten im
deutschen und europäischen Recht festgeschrieben wird. In der
öffentlichen Diskussion wird dies häufig verkannt. Ebenso, dass neben
dem VIG weitere Informationsansprüche bestehen, beispielsweise nach dem
Informationsfreiheitsgesetz (IFG) über Finanzdienstleistungen sowie
nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG). Es wird aber empfohlen, die vorhandenen gesetzlichen Informationsrechte
abzustimmen und zu systematisieren und durch Sonderregelungen für
sachspezifische Besonderheiten zu ergänzen. Einheitlich gestaltet werden sollten insbesondere das Antragsverfahren, die Ausschlusstatbestände, die Beteiligung Dritter sowie Kosten und Rechtsschutz. Eine Sonderregelung für antragsunabhängige aktive Informationen und Warnungen durch die Behörden sollte im Lebens- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) verankert werden. Die Ergebnisse der Studie sind im Internet unter http://www.vigwirkt.de/de/vig-im-dialog abrufbar. WANC 11.06.10, Quelle: Auswertung der Anwendungserfahrungen mit dem
Verbraucherinformationsgesetz (VIG) sowie Erarbeitung von konkreten
Empfehlungen für Rechtsänderungen; Bericht der Bundesregierung über die
Ergebnisse der Evaluation des Verbraucherinformationsgesetzes (vgl.
BT-Drs. 16/2035 vom 28.06.2006)
 
 
 
 
 
 
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