Quelle: Bertelsmann Stiftung
Gesundheitsmonitor der Bertelsmannstiftung: Vollzugsdefizite bei den Patientenrechten
> Patientenrechte: Im Dunkeln tappen

Immer wieder wird er gefordert: der
informierte Patient. Doch die, die ihn am lautesten fordern – also
Politik, Krankenhäuser und Ärzteschaft – verstecken dahinter meist ihre
eigenen Interessen. Der mündige Patient wird immer dann ins Spiel
gebracht, wenn er den eigenen Zielen dient. Die Interessen des
Patienten spielen dabei nur eine geringe Rolle. Wen wundert es da, dass
die meisten Patienten so gut wie nichts über ihre Rechte wissen. Denn
über die wird lieber geschwiegen.
Patienten in Deutschland sind noch nicht ausreichend über ihre Rechte
im Gesundheitswesen informiert. Das geht aus dem aktuellen
Gesundheitsmonitor der Bertelsmann Stiftung hervor. Ein Wegweiser
könnte das so genannte Patientenrechtegesetz sein, das derzeit im
Bundesministerium für Gesundheit geplant wird. Die repräsentative Bevölkerungsumfrage zeigt, dass die
Selbsteinschätzung nicht gerade überragend ist. 33,8 Prozent sagen
selbst, dass sie sich nur ausreichend oder ungenügend auskennen. 39,6
bewerten ihre Kenntnisse über ihre Rechte als Patienten als
befriedigend und 22 Prozent als gut oder sehr gut. Doch bei den wichtigen Details versagt das Wissen. Zwar kennt die große
Mehrheit der Bevölkerung das Recht auf freie Arztwahl (96 Prozent) oder
die umfassende Aufklärungspflicht des Arztes (92 Prozent). Nur 38
Prozent der Befragten wissen dagegen, dass der Arzt dem Patienten die
Wahrheit über die jeweilige Erkrankung sagen muss. Zudem gehen 41
Prozent der Versicherten fälschlicherweise davon aus, dass sie vom Arzt
eine gezielte Lebensverkürzung verlangen können. Nur neun Prozent der Befragten wissen, dass sie bei einem Arztwechsel
nicht die Herausgabe der Originalunterlagen verlangen können. 20
Prozent der Bevölkerung wissen nicht, ob sie Einsicht in die
Behandlungsunterlagen verlangen können oder ob der Arzt die Angehörigen
nur mit Zustimmung des Patienten über dessen Erkrankungen informieren
darf. Von den neun vorgelegten Patinetenrechten konnten aber nur 38,8 Prozent
alle richtig bewerten. 32 Prrozent schaffte fünf, 18,2 Prozent vier, 6
Prozent drei 2,2 Prozent zwei, 1,1 Prozent eines und 1,8 Prozent gar
keines. Auf diese Weise, stellt die Untersuchung fest, nehmen viele
Patienten ihre zugesicherten Rechte nicht in Anspruch. Manche mögen das gar nicht so schlecht finden, spart es ihnen doch
einigen Ärger. Und macht den Umgang mit dem unaufgeklärten Patienten ja
auch viel einfacher. Der Report hat sich aber auch darüber auseinander
gesetzt, warum diese Situation so ist wie sie ist. Und er findet
bemerkenswerte Erklärungen. So stellt er ferst, dass zu der Vielzahl
und Heterogenität der Rechtsgebiete und rechtlichen Bestimmungen, aus
denen sich die Patientenrechte ergeben, noch eine große Zahl von
Institutionen und Akteuren hinzu kommt, die fü̈r das Einklagen von
Patientenrechten zuständig sein können oder auch nur für die Klärung
der Frage, ob gegen Rechte verstoßen worden ist. Und der Bericht moniert: „Auch diese Akteure und Institutionen folgen
nur selten einem eindeutigen und verbindlich definierten
Patienteninteresse, sondern meist eigenen Partialinteressen oder Normen
und Wertorientierungen......Ein Großteil an Vollzugsdefiziten beruht
darauf, dass bei Entscheidungen im Gesundheitswesen entweder andere als
die Interessen des Patienten dominieren oder das Nebeneinander von
Patienten- und institutionellen Eigeninteressen zu Spannungen,
Verzögerungen oder Umdeutungen von Problemen führt. Verzögerungen
können aber im Gesundheitsbereich fundamentale Schädigungen oder
Verluste an Lebensqualität zur Folge haben.“ Weiter gibt er zu bedenken: „Über Patientenrechte und Möglichkeiten der
Durchsetzung informieren mittlerweile unübersichtlich viele
schriftliche ......... Ratgeber von Selbsthilfegruppen oder
spezialisierten Rechtsanwaltskanzleien, Hilfsangebote im Internet (z.B.
das Forum Patientensicherheit von BÄK und KBV) und Beratungsstellen,
etwa der Unabhängigen Patientenberatung Deutschlands (UPD) oder der
Verbraucherzentralen. Über die Qualität und Verpflichtung dieser
Angebote auf Patienteninteressen ist wenig bis gar nichts bekannt.
Allein schon die organisatorische Nähe mancher dieser Angebote zu
Institutionen, die auch Interessen von Leistungserbringern verfolgen,
lässt aber den Verdacht häufigerer Interessenkollisionen aufkommen.“ Die Studie übt auch direkte Kritik: „Die Ärztekammern haben zum
Konfliktbereich Behandlungsfehler seit Langem kostenfreie
Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen eingerichtet, die mit
Juristen und Ärzten besetzt sind und patientenseitig vermutete
Behandlungsfehler klären sollen. In vielen Fällen können durch die
Schlichtungsstellen anhängige Streitverfahren beendet werden. An der
uneingeschränkten Funktionsfähigkeit dieser Schiedsstellen kann jedoch
gezweifelt werden: Zum einen wurde lediglich eine Minderheit der
Streitfälle zugunsten der Patienten entschieden – laut
Bundesärztekammer gingen 2009 7.424 Beschwerden ein, von denen 2.184
als Behandlungsfehler bewertet wurden (Bundesärztekammer,
Pressemitteilung 23. Juni 2010); zum anderen ist das Verfahren nicht
eindeutig unabhängig von den Interessen der Ärzte und
Arzthaftpflichtunternehmen.“ Zusammen gefasst heißt nichts anderes: Die Vorschriften zu den Rechten
von Patienten sind verwirrend und nur schwer zu verstehen und sie sind
nicht einfach für jeden zu finden, sondern unübersichtlich in
verschiedenen Gesetzen und Regelungswerken versteckt sind. Deshalb kann
es kaum gelingen kann, sie zu durchsteigen. Die bestehenden
Patientenrechte werden von vielen Teilnehmern am Gesundheitswesen für
eigene Zwecke missbraucht, umgedeutet und zu eigenem Gutdünken
ausgelegt. Das Wohl des Patienten wird zwar überall mit Worten hoch
gehalten, doch in der Realität kümmert man sich kaum darum. WANC 13.12.10, Quelle: Gesundheitsmonitor 2010, Bertelsmann Stiftung
 
 
 
 
 
 
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