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Kliniken: Kostendeckendes Arbeiten für viele schwierig (Foto: DAK/Scholz)
> Kliniken in Not

Jedes dritte Krankenhaus in Deutschland steht vor
dem Aus. Das betrifft vor allem jene Kliniken, denen es nicht gelingt,
effizienter zu arbeiten. Die Unternehmensberatung McKinsey sieht die Ursachen
dafür hauptsächlich im Vergütungssystem.


Trotz intensiver Sanierungsanstrengungen, erfolgreicher
Privatisierungen und einer deutlich verbesserten Wettbewerbsfähigkeit werden
viele deutsche Krankenhäuser nicht kostendeckend arbeiten können. Dies betrifft
nach neuen Berechnungen von McKinsey etwa ein Drittel der Kliniken. Sie sind
selbst angesichts eines teils massiven Bettenabbaus, Umstrukturierung und
verbesserter Abläufe auf absehbare Zeit nicht in der Lage, wirtschaftlich zu
arbeiten. Damit steht der deutschen Krankenhauslandschaft ein weiterer
drastischer Umbau bevor – mit zusätzlichen Schließungen oder neuen
Zusammenschlüssen und zunehmender Spezialisierung.



Hintergrund ist die schrittweise Umstellung der Vergütung
von der Einzelleistungserstattung auf einheitliche Honorare für Behandlungen
zunächst auf Landesebene bis spätestens 2009. Mit 27 Prozent sind die Kliniken
der größte Kostenblock im deutschen Gesundheitssystem. Deshalb sollen sie durch
Fallpauschalen gezwungen werden, ihre Ausgaben erheblich zu senken und damit
einen wirkungsvollen Beitrag zur Gesundheitsreform zu leisten. Die laufende
flächendeckende Einführung von Fallpauschalen erfordert weitere Kostenreduktionen
von schätzungsweise fünf Milliarden Euro. Viele Kliniken hätten bereits große
Anstrengungen unternommen, ihre Kosten den neuen Umständen anzupassen. Ob es
aber den weniger effizienten Krankenhäusern gelinge, Einsparpotenziale zu
heben, sei fraglich.



Der McKinsey-Studie liegt eine Analyse von rund 1.600
Akutkrankenhäusern in Deutschland zu Grunde. Danach drohen knapp 600 zu
Verlierern des neuen Preissystems zu werden. Sie repräsentieren zurzeit 41
Prozent aller Behandlungsfälle in deutschen Krankenhäusern und mehr als 45
Prozent der Gesamtkosten dieses Sektors.



Produktivität im Krankenhaus In den vergangenen Jahren haben laut McKinsey viele deutsche Krankenhäuser
bereits erhebliche Produktivitätsfortschritte erzielt. So kommen in den besten
Kliniken rein rechnerisch auf jeden Angestellten 80 Patienten. In weniger
leistungsfähigen Häusern liegt dieses Verhältnis bei 1 zu 21. Vorbilder für
effizienteres Arbeiten haben Krankenhausmanager auch außerhalb ihrer Branche
gefunden. Im Mittelpunkt stehen dabei patientenzentrierte Abläufe statt eines
starren Abteilungsdenkens. Klinische Behandlungspfade legen die Prozesse für den
Ablauf des stationären Aufenthalts fest und erhöhen dadurch die Transparenz für
alle Beteiligten. Dies führt in der Regel zu kürzeren Verweildauern, einer
besseren Planung der Arbeitsabläufe auf den Stationen, weniger Bürokratie und
dem Wegfall unnötiger und teurer Leistungen.



Größe ist keine Voraussetzung für Erfolg Zunehmend beginnen die Krankenhäuser, ihre Strukturen zu verändern. Allein
zwischen 2000 und 2004 sind in Deutschland rund 28.000 Krankenhausbetten
abgebaut worden. Dies entspricht fünf Prozent der noch im Jahr 2000 vorhandenen
Bettenkapazität. Kleine Häuser wirtschaften schon vielfach erfolgreicher als
große Kliniken. Gründe dafür sind nach Angaben von McKinsey die geringere
Komplexität und eine niedrige Zahl an Fachabteilungen. Beste Zukunftsaussichten
haben nach Einschätzung von McKinsey heute spezialisierte Kliniken mit bis zu
drei Fachrichtungen und rund 150 Betten, Allgemeinkrankenhäuser mit einem
breiten Leistungsspektrum und 200 bis 400 Betten sowie Häuser der Schwerpunkt-
und Maximalversorgung mit 500 bis 700 Betten. Diese versorgen inzwischen bis zu
40.000 Patienten im Jahr. In den 90er Jahren waren dazu mehr als 1.000 Betten
nötig. Moderne Kliniken benötigen heute immer weniger Raum. Sie kalkulieren mit
45 bis 50 Quadratmetern je Bett. Im Durchschnitt sind es in Deutschland jedoch
noch 80 Quadratmeter. Immer mehr Häuser setzen außerdem auf Verbundstrukturen,
um Synergien zu schaffen. Netzwerke stärken die Verhandlungsposition bei
Vertragsverhandlungen und fördern den Wissenstransfer.



Wirtschaftlich erfolgreiche Krankenhäuser nutzen konsequent
die gesetzlichen Möglichkeiten von integrierten Versorgungsverträgen. So
vermeiden sie Mehrfachbehandlungen und unnötigen Leistungskonsum. Dennoch wird
das Potenzial der integrierten Patientenversorgung nicht voll ausgeschöpft. Oft
scheitert das Modell an einer unzureichenden Finanzierung sowie am erheblichen
Verwaltungsaufwand.



Druck der Träger nimmt zu Sogar im internationalen Vergleich stehen nach den Ergebnissen der
McKinsey-Untersuchung die deutschen Kliniken inzwischen überraschend gut da.
Die Umstellung auf das neue Abrechnungssystem hat den Übergang der
Kostenverantwortung von Krankenkassen zu den Trägern zur Folge. Diese fordern
verstärkt wirtschaftliches Arbeiten und Abbau von Produktivitätsrückständen.
Allerdings warnt McKinsey vor übertriebenen Hoffnungen. "Selbst weitere
Verbesserungen helfen nicht, die grundsätzliche Unterfinanzierung des deutschen
Gesundheitssystems zu beseitigen", sagte McKinsey-Direktor Rainer Salfeld.
Aus diesem Grund gelte es auch für andere Bereiche, einen Beitrag zu leisten,
um das Gesundheitswesen als Ganzes zu stabilisieren.



WANC 03.05.06

 
 
 
 
 
 
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