Auswertung
Viele Krankenhäuser gehen wirtschaftlich schweren Zeiten entgegen
> Jedes vierte Krankenhaus vor dem Aus

Krankenhäuser sind für den zunehmend harten Wettbewerb nur unzureichend gerüstet. Die meisten haben
auch noch keine ausreichenden Vorkehrungen für das Überleben
getroffen. Deshalb gehen Marktforscher davon aus, dass rund ein
Viertel aller deutschen Krankenkäuser verschwinden wird.


Der
wirtschaftliche Druck auf Krankenhäuser wird sich drastisch
verschärfen: Ein Gros hat bislang noch keine ausreichenden Maßnahmen
ergriffen, um im zunehmend harten Wettbewerb das Überleben zu sichern.
Allein in Deutschland ist rund jede vierte Klinik innerhalb der
nächsten 15 Jahre in ihrer Existenz bedroht. Dabei lassen sich in
Management- und Betriebsabläufen Ansätze für eine deutliche
Verbesserung der eigenen Marktposition identifizieren. Dies gilt sowohl
für medizinische als auch nichtmedizinische Klinikbereiche. Zu diesem
Ergebnis kommt eine europaweite Studie der internationalen Strategie-
und Technologieberatung Booz Allen Hamilton.



Erst
kürzlich hatte das Statistische Bundesamt die Krankenhausstatistik
veröffentlicht. Demnach ist die Zahl der Krankenhäuser und
Krankenhausbetten weiterhin rückläufig. So gab es im Jahre 2004 in
Deutschland 2.166 Krankenhäuser. Bei den aufgestellten
Krankenhausbetten ist ein Rückgang um 10.568 auf 531.333 aufgestellte
Betten zu verzeichnen. Seit 1990 sind somit 22,5 Prozent der
Bettenkapazität (154.643 Betten) abgebaut worden.



Bei
den Patientenzahlen wird gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um 2,9
Prozent ausgewiesen: 16.801.649 Patienten für das Jahr 2004 gegenüber
17.295.910 Patienten für das Jahr 2003.



Aufgrund weiter gesunkener Verweildauern (2004 betrug die
durchschnittliche Verweildauer in allgemeinen Krankenhäusern 8,2 Tage)
ist auch die Zahl der Berechnungs-/Belegungstage rückläufig: sie sank
im Vergleich zu 2003 (153,5 Mio.) um 4,4 Prozent auf 146,7 Mio.
Berechnungs-/Belegungstage.



Die
Zahl des an Krankenhäusern beschäftigten Personals sank auf 805.988
Vollkräfte. Diese Entwicklung ergibt sich aus einem Anstieg der
Arztzahlen um 3,1 Prozent (117.681 Vollkräfte) und einem fast ebenso
starken Rückgang (3,0 Prozent) des nicht ärztlichen Personals (688.307
Vollkräfte).



Was die Studie ermittelt hat Markante
Schwächen weisen vor allem drei Bereiche auf: die strategische Führung,
die Optimierung der medizinischen und administrativen Prozesse sowie
die professionelle Vernetzung mit anderen medizinischen
Leistungsträgern. "Die meisten Kliniken stellen keine strategische,
langfristige Planung auf und verfügen damit auch nicht über eine
stabile Grundlage, die eigene Situation zu verbessern", so Dr. René
Perillieux, Gesundheitsexperte und Partner bei Booz Allen Hamilton.
Laut Studie entwickeln nur 23% der befragten deutschen Kliniken eine
Langfristplanung, die systematisch verfolgt wird. Zum Vergleich: In
Frankreich sind es 67%. Alarmierend ist auch der Umgang mit den
Budgets. So gibt es bei fast 60% der Häuser in Europa keine definierten
Prozesse für die Budgetsteuerung. Insgesamt 41% der Kliniken geben an,
überhaupt keine Mechanismen zur Kontrolle der Finanzdisziplin zu haben,
in Deutschland ist es sogar knapp die Hälfte (47%).



Erhebliche
Optimierungsmöglichkeiten zeigen sich in den medizinischen
Kernbereichen sowie in der Verwaltung. Beispiel Operationssaal: 36% der
Häuser weisen in den OPs Leerlaufzeiten von mehr als 20% auf. Insgesamt
knapp ein Viertel (23%) erheben dazu nicht einmal Daten. In sehr gut
organisierten Kliniken liegen Leerzeiten unter 10% und die
Auslastungsquoten der OPs - gemessen als Anteil der Schnitt-Naht-Zeit -
über 60%. Darüber hinaus spielen angesichts der europaweiten Einführung
fallbasierter Vergütungen so genannte "integrierte Behandlungspfade"
eine wichtige Rolle. Perillieux: "Häufige Krankheiten könnten
effizienter behandelt werden, wenn eine stärkere Standardisierung der
Abläufe in Diagnose, Therapie und Pflege erfolgen würde - natürlich
ohne Qualitätseinbußen." Unterschiedliche Abteilungen müssten dabei
enger zusammenarbeiten. Aber: Nur in knapp 40% der Häuser werden
Behandlungen abteilungsübergreifend umgesetzt und dies auch nur bei
maximal 5% aller Fälle.



Zur
Sicherung der Überlebensfähigkeit sollten künftig insbesondere kleinere
und mittlere Häuser Kooperationen eingehen. Dadurch lassen sich
administrative und medizinische Leistungen aufteilen und Ressourcen
besser auslasten. Daneben spielen Vereinbarungen mit Investoren, etwa
zur Finanzierung von technischem Gerät, eine wachsende Rolle. Im
Schnitt beläuft sich der derzeitige Investitionsstau bei einem Haus mit
1.000 Betten auf rund 22 Mio. Euro. Doch obwohl 97% der Kliniken
angeben, mit anderen Häusern zu kooperieren, erfolgt dies nur in 21%
der Fälle mit Verträgen, die Leistungsumfang und Servicequalität
schriftlich fixieren.



Eine
erhöhte Kosteneffizienz ist nur durch strukturelle Veränderungen
möglich. Dazu sollten die Krankenhäuser im Rahmen einer mittelfristigen
strategischen Positionierung und Planung zunächst ihre medizinischen
Schwerpunkte bestimmen. Großen Nachholbedarf gibt es darüber hinaus
beim Marketing. 42 % der befragten Krankenhäuser haben keine Abteilung,
die sich um die Außendarstellung kümmert, sie verlassen sich allein auf
"Mundpropaganda", dabei insbesondere auf die Reputation des Personals.
Doch gerade angesichts wachsender Vernetzung wird es immer wichtiger,
eine bekannte Marke herauszubilden sowie das eigene Serviceangebot
aktiv nach außen zu kommunizieren.



An
der Studie nahmen über 80 Krankenhäuser der Akutversorgung aus sechs
Ländern (Deutschland, Italien, Frankreich, Großbritannien, Schweiz,
Österreich) teil. Sie verteilen sich ungefähr gleichmäßig auf kleinere
(<500 Betten, 28%), mittlere (500-1000 Betten, 31%) und große
Krankenhäuser (>1000 Betten, 41%) und waren entsprechend der
Struktur in den meisten europäischen Ländern überwiegend in
öffentlicher Trägerschaft (73%) und nachrangig in privater bzw.
freigemeinnütziger Trägerschaft (jeweils 12%, Rest: andere). Im Rahmen
der Studie wurden elf Managementbereiche in Kliniken identifiziert,
anhand derer der Entwicklungsgrad der einzelnen Krankenhäuser gemessen
wurde.



WANC 10.02.06

 
 
 
 
 
 
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