Tätowiertes Paar
Tätowierungen: Kommt es wegen ihnen zu einer Erkrankung, soll der Patient die notwendige Behandlung selbst bezahlen
> Ärzte sollen Patienten verpetzen

Offensichtlich plant das
Bundesgesundheitsministerium, Kassenärzte dazu zu verpflichten,
Erkrankungen, die durch unnötige Eingriffe, wie
Schönheitsoperationen, Tätowierungen oder Piercings,
entstanden sind, den Krankenkassen zu melden. Die betroffenen
Patienten sollen anschließend für die Behandlungskosten
selbst aufkommen.


Ermöglichen soll das eine
Gesetzesänderung, die zusammen mit der Pflegereform
verabschiedet werden soll. Im Referentenentwurf des
Pflegeweiterentwicklungsgesetzes (PfWG) ist eine Änderung des
§ 294 a SGBV versteckt, die sich auf die
Gesundheitsreform 2007 bezieht und die in keinem Zusammenhang mit der
Pflegereform steht.



Die geplante Neuregelung des § 294 a
SGB V sieht vor, dass Vertragsärzte den Krankenkassen Mitteilung
machen müssen, wenn Patienten Krankheiten „selbst verschuldet"
haben. Damit soll die Umsetzung der entsprechenden Vorschriften des
GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes ermöglicht werden, wonach
Patienten an den Behandlungskosten beteiligt werden können, wenn
sie die Behandlung „selbst verschuldet" haben. Dies bezieht
sich unter anderem auf gesundheitliche Komplikationen nach
Schönheitsoperationen, Tätowierungen oder Piercings.



Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl
Lauterbach verteidigte den Plan. Es mache keinen Sinn, dass die
Krankenkassen die eigentliche Schönheitsoperation nicht zahlten,
aber dann einspringen müssten, wenn die Operation verpfuscht
ist, sagte Lauterbach im Sender N24: „Das muss entweder der Arzt
bezahlen, der den Pfusch begangen hat, oder der Patient muss sich
zumindest beteiligen.“



Lauterbach widersprach Befürchtungen,
wonach Patienten künftig auch die Behandlung von Sportunfällen
selbst bezahlen müssen, was auch schon mal von Politikern wie
Ärztevertretern gefordert worden war. Es gehe vielmehr um
Komplikationen nach Operationen wie Brustvergrößerungen
oder Fettabsaugen. Bereits mit der Gesundheitsreform wurde
beschlossen, dass Betroffene künftig im Wesentlichen selbst
finanziell dafür geradestehen müssen, wenn es nach einer
medizinisch nicht notwendigen Behandlung zu Schwierigkeiten kommt.



Die Ärzte machen gegen eine
mögliche Aufweichung ihrer Schweigepflicht mobil. So wetterte
der Chef der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Frank Ulrich
Montgomery, wenn Ärzte künftig den Krankenkassen nicht nur
Diagnosen, sondern auch Motive, wie es zu einer Krankheit gekommen
ist, melden sollen, „dann ist das Patienten-Arzt-Verhältnis so
zerrüttet, dass wir die Schweigepflicht begraben können“.



Scharfe Kritik hat auch
Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Jörg-Dietrich
Hoppe an den Plänen geübt. Das Vorhaben des Ministeriums
sei ein „Generalangriff auf die ärztliche Schweigepflicht und
das verfassungsrechtlich geschützte Patientengeheimnis",
äußerte Hoppe gegenüber dem Berliner „Tagesspiegel“:
„Die Patienten werden kein Vertrauen mehr fassen können, wenn
Ärzte per Gesetz verpflichtet werden, ihre Patienten
auszuhorchen, um sie dann bei den Krankenkassen anzuschwärzen.“



Die Ärzte würden sich gegen
diesen Angriff auf die Rechte der Patienten mit allen gebotenen
Mitteln zur Wehr setzen. Hoppe: „Wir lassen uns nicht zu
Schnüfflern im Auftrag der Krankenkassen machen!“ Das
Ministerium müsse seine Pläne zur Änderung des § 294 a
SGB V im Rahmen der Pflegereform „schnellstmöglich
einstampfen", forderte Hoppe.



„Die ärztliche Schweigepflicht
wird ausgehöhlt, die vertrauensvolle Beziehung von Patienten zu
ihren Ärzten geht verloren. Ärzte sind keine
Hilfspolizisten der Krankenkassen, und Arztpraxen keine
Abhörstationen der Kassengeschäftsstellen.“ Dr. Andreas
Köhler, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung (KBV), kann dem Vorhaben des
Bundesgesundheitsministeriums nichts Gutes abgewinnen.



Und damit steht in einer Linie mit dem
Sozialverband Deutschland (SoVD). Der fordert die Bundesregierung
auf, die geplante ärztliche Meldepflicht bei sogenannten
selbstverschuldeten Krankheiten zu streichen. Die Ärzte sollten
zum Handlanger der Krankenkassen gemacht werden. Der SoVD lehnt dies
mit allem Nachdruck ab. Es sei absolut inakzeptabel, dass die
ärztliche Schweigepflicht ausgehöhlt werden soll. Damit
wird das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient
nachhaltig beeinträchtigt.



WANC 04.10.07

 
 
 
 
 
 
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