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Der Landarzt - ein aussterbende Spezies? Zumindest soll sein Erhalt jetzt mit Steuermitteln gesichert werden. (Foto: TK)
> Versorgungsstrukturgesetz: Kritik bleibt






Das Bundeskabinett hat am 3.8.2011 den Entwurf eines
Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen
Krankenversicherung beschlossen. Es soll am 1. Januar nächsten Jahres in Kraft
treten. Damit kommt auch ein Bündel von Maßnahmen, um die ärztliche Versorgung
in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Gebieten zu sichern. Doch
die Kritiker verstummen nicht.



 



Das Versorgungsstrukturgesetz beinhaltet unter anderen
folgende Bestimmungen:

Das Recht der Versicherten, eine Kasse frei zu wählen, soll gestärkt werden.
Bei  unrechtmäßigen Abweisungen durch einzelne Krankenkassen werden die
Rechtsfolgen des Eingreifens der Aufsichtsbehörden deutlich verschärft. Auch
wird geregelt, dass im Falle von Kassenschließungen ein reibungsloser Übergang
sichergestellt wird.



 



Die Krankenkassen können ihren Versicherten über das
gesetzlich festgelegte Angebot hinaus ergänzende Leistungen bei Vorsoge- und
Rehamaßnahmen, bei häuslicher Krankenpflege und Haushaltshilfe, bei den nicht
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln oder den Leistungen zur künstlichen
Befruchtung anbieten.



 



Es wird ein rascher und gezielter Zugang von Innovationen in
die Versorgung gesichert, indem dem Gemeinsamen Bundesausschuss ein neues
Instrument zur Erprobung nichtmedikamentöser Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden gegeben wird.



 



Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung:



  • Eine flexible Ausgestaltung der Bedarfsplanung mit
    erweiterten Einwirkungsmöglichkeiten für die Länder. Planungsbereiche müssen
    künftig nicht mehr wie bisher den Stadt- und Landkreisen entsprechen.
  • Anreize im Vergütungssystem, indem Ärztinnen und Ärzte in
    unterversorgten Gebieten von Maßnahmen der Mengenbegrenzung ausgenommen werden.
    Möglichkeit, Preiszuschläge für besonders förderwürdige Leistungen sowie
    Leistungen von besonders förderungswürdigen Leistungserbringern, die in
    strukturschwachen Gebieten tätig sind (z.B. mit höherer Versorgungsqualität),
    zu vereinbaren.
  • Die Förderung mobiler Versorgungskonzepte.
  • Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
  • Verbesserung der Rechtsgrundlagen für den Betrieb von
    Eigeneinrichtungen durch Kassenärztliche Vereinigungen und Möglichkeit zum
    Betrieb von Eigeneinrichtungen durch kommunale Träger.
  • Ausbau der Möglichkeiten der Delegation ärztlicher
    Leistungen und der Telemedizin.
  • Um Überversorgung abzubauen, wird die bestehende Möglichkeit
    der Kassenärztlichen Vereinigungen erweitert, den freiwilligen Verzicht auf die
    vertragsärztliche Zulassung finanziell zu fördern. Zudem wird den
    Kassenärztlichen Vereinigungen ermöglicht, bei der Ausschreibung von
    Vertragsarztsitzen zur Nachbesetzung in überversorgten Planungsbereichen ein
    Vorkaufsrecht auszuüben. Das gilt, wenn sich kein Kind, Ehegatte oder Lebenspartner
    oder ein Vertragsarzt, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich ausgeübt
    wurde, um die Nachbesetzung bewerben.
















 



Reform des vertragsärztlichen Vergütungssystems: Die vertragsärztliche Vergütung wird flexibilisiert und
regionalisiert. Die Kassenärztlichen Vereinigungen erhalten mehr
Gestaltungsmöglichkeiten bei der Honorarverteilung. Kassen und Ärzte  auf
regionaler Ebene haben mehr Eigenständigkeit bei der Vereinbarung der
Vergütung. Die Verpflichtung der Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene, für
die Ärztinnen und Ärzte Richtlinien zur Dokumentation der ärztlichen
Behandlungsdiagnosen zu erarbeiten (ambulante Kodierrichtlinien), entfällt. Die
Kassenärztliche Bundesvereinigung wird hierzu verpflichtet. Sie veröffentlicht
für jedes Quartal zeitnah nach Abschluss des jeweiligen Abrechnungszeitraums
einen Bericht über die Ergebnisse der Honorarverteilung.






Dass das Versorgungsgesetz die Probleme nicht löst, mahnen
die Kritiker. So sagte Mecklenburg-Vorpommerns Sozial- und
Gesundheitsministerin Manuela Schwesig,derGesetzentwurf nichts
gegen die Überversorgung in Ballungszentren und die Unterversorgung auf dem
Lande ausrichten werde. Die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Malu
Dreyer bezeichnete den Gesetzentwurf als ein „Sammelsurium von Einzelmaßnahmen“,
dem es an Mut und Kreativität mangele und mit dem weitere Bürokratie geschaffen
werde.



 



Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nennt das
Versorgungsgesetz„ein Zeugnis
beispielloser Klientelpolitik“. Statt die Gesundheitsversorgung der Patienten
zu verbessern, wolle die Koalition die Ärzte und Zahnärzte mit höheren
Honoraren versorgen. Auch die Arbeitgeber mäkeln. Ein Sprecher der
Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) sagte der Tageszeitung
"Die Welt": "Wenn die Ärzteschaft dazu bislang nicht in der Lage
ist und deshalb der Gesetzgeber aktiv werden muss, darf diese Fehlleistung
nicht noch mit einem Honorarzuwachs belohnt werden." Die Neuordnung der
ärztlichen Versorgung könne und müsse kostenneutral erfolgen. Aus Sicht der Arbeitgeber
gebe es keinen generellen Ärztemangel, sondern eine regionale Über- und
Unterversorgung.



 



Die Krankenkassen meinen, dass das neue Gesetz vor allem die
Versicherten teuer zu stehen komme. Anders als von der Bundesregierung
versprochen, müssten die meisten Bürger den Sozialausgleich, mit dem übermäßige
Belastungen durch Zusatzbeiträge der Kassen verhindert werden sollen, bald
selbst bezahlen, warnte Doris Pfeiffer, Chefin des Spitzenverbands der
gesetzlichen Krankenkasse. Denn Finanzminister Wolfgang Schäuble habe
durchgesetzt, dass der Steuerzuschuss für den Sozialausgleich gekürzt oder
zumindest begrenzt werde, wenn das Förderprogramm für Ärzte teuerer werde als
erwartet. Die Kassen zeigen sich skeptisch, dass Bahr die Folgekosten des
Versorgungsgesetzes richtig einschätze.



 





Viel freudiger sehen die Kassenärzte die Maßnahmen. „Wir
begrüßen die im Regierungsentwurf enthaltenen Maßnahmen, die der Sicherung der
ambulanten Versorgung insbesondere im ländlichen Raum dienen. Das geplante
Versorgungsstrukturgesetz wird die Versorgung der Patienten verbessern. Es ist
auch mitnichten – wie Kritiker behaupten – ein Ärztegesetz“, freut sich der
Vorstandsvorsitzende der KBV, Dr. Andreas Köhler.
















04.08. 2011, Quelle: BMG, KBV, GKV-Verband,
Die Welt, Ärzte Zeitung, MVPO.com



 
 
 
 
 
 
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